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f) Faktisches Dienstverhältnis

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Zur Problematik der faktischen Wehrdienstverhältnisse hat das BMVg die ZDv A-1420/10 „Faktische Soldatenverhältnisse“ erlassen.

Wer aufgrund eines rechtswidrigen Heranziehungsbescheides oder einer rechtswidrigen Berufung (§ 4 Abs. 1 Nr. 1) Wehrdienst leistet, ist de facto und de iure Soldat geworden. Das Entstehen eines Wehrdienstverhältnisses setzt nur einen wirksamen, nicht zwingend rechtmäßigen staatl. Akt zu dessen Begr. voraus. Eine Heranziehung oder Berufung ist nur dann unwirksam, wenn wesentliche Erfordernisse nicht erfüllt sind.[64] Dies kann z.B. bei einem Verstoß gegen zwingende Formerfordernisse (§ 41 Abs. 1 Satz 2 und 3 mit Heilungsmöglichkeit nach Abs. 5) der Fall sein. Auch die Begr. eines Wehrdienstverhältnisses mit Minderjährigen ist ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten schwebend unwirksam.[65]

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Wird ohne wirksame Begr. des Wehrdienstverhältnisses der Wehrdienst angetreten und geleistet, sprechen Lit. und Rspr. von einem faktischen Wehrdienstverhältnis bzw. einem de-facto-Soldaten. Weitere Voraussetzung ist eine Eingliederung durch die Bw[66] (z.B. durch die Durchführung einer Eingangsuntersuchung mit positivem Befund; nicht bei unverzüglicher Inmarschsetzung wegen Dienstunfähigkeit). Wie eine Person, die sich einseitig als Soldat ausgibt („Hauptmann von Köpenick“) und sich als solcher lediglich einschleicht, ist auch der de-facto-Soldat kein Soldat[67] i.S.d. § 1. Denn bei beiden fehlt es gleichermaßen an einem Wehrdienstverhältnis. Ob und ggf. welche Rechte und Pflichten aus der „Dienstleistung“ entstehen, ist im Wesentlichen eine Frage der Billigkeit. Hier allerdings unterscheiden sich faktisch Eingegliederte und Eingeschlichene. Letztere leisten mangels Eingliederung keinen Dienst, sondern tun in strafbarer Weise (vgl. §§ 132, 132a StGB) lediglich so. Ansprüche (etwa auf Geld- und Sachleistungen) können aus dieser Straftat nicht hergeleitet werden.

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Ein faktisches Dienstverhältnis kann auch im Anschluss an ein wirksames Wehrdienstverhältnis entstehen. Dies kommt immer wieder vor, wenn das Wehrdienstverhältnis kraft Gesetzes endet und der rechtl. ausgeschiedene Soldat tatsächlich im Dienst verbleibt, statt wie geboten nach Hause in Marsch gesetzt zu werden. Dazu kann es kommen, wenn eine strafrechtl. Verurteilung, die zur Beendigung des Wehrdienstverhältnisses führt (vgl. z.B. § 48 und § 54 Abs. 2 Nr. 2), zu spät bekannt oder von der Truppe hins. ihrer Wirkung verkannt wird. Gelingt bei auslaufender Dienstzeitfestsetzung[68] eine vorgesehene Dienstzeitverlängerung eines SaZ nicht zeitgerecht, kann die Personalführung eine vorläufige Genehmigung zum Verbleib im Dienst erteilen, die dem Soldaten schnellstmöglich zu eröffnen ist.[69] Ein durch den DiszVorg. entschiedener Verbleib in Erwartung der Dienstzeitverlängerung aufgrund einer Weiterverpflichtungserklärung kann durch die Personalführung ebenfalls geheilt werden. In der Übergangsphase besteht aber rechtl. kein Wehrdienstverhältnis.

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Nachträglich kann ein faktisches Dienstverhältnis entstehen, wenn ein VG nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Entlassung[70] anordnet. Wird die Entlassung gerichtl. bestätigt und endet das Wehrdienstverhältnis zum ursprünglich durch die Entlassung bewirkten Zeitpunkt, ist die darüber hinausgehende Zeit, in der die aufschiebende Wirkung angeordnet war, einem faktischen Dienstverhältnis gleichzustellen.

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Wird das Vorliegen eines faktischen Wehrdienstverhältnisses erkannt, ist die sofortige Ausgliederung oder Heilung des Wirksamkeitsmangels geboten.[71] Entspr. AO hierzu enthalten die ZDv A-1420/10 und die ZDv A-1420/9[72]. Insbes. bei einer wirksamen Verpflichtungserklärung und der Zusage einer Einstellung wird regelmäßig ein Anspruch auf Beseitigung des Wirksamkeitsmangels bestehen.[73] Das Verhalten als de-facto-Soldat kann jedoch Zweifel an der Eignung begründen, die der Begr. eines „echten“ Wehrdienstverhältnisses entgegenstehen.

