Читать книгу Begnadet - Buch 1-2 - Sophie Lang - Страница 13

Aeia - Xmemorarenikation

Оглавление

Ronan Meusburger brummt: »Kyala. Vigor. Ich will euch Aeia Engel zeigen.«

Zeigen? Ich glaube, ich habe mich verhört. Er will mich zeigen? Was bin ich? Ein neues Inventar? Ein Möbelstück. Vorstellen wäre angemessen gewesen. Ich möchte ihnen die Neue vorstellen. Umso mehr bin ich darüber erstaunt, dass Ronan Meusburger den richtigen Ausdruck gewählt hat. Ich stehe wie angewurzelt vor dem monströsen Tisch und die beiden heften ihre Blicke an mir fest. Ich fühle mich wie ein Insekt, unter einem Vergrößerungsglas.

Ich versuche das zu ignorieren und mache mir selbst ein Bild von meinen neuen Kollegen. Kyala sieht aus wie eine Fledermaus Mensch Kombination.

Sie hat ihren Körper in schwarze, gruftige Kleidung gehüllt. Ihre Haare reichen bis zum Kinn, sind dick und pechschwarz.

Sie hat ein ovales Gesicht, mit durchdringenden, schwarzen Augen und ist ziemlich hübsch, was zu großen Teilen an ihren dunkeln und dichten Wimpern liegt. Sie trägt bestimmt schwarze Kontaktlinsen.

Mir gefallen auch ihre reine, marmorgleiche Haut und der süße, geschwungene Mund. Kyala ist eine hübsche, junge Frau, daran besteht kein Zweifel und jung passt auch ganz gut. Ich schätze sie auf keinen Fall älter als zwanzig. Vermutlich studiert sie auch noch.

Ich lächle sie lieb an und bin sehr froh, als ich auch einen Ansatz eines verschmitzten Lächelns auf ihren geschwungenen Lippen sehe. Sie ist bestimmt glücklich, dass sie weibliche Gesellschaft bekommt, bei den schrägen Männern in Gate 13. Womit ich auch schon bei Vigor bin.

Seine Eltern müssen hellseherische Fähigkeiten gehabt oder in eine Glaskugel geschaut haben, als sie seinen Namen auswählten.

Vigor? Slawische, transsilvanische oder transsibirische Abstammung vermute ich und frage mich gleichzeitig, ob es so etwas überhaupt gibt.

Er ist, selbst hinter dem Monitor sitzend, noch größer als ich. Sein Gesicht ist wuchtig, blass und sein Körper muskulös, athletisch. Seine Augen sind Schlitze und ich habe das Gefühl von stahlblauen Speerspitzen durchbohrt zu werden und seine Miene verzieht sich keinen Millimeter, als ich versuche, auch ihn lieb anzulächeln. Vergeblich versuche lieb anzulächeln, trifft es besser, denn Vigors bloße Anwesenheit lässt meine Knie erzittern.

Ich blicke auf seine Hände, die riesig sind.

Plötzlich habe ich eine Heidenangst davor, dass er mir mit diesen Händen wehtun könnte. Ein Schauer läuft meine Wirbelsäule hinab. Ich greife an den Schutzengel an meiner Brust, denke an etwas Positives und mein innerer Schutzschild fährt hoch.

»Ihr drei lernt euch später besser kennen. Dann werden Sie auch in die Spezialgebiete von Kyala und Vigor eingewiesen«, sagt Ronan Meusburger. Um ehrlich zu sein, will ich von Vigor in überhaupt nichts eingewiesen werden.

»Kommen Sie, Aeia, kommen Sie. Wir gehen in mein Büro. Ich werde Ihnen einiges erläutern, was Sie wissen müssen.« Wie ein eingeschüchtertes Schulmädchen folge ich dem Professor. Die Tür zu seinem Büro befindet sich keine fünf Meter hinter dem Eichentisch und wird bewacht von je zwei mächtigen Bücherregalen zur Linken und zur Rechten.

Ich sehe mich noch einmal um. Kyalas und mein Blick treffen sich und sie nickt mir aufmunternd zu.

