Читать книгу Goschamarie Bauernsterben - Stefan Mitrenga - Страница 6
Оглавление2
Walter saß mit seinem Bier auf einem der neuen Gartenstühle, die er erst kürzlich gekauft hatte. Balu lag zu seinen Füßen und döste, als Kitty elegant um die Ecke schlenderte. Die schlanke Tigerkatze gehörte eigentlich zur Wirtschaft im Dorf, doch sie und Balu waren beste Freunde und verbrachten viel Zeit miteinander.
„Oh, oh … Walter so früh schon mit einem Bier auf der Terrasse?“ Kitty kannte Walter gut genug, um zu wissen, dass etwas passiert war. „Ärger mit dem Auto“, klärte Balu sie auf. „Er springt nicht mehr an. Nachher kommt sein Freund Faxe und schleppt ihn ab. Ich hoffe nur, er findet den Fehler schnell und kann ihn günstig reparieren.“ Kitty verstand, was Balu meinte. Walter war durch und durch ein Schwabe und daher so sparsam wie nur möglich. Eine teure Reparatur hätte seine Laune für Tage oder sogar Wochen ruiniert. „Ola Muchachos“, grüßte Eglon, der sich zwischen den Jostabüschen hindurchzwängte. Der Kater war noch nie schlank gewesen, doch seit er bei Liesl wohnte, hatte er nochmal deutlich zugelegt. „Walter schon beim Bier?“, fragte er besorgt. „Sein Auto springt nicht an“, erklärte Balu. „Oh, oh … hoffe es, ist nichts Schlimmes“, sagte Eglon und setzte sich ordentlich neben Balu. „Wie gefällt es dir ein ganzes Haus alleine zu bewohnen?“, fragte der Wolfsspitz, der natürlich wusste, dass Liesl verreist war. „Ist eigentlich prima. Walter sorgt ja für mein Futter, und dank der Katzenklappe kann ich kommen und gehen wie ich will. Leider hat Liesl die Schlafzimmertür zugemacht. Hätte gerne in ihrem Bett geschlafen, aber das Sofa ist auch ok. Sie hat mir da extra eine flauschige Decke hingelegt, so eine, die sich nicht elektrisch auflädt.“ „Aber vermisst du deinen Menschen denn gar nicht?“, fragte Kitty ungläubig. „Ich brauche zwar nicht ständig einen Mensch um mich, aber hin und wieder lass ich mich schon gerne mal streicheln oder rolle mich auf ihnen ein. Fehlt dir das nicht?“ Eglon schaute verlegen zur Seite und leckte beiläufig an einer Vorderpfote. „Naja, ein bisschen schon. Vor allem nachts ist es komisch allein im Haus. Wenn Liesl da ist, schlafe ich immer wie ein Stein und bekomme nichts mit. Jetzt wache ich bei jedem kleinsten Geräusch auf.“ „Instinkte“, sagte Kitty, „die machen dich wachsam. Jetzt, wo du allein bist, musst du besser aufpassen. Aber hier passiert ja nichts.“ „Das möchte ich hoffen. Aber so ganz sicher bin ich mir da nicht.“„Was meinst du damit?“, hakte die Tigerkatze nach. „Seltsame Geräusche mitten in der Nacht. Oft nur ganz leise, aber sie sind da!“ Während er das sagte, war Eglons Stimme leiser geworden, bis sie fast nur noch ein Flüstern war. Balu lief es eiskalt den Rücken hinunter. „Ach, hör doch auf solche Schauergeschichten zu erzählen. Du willst uns doch eh nur auf den Arm nehmen! Die einzigen Geräusche, die du hier mitten in der Nacht hörst, sind Walter und ich, wenn wir uns mit den Zeitungen auf den Weg machen.“ Eglon schüttelte energisch den Kopf. „Quatsch. Ihr macht nachts keine Geräusche – ihr macht Lärm! Außerdem hab ich die Geräusche zu einer anderen Uhrzeit gehört. Ich weiß doch, wann Walter aufsteht. Glaubt mir: irgendwas schleicht hier nachts um die Häuser!“ „Vielleicht irgendein Wildtier“, mutmaßte Kitty. „Wildschweine haben wir genug hier in den Wäldern. Ich habe gehört, dass sie in manchen Gegenden schon bis in die Städte vordringen.“ „Das glaube ich nicht“, widersprach Balu. „Vor Jahren hatte sich tatsächlich mal ein Wildschwein in Walters Garten verirrt und das hast du deutlich gesehen. Alles war wie umgepflügt und gehört hast du das Vieh auch. Das würdest du nicht als Schleichen bezeichnen. Also war es sicher was anderes … etwas Eleganteres. Vielleicht ein Waschbär?“„Oder ein Wolf“, warf Kitty ein. „Walter hat neulich mit Liesl darüber gesprochen, dass in ganz Deutschland wieder Wölfe unterwegs sind.“ Balu stellten sich alle Nackenhaare. Auch er hatte Gerüchte gehört, dass Wölfe in der Nähe seien. Zwar war er als Hund mit dem Wolf verwandt, jedoch so weitläufig, dass der ihn als Beutetier betrachten würde. Keine sehr angenehme Vorstellung. Er schüttelte den Gedanken weg. „Hört auf so einen Blödsinn zu reden. Friss einfach etwas weniger, Eglon, dann schläfst du auch besser und bildest dir nicht so einen Mist ein!“ „Gar nichts bilde ich mir ein“, dementierte Eglon, „und das werde ich euch beweisen.“ Er stand auf und reckte arrogant seinen buschigen roten Schwanz. „Wir können ja Wetten abschließen, wen der böse Wolf als Ersten holt“, sagte er leise über die Schulter hinweg und verschwand zwischen den Jostabüschen.
„Meinst du, er hat wirklich etwas gehört?“, fragte Balu, als er wieder alleine mit Kitty auf der Terrasse saß. „Warum nicht? Irgendwas ist da doch immer unterwegs, wenn man so nah am Wald wohnt. Ich würde mir aber keine Sorgen machen.“„Du hast gut reden“, entgegnete der Wolfsspitz, „du wohnst ja vorne mitten im Dorf. Da wird natürlich nie ein Wildtier rumschleichen, aber hier ist das was ganz anderes!“„Dann lass die Tür zu“, antwortete Kitty genervt. „Du kannst manchmal schon ein Weichei sein. Es ist doch bisher nichts passiert! Und du hast Schiss, weil Eglon vielleicht etwas gehört hat? Reiß dich bitte etwas zusammen, bevor es peinlich wird.“ Kittys Ansprache zeigte Wirkung und Balu beruhigte sich. Sie saßen noch mehrere Minuten schweigend nebeneinander, bis sie auf der anderen Seite des Hauses ein Auto hörten. Die Tiere liefen nach vorne und beobachteten, wie Walter und Faxe den alten Peugeot erst auf die Straße schoben, und dann mit einer Abschleppstange mit Faxes M-Klasse verbanden. Kurz darauf rollten beide Fahrzeuge in gemächlichem Tempo vom Hof.
„Ich schaue auch mal wieder zu Hause vorbei“, sagte Kitty, während sie sich genussvoll streckte. „Kommt ihr heute Abend in die Wirtschaft?“ „Ich bin mir nicht sicher“, überlegte Balu, „aber nach der Geschichte mit seinem Auto wird Walter sich wohl ein paar Bierchen gönnen.“ Kitty rieb sich zum Abschied an seinem Hals und verschwand in Richtung Dorf. Balu ging zurück auf die Terrasse und legte sich ins weiche Gras. Egal was nachts passierte, im Moment schlich hier niemand herum.