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Da ein de-facto-Soldat kein Soldat i.S.d. § 1 Abs. 1 ist, unterliegt er nicht den soldatischen Dienstpflichten, der WDO und auch nicht dem WStG.[74] Wer jedoch zugleich wegen eines in der Vergangenheit wirksam begründeten Wehrdienstverhältnisses früh. Soldat ist, unterliegt wie andere Res. nachwirkenden Dienstpflichten (§ 17 Abs. 3 und § 23 Abs. 2). Insoweit kommt eine disziplinare Maßregelung, wie sie für Res. möglich wäre, auch für ein den jew. Tatbestand erfüllendes Fehlverhalten während des faktischen Wehrdienstverhältnisses in Betracht.[75] Auch wenn der Wirksamkeitsmangel behoben wird (was nur für die Zukunft und nicht rückwirkend möglich ist), kann ein zu Unrecht erhobener Tatvorwurf aus der Zeit als de-facto-Soldat nach § 17 Abs. 2 in einem gerichtl. Disziplinarverfahren noch in einen Verstoß gegen § 17 Abs. 3 umgedeutet werden.[76]

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Dies gilt auch, wenn eine wirksame Beförderung in einen Offz- oder Uffz-Dienstgrad während des faktischen Wehrdienstverhältnisses erst die nachwirkende Dienstpflicht begründet hat. Denn eine Beförderung ist nicht allein deshalb unwirksam, weil sie gegenüber einem de-facto-Soldaten ausgesprochen wird.[77] Schließlich können auch Res. außerhalb eines Wehrdienstverhältnisses befördert werden und sich hierzu sogar durch eine andere Person für die Annahme einer Beförderungsurkunde vertreten lassen.

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Zur Wirksamkeit vorgenommener Diensthandlungen enthält das SG keine dem § 15 BBG[78] entspr. Norm. Im Umkehrschluss muss davon ausgegangen werden, dass die Diensthandlung eines faktischen Soldaten, die nur von einem Soldaten vorgenommen werden kann, ungültig ist. So kann nicht Vorg. i.S.d. § 1 Abs. 3 sein[79] und damit auch nicht befehlen, wer nicht Soldat ist. Mithin kann ein anderer Soldat gegenüber einem faktischen Soldaten auch nicht ungehorsam i.S.d. § 11 Abs. 1 sein.[80] In vielen Fällen kommt es aber nicht auf den Status des Handelnden, sondern auf die wahrgenommene/übertragene Funktion des eingegliederten de-facto-Soldaten an. Insoweit können nicht nur Realakte, sondern Verwaltungsentscheidungen mit Wirkung inner- und außerhalb der Bw sowie sogar Entscheidungen in truppendienstl. Angelegenheiten[81] wirksam durch de-facto-Soldaten getroffen werden. Ausnahmslos gilt dies, wenn die jew. Maßnahme auch durch Nichtsoldaten getroffen werden kann.

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Mangels Dienstverhältnisses besteht kein gesetzl. Anspruch auf Besoldung und andere Geld- und Sachbezüge. Mit dem Verlust der Rechtsstellung eines BS oder SaZ und nicht erst mit dem Ende der Dienstleistung endet der Anspruch auf Besoldung (§ 49 Abs. 3 und § 56 Abs. 3). Ein Res., der ohne Heranziehungsbescheid an einem Lehrgang teilnimmt, hat auch dann, wenn der Übungstruppenteil in Aussicht stellt, dass dies mit der zuständigen Behörde geklärt werde, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem USG.[82] Wenn einem de-facto-Soldaten rechtsgrundlos Besoldung nach dem BBesG gewährt wurde, richtet sich die grds. gebotene Rückforderung nach § 12 Abs. 2 BBesG i.V.m. §§ 812 BGB.[83] Dabei ist nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG eine Billigkeitsentscheidung zur Höhe der Rückforderung zu treffen und dabei insbes. zu prüfen, ob eine Täuschung vorlag und inwieweit amtl. Verschulden zur (Fortdauer der) Dienstleistung geführt hat. Regelmäßig wird es der Billigkeit entsprechen, den Wert zu belassen, den die Dienstleistung hatte. Ist das faktische Dienstverhältnis durch spätere/nachgeholte Ernennung geheilt worden, muss schon für die vorangegangene Zeit ab dem Dienstantritt ein Billigkeitsanspruch auf Besoldung unmittelbar aus dem faktischen Dienstverhältnis angenommen werden.[84] Die Höhe richtet sich nach dem Wehrdienstverhältnis, auf das die Eingliederung gerichtet war.[85]

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