Wärme strömt von ihr zu mir und ich fühle mich sofort etwas besser. Ich glaube, sie mag mich vom ersten Moment an, obwohl ich noch nicht einmal weiß, ob sie überhaupt meine Sprache spricht. Vigor ertappe ich auch dabei, wie er mir hinterhersieht. Das macht ihn aber weder sympathischer, noch verliere ich vor ihm meine Angst, die instinktiv, ganz tief aus meinem Innern, zu kommen scheint.

»Kommen Sie nur, kommen Sie nur, Aeia. Ich beiße nicht«, höre ich die angeraute Stimme Meusburgers. Er steht in der geöffneten Tür und winkt mich zu sich. Zögernd, mit langsamen Schritten, befehle ich meinen Körper in sein Büro. Das Sonnenlicht kriecht durch zwei farbige Kirchenfenster, malt ein atemberaubend schönes Mosaik auf das Parkett und den Schreibtisch, den zwei grinsende Totenschädel an jedem Tischbein zieren.

Mein Chef setzt sich hinter seinen antiken Totenschädelschreibtisch in einen braunen, vom Alter gezeichneten, Ledersessel. Mit einem belanglosen Wink gibt er mir zu verstehen, in dem nicht weniger alten, aber wesentlich unbequemeren, Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen.

»Frau Engel«, fängt er mit aufgesetzt mysteriöser Stimme an. »Es gibt hier bei TREECSS wenige, aber dafür außerordentlich ernst zu nehmende, Prinzipien. Es ist meine Pflicht, Sie über die Inhalte und die Konsequenzen bei Zuwiderhandlung aufzuklären.

Mit der Unterzeichnung des Vertrages haben Sie diesen ja bereits zugestimmt.« Er tippt mit seinem Zeigefinger dreimal auf ein Dokument, das auf seinem Schreibtisch liegt. Es handelt sich um die zweite Ausführung meines Vertrags.

»Die Regeln sind einfach und kristallklar«, fährt Meusburger fort.

Ich sehe unbewusst auf die zwei Kirchenfenster und bekomme ein komisches Gefühl in meiner Magengegend.

»Loyalität, Aufrichtigkeit, Tradition«, sagt Ronan Meusburger. »Sei loyal in all deinem Handeln. Spreche mit keiner fremden Seele über deine Taten oder die des Instituts. Sei aufrichtig in all deinen Gedanken. Sage nie die Unwahrheit. Sei ein Teil der alten Tradition. Lass uns alle an deinem einzigartigen Wesen teilhaben.«

Er macht eine Pause.

»LOYALITÄT«, er schließt seine Hand.

»AUFRICHTIGKEIT«, sagt er mit geöffneter Hand.

»TRADITION«, seine Hand schließt sich wieder.

Die Worte klingen wie ein Gebet, die drei Prinzipien wie der Vater, der Sohn und der Heilige Geist in meinen Ohren nach. Ich bekomme eine Gänsehaut.

»Ich verstehe jetzt, warum Sie vorhin von einem Test gesprochen haben. Ehrlichkeit ist eins der drei Prinzipien«, überlege ich laut. Mein Chef nickt anerkennend. Irgendwie tut dieses unausgesprochene Lob gut. »Sie sprachen auch von anderen Tests. Gibt es da noch weitere?« Er sieht jetzt wieder ganz aus wie ein verwirrter Professor. Kratzt sich am Schädel, bevor er spricht.

»Durchaus, durchaus. Jeder hier im Institut ist begabt. Begabt auf eine ganz besondere, einzigartige Art und Weise. Das gehört sozusagen zum Stammbaum unserer Familie.« Ich erinnere mich nicht daran, in den Bewerbungsunterlagen etwas Derartiges gelesen zu haben. Weiß nicht, von was er spricht. Was oder wen er mit Familie meint. Tatsächlich wusste ich bis vor wenigen Wochen noch nicht einmal von der Existenz dieses Instituts.

Ich habe schon von Kommilitonen auf der Uni gehört, dass große und einflussreiche Firmen die Studenten noch vor ihrem Abschluss akquirieren. Oft bekommen Psychologen Jobs in Personalabteilungen in der Industrie oder in Beratungsunternehmen. Gute Nachwuchskräfte sind gefragt und der Markt um junges Blut ist heiß umkämpft. Aber das trifft auf die wirklich guten Studenten zu, zu denen ich mich nie zählen durfte.

