Читать книгу Goschamarie Bauernsterben - Stefan Mitrenga - Страница 13

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Walter und Liesl verließen die Wirtschaft, als die Sonne nur noch einen Handbreit über dem Horizont stand. Noch immer war es unerträglich heiß. Balu war ihr Tempo zu langsam und galoppierte voraus. Das Grollen des heranrollenden Traktors hörten Walter und Liesl schon von weitem und wichen vorsichtshalber ins Gras aus. Die Straße in Taldorf war für die aktuelle Generation von Traktoren bereits zu schmal. Hermann bremste ab, als er Walter und Liesl am Straßenrand sah, hob lachend die Hand zum Gruß und trat dann wieder aufs Gas. Der riesige John Deere reagierte sofort und stieß eine schwarze Rußwolke aus, während sein Motor aufheulte wie die Turbine eines Düsenflugzeugs.

„Der kennt auch keinen Feierabend“, knurrte Liesl, als sie dem Traktor nachschaute. „Hermann war doch gerade noch bei der Goschamarie … was kann denn am Samstagabend so wichtig sein, dass er jetzt noch seinen Pflug rausholt?“

Walter beobachtete, wie Hermann hinten aus dem Dorf hinausfuhr, mit seinem Traktor die kleinen Serpentinen hinaufstürmte und oben auf einen Acker einbog.

„Hermann hat da hinten einen Maisacker“, erklärte er. „Na – hätte es zumindest sein sollen. Da ist schon seit Wochen alles vertrocknet. Ich denke mal, er pflügt die Reste unter, damit er noch was einsähen kann.“

Wie zur Bestätigung hörte man Hermanns Traktor wütend aufheulen und kurz darauf erhob sich eine gigantische Staubwolke, die nur langsam von der warmen Abendluft fortgetragen wurde.

„Auf ein Bier?“, fragte Walter.

„Auf ein Bier!“, bestätigte Liesl.

Das Bier auf der Terrasse am Ende des Tages war zu ihrem kleinen Ritual geworden. Das hatte Walter in der letzten Woche besonders gefehlt. Er wunderte sich selbst, wie schnell er sich daran gewöhnt hatte nicht mehr allein zu sein. Dabei waren sie ja nur befreundet. Wäre er gerne mit Liesl zusammen? Walter hatte sich das schon tausendmal gefragt – aber nie beantwortet. Er liebte ihre Gesellschaft, die Gespräche, die gemeinsamen Mahlzeiten und auch den ein oder anderen Ausflug, aber reichte das für eine echte Beziehung? Und: wollte er das überhaupt? Wollte sie das? Da er nicht wusste, was er tun sollte, machte er einfach weiter wie bisher, und Liesl tat es ihm gleich.

Und so saßen sie nebeneinander auf der Terrasse wie ein altes Ehepaar, das sie nicht waren und unterhielten sich über den vergangenen Tag.

„Jetzt geht es Walter wieder gut“, stellte Kitty fest. „Ich glaube, die beiden wissen selber nicht wie gut sie eigentlich zueinander passen.“ Sie saßen am Rand von Walters Terrasse und Kitty kuschelte sich näher an ihren Freund. „Du wieder“, raunte Balu. „Kannst du es nicht einfach mal gut sein lassen? Bei dir muss immer eine Beziehung dahinter stecken oder wenigstens ein bisschen Sex. Kannst du dir nicht vorstellen, dass Walter und Liesl einfach so miteinander glücklich sind?“„Kannst du das?“ Die Tigerkatze legte fragend den Kopf schief. „Du wartest doch auch nur darauf, dass Chiara das erste Mal läufig wird.“ Chiara war eine junge, wunderschöne Border-Collie Hündin und wohnte nicht weit entfernt bei Georg, einem von Walters Freunden. Balu und Chiara hatten sich bei Walters großem Abschlussfest vor ein paar Wochen kennengelernt und besuchten sich seitdem regelmäßig.„Das stimmt doch gar nicht!!!“, beschwerte sich Balu lautstark und erntete für sein Knurren eine scharfe Ermahnung von Walter. „Getroffene Hunde bellen, sagt ein Menschensprichwort!“, mischte sich Eglon ein und quetschte sich zwischen den Jostabüschen hervor. „Bei den Menschen gibt es auch ein Komikerduo das heißt „Dick und Doof“ … du bist beides: dick und doof!“, wetterte Balu. Er war wütend. Doch wenn er ehrlich war, nicht wegen Eglons Kommentar, sondern weil Kitty recht hatte. Bisher war er der einzige Hund in Taldorf und der näheren Umgebung gewesen und hatte von einer Hündin nur träumen können. Wenn Chiara läufig würde, würde er nicht an sich halten können. „Gab es eigentlich in der Wirtschaft etwas Neues?“, erkundigte sich Kitty, um das Thema zu wechseln. „Wärst du mit reingekommen, wüsstest du es“, blaffte Balu unfreundlich zurück, was ihm sofort leid tat. Kitty sah ihm sekundenlang in die Augen, bis der Wolfsspitz aufgab und den Kopf wegdrehte. „Jetzt erzähl schon“, sagte sie sanft und stupste Balu sachte an die Schulter. Der Wolfsspitz stupste zurück und entspannte sich. „War ganz schön voll in der Wirtschaft“, begann er zu erzählen, „und am Nebentisch hat dieser King so eine Art Info-Abend für die Taldorfer Bauern abgehalten. Und der Orts-Vincenz war auch dabei.“„Der Orts-Vincenz?“, wunderte sich Kitty. „Dann passiert irgendwas. Ich tippe mal, wir bekommen demnächst ein neues Baugebiet im Dorf.“„Wo das denn?“, widersprach Balu, „hier darf doch niemand bauen!“„Noch nicht. Denk an meine Worte. Da steckt so viel Geld dahinter, dass es am Ende sicher so kommt.“ Kitty war sich ihrer Sache sicher, aber Balu hatte keine Lust auf eine Diskussion. Trotzdem hatte er seine Zweifel. „Irgendwer wird doch sicher was dagegen haben“, überlegte Eglon, der bisher nur still zugehört hatte. Kitty schüttelte den Kopf. „Wenn nur die Hälfte von dem wahr ist, was man über den King sagt, dann ist es keine gute Idee seine Pläne zu durchkreuzen.“ „Hoffentlich hält sich Walter von dem Kerl fern“, grummelte Balu. „Nach der Aufregung um Pfarrer Sailer hat sich alles wieder so schön beruhigt. Auf neuen Ärger kann ich echt verzichten.“ Unbewusst leckte Balu über seine mittlerweile verheilten Rippen, als ihn die alten Bilder einholten: wie er Walter im letzten Moment weggeschubst hatte und selbst über das Autodach gewirbelt worden war. „Ich glaube, da kannst du beruhigt sein“, holte Kitty ihren Freund in die Gegenwart zurück. „Der King ist wohl eher an den Bauern und ihren Hektaren interessiert als an Walters Garten.“„Ich traue dem Kerl nicht“, mischte Eglon sich ein. „Der riecht nach Ärger und ich denke, wir müssen nicht lange darauf warten!“ Sie saßen noch eine ganze Weile schweigend auf der Terrasse, während Eglons Worte in ihren Köpfen nachhallten. Wie Recht er hatte, konnte selbst Eglon nicht ahnen.

Goschamarie Bauernsterben

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