Ich war also erstaunt, als ich einen vorgefertigten Vertrag in meinem Briefkasten fand. TREECSS liegt in der Nähe Freiburgs und interessant klang die Aufgabe auch. Forschung, Projektmanagement und Feldversuche. Auslandsaufenthalte nicht ausgeschlossen. Und zudem die Möglichkeit, mein Studium parallel zur Arbeit abzuschließen.

Plötzlich höre ich Meusburger weitersprechen.

»Wir beobachten unsere Kandidaten lange, wirklich lange, bevor sie selbst überhaupt auf den Gedanken kommen, sich bei uns zu melden. Aeia, sagen Sie mir, warum haben Sie den Vertrag unterschrieben?«

»Weil ich glaube, das Richtige zu tun. Und weil ich stolz bin und mich geehrt fühle, so wie die Besten auf der Uni angesprochen zu werden«, sage ich aufrichtig.

»Ihr Notendurchschnitt ist beschissen. Weit unter dem Durchschnitt.«

»Das wussten Sie, nehme ich an, bevor Sie mir einen Vertrag zugeschickt haben«, erwidere ich trotzig.

»Richtig. Aeia, selbst wenn Sie die Schlechteste wären, dann würden wir Sie trotzdem in unserer Familie aufnehmen wollen.«

Ich atme tief durch. Er spricht von Familie. Schon wieder. Ich bin ein Adoptivkind, kann mich an das Gesicht meiner Mutter nicht erinnern. Es wird mir warm ums Herz und ich weiß nicht, ob dieses Gefühl hierher passt.

»Aeia, die Tests, die wir an Ihnen durchführen, werden nur das bestätigen, was wir schon lange vermuten. Ihre besonderen Fähigkeiten sind für uns von allerhöchstem Wert. Sie sind für uns von allerhöchstem Wert. Sie werden hier nicht nur einen guten Abschluss hinlegen, eine Arbeit finden, die Sie erfüllen wird, Sie werden auch endlich das Gefühl haben, angekommen zu sein.«

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, flüstere ich und ich habe Mühe, die Tränen, die mein Gesicht überfluten wollen, zurückzuhalten. Dieser Mann und seine Worte bewegen mein Inneres und ich habe dafür keine Erklärung und keinen Schutzschild, den ich hochfahren könnte, um meine Gefühle zu verbergen.

»Sie haben kein Zuhause. Die Menschen finden sie seltsam. Sie haben in Ihrer Kindheit viel Schlimmes erlebt.« Ich streiche eine Strähne über die Narbe in meinem Gesicht.

»Aeia, Sie sind eine nette Person, hübsch dazu. Warum glauben Sie, haben Sie nie Anschluss gefunden?«

»Meine Adoptivmutter hat mich geliebt und ich habe seit einem Jahr einen festen Freund. Wir wohnen zusammen«, sage ich zu meiner Verteidigung.

Meusburger runzelt seine Stirn.

»Aeia, die Menschen haben Angst vor dem Unbekannten. Merken Sie sich das, dann werden Sie Erklärungen finden. Aber nichts desto trotz finde ich es schön für Sie, dass Sie in einer festen Beziehung leben. Lassen Sie mich noch etwas in Ihrer Vergangenheit graben. Hatten Sie als Jugendliche oder junge Erwachsene nie den Wunsch zu erfahren, worin der Sinn des Lebens besteht? Was Ihre Lebensaufgabe ist? Wer Sie wirklich sind? Warum Sie hier auf diesem Planeten sind? Was Ihre ureigenen Talente sind? Warum Ihnen das alles widerfahren ist?«

Ich schlucke. Mein Schutzwall funktioniert. Meine Erinnerungen bleiben in ihrem Gefängnis in meinem Kopf.

»Das ist eine rhetorische Frage. Jeder wird mit einem Talent geboren, aber nur wenige entdecken es rechtzeitig in ihrem Leben, um den richtigen Beruf zu erlernen oder noch genügend Zeit zu haben, es zu vervollkommnen«, sage ich.

»Das ist sehr weise, Aeia. Sie kennen Mozart?« Das ist keine weitere Frage sondern nur die Einleitung zu seinen nächsten Ausführungen, deshalb schweige ich und lausche seinen Worten. »Mozart war ein Wunderkind. Ein Genie. Glauben Sie, er hat das erlernt, oder glauben Sie es gibt in dieser Welt mehr, als wir mit der modernen Wissenschaft beweisen können?« Ich klebe an seinen Lippen. Worauf will Meusburger hinaus?

»Aeia, Sie werden schon sehr bald Ihr wahres, in die Wiege gelegtes, Talent kennenlernen. Sie werden sich fühlen wie Mozart.«

»Aber ich weiß, worin ich talentiert bin«, rutschen die Worte aus meinem Mund heraus. »Ich bin ganz gut in Organisationspsychologie und mir erschließt sich die komplexe Welt der Wechselwirkung von Individuen und Organisation.«

»Aeia, Aeia, aber das ist doch kein Talent. Das studieren Sie und Sie sind nicht mal annähernd so gut wie der Durchschnitt. Tut mir leid, dass ich das so direkt sagen muss. Öffnen Sie sich und hängen sie nicht dem Glauben an, dass wir Sie wegen ihrer bisherigen Leistungen auf der Universität ausgesucht haben. Aeia, lassen Sie sich einfach überraschen und Sie werden sehen, wie Sie sich bei uns zu etwas Wunderbarem entpuppen werden. Sie gehören zur Familie, glauben Sie mir.«

Ich denke an den Schmetterling, draußen an den Eingangstoren, während Meusburger weiterspricht.

»Wenn wir es ergründet haben, also, wir haben schon einen sehr genauen Verdacht, aber erst nach den Tests werden wir es mit Gewissheit sagen können. Nun, wenn wir Ihr wahres, einzigartiges Talent kennen, dann werden Sie sich neben den Psychologievorträgen auch für Talentkurse einschreiben, um es vollkommen beherrschen zu lernen. Dann werden Sie von größtem Nutzen für TREECSS sein.«

Ich nicke. Dann fällt mir etwas ein.

»Herr Meusburger, Sie wollten mich auch über die Konsequenzen aufklären.« Das jagt mir echt noch mehr Angst ein als Vigor.

»Aeia, Aeia, soweit wollen Sie es doch nicht kommen lassen?«, fragt Meusburger mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Nein, nein,« (jetzt beginne ich meine Sätze auch schon mit Wiederholungen, Hilfe) »natürlich nicht, ich meine nur, es würde mich interessieren, was mit meinen Vorgängern passiert ist.« Ich muss an das erste Prinzip denken und mein Magen zieht sich auf Erbsengröße zusammen.

»Xmemorarenikation«, sagt er. »Sie werden jeglicher Erinnerungen an dieses Institut beraubt. So als wären Sie nie hier gewesen«, sagt er sehr ruhig. Wir beide schweigen für ein paar Sekunden, bis ich nicke.

»Aeia, wir haben einen übersichtlichen Tagesplan, an den Sie sich strikt zu halten haben. Na ja, zumindest an die wesentlichen Eckpunkte.«

»Ok«, sage ich eingeschüchtert.

»Morgens arbeiten Sie an meinem Projekt. Kyala wird Sie einarbeiten. Sie können gleich nachher damit beginnen.« Ich bin beruhigt, dass es nicht Vigor ist, der mich einarbeiten soll. »Nach dem Mittagessen gehen Sie zu ihren Psychologievorträgen. Sie werden diese wie Pflichtkurse wahrnehmen. Solange die Tests noch nicht abgeschlossen sind, werden Sie erst diese allgemeinen Themen behandeln. Welche genau, entnehmen Sie bitte Ihrem Wochenstundenplan. Eve wird Ihnen dabei helfen. Eve kennen Sie ja bereits, oder?«

»Ja, wir haben uns schon kennengelernt.«

»Gut, gut. Sie können sich auch in Wahlkurse einschreiben, solange diese hilfreich sind und Sie keinen Schwachsinn besuchen.«

»Was wäre zum Beispiel ein freiwilliger Kurs, den Sie mir nicht empfehlen würden?«

»Lauftraining.«

Ich schaue erschrocken auf. »Bitte?«

»Kennen Sie Topmodels?« Oh Gott, ich muss sofort an Dr. Lu denken. Er muss wohl meinen verstörten Gesichtsausdruck richtig interpretieren. »Aeia, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Die Wahlkurse wurden dafür geschaffen, um die Persönlichkeitsprofile weiterzuentwickeln. Wenn Sie meinen, Ihnen tut ein Schwachsinnskurs gut, dann belegen Sie ihn. Aber bitte denken Sie an meine Worte. Und noch eins, ehe ich es vergesse zu erwähnen. Heute Nachmittag werden Sie Palo Davidi aufsuchen. Er ist einer der drei Institutsleiter und wird sie testen.«

»Ich habe verstanden«, sage ich.

»Sie wohnen bei Ihrem Freund, haben Sie gesagt?«

»Ja, in Freiburg.«

»Falls sie jemals auf den Gedanken kommen sollten, umzuziehen, dann können Sie jederzeit hier im Institut einziehen. Sie müssten sich allerdings das Zimmer mit einem Kollegen teilen.« Plötzlich sehe ich mich in einem kleinen Zimmer, Bett an Bett mit Vigor wieder.

»Ich ziehe es vor, in Freiburg zu bleiben. Was muss ich noch wissen, Herr Meusburger?«

»Sonntag wird das traditionelle Einweihungsritual stattfinden. Ausgewählte Institutsmitglieder erhalten ihre Weihe. Nichts Religiöses. Es gehört einfach zur Tradition. Bitte ziehen Sie sich etwas Angemessenes an. Kyala wird Ihnen natürlich behilflich sein. Und erscheinen Sie pünktlich.«

»Sonntag?«

»Ja, haben Sie damit ein Problem?«

»Nun, ich habe am Sonntag Geburtstag.«

»Haben Sie ein Problem mit Ihrem 21. Geburtstag?«

»Ähm, nein. Ich dachte nur. Vielleicht wollen mein Freund und ich gemeinsam den Abend...«

»Aeia, Aeia. Sie gehören jetzt zur Familie und die Anwesenheit aller Mitglieder ist Tradition. Ich meine alle Mitglieder. Selbst die Teams, die sich derzeit im Ausland befinden, reisen zu diesem Anlass an.«

»Ich werde da sein«, sage ich, schlucke und überlege bereits, wie ich das Levi beibringen kann.

Erleichtert verlasse ich Meusburgers Büro, das eine Symbiose aus Kapelle und Bibliothek zu sein scheint.

Ich denke über den Inhalt des Gesprächs nach. Vermutlich hat mich TREECSS schon an der Uni ausspioniert oder ausgewählt. Oh Gott, wie weit reichen die Tentakel dieser Organisation? Soll ich mir darauf etwas einbilden? Oder sollte es mich beunruhigen?

Tatsache ist, dass ich aufgeregt bin und es kaum erwarten kann, zu erfahren, was für mich der Sinn des Lebens bedeutet. Und ich habe zumindest das Gefühl, jederzeit aussteigen zu können.

Aber was bin ich jetzt?

Ein neues Familienmitglied einer gefährlichen Sekte? Mein Gott, mir wird soeben bewusst, wie blauäugig ich den Vertrag unterschrieben habe. Ich korrigiere, mit meinem Blut besiegelt habe.

Allerdings, wenn Ronan Meusburger Recht hat, dann würde am Ende der Woche eine interessante Frage beantwortet sein.

Was ist mein ureigenes Talent?

Was ist meine Lebensaufgabe?

Warum ist mein Leben bisher so verlaufen?

Warum gibt es nur zwei Menschen auf diesem Planeten, die mich lieben? Ich bin eine Außenseiterin, wurde von meinem Bruder brutal gequält. Warum? Gibt es dafür einen tieferen Grund?

Das ist beängstigend. Und dann interessieren mich natürlich die Wahlkurse. Was wird da noch angeboten außer Lauftraining? Himmel, wie interessant ist das denn?

Und dann diese Xmemorialkommunikation oder wie das nochmal heißt. Ist das eine Gehirnwäsche oder Säuberung für Abtrünnige? Kein Arbeitsgericht in Deutschland würde das jemals durchgehen lassen. Und das Grundrecht auch nicht. Und überhaupt gibt es im Institut vielleicht auch noch ganz andere Gesetze und Regeln, die ich noch nicht kenne? Ich habe auf jeden Fall die Wahl auszusteigen, rede ich mir immer wieder ein. Ich habe die Wahl.

Begnadet - Buch 1-2

Подняться наверх