Читать книгу Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht - Stefan Storr - Страница 102
2. Kompetenzüberschreitung aufgrund einer Missachtung der einfachgesetzlichen Vorgaben
Оглавление82
Voraussetzung für einen solchen Anspruch wäre, dass die Maßnahme der IHK nicht von ihrer gesetzlichen Aufgabenzuweisung gedeckt wäre. Maßgeblich ist insoweit § 1 IHKG, der eine Umschreibung des Aufgabenkreises der IHK enthält und trotz der generalklauselartigen Formulierung der Absätze 1 bis 3 – anders als bei Gemeinden – keine Allzuständigkeit normiert. Die Kampagne könnte allerdings deshalb dem Aufgabenkreis der Kammer unterfallen, da diese, gemäß Absatz 1 der Vorschrift, als eine Hauptaufgabe, die Förderung der gewerblichen Wirtschaft ihres Bezirks zugewiesen bekommt. Die Kammer und ihre Organe entscheiden dabei in eigener Verantwortung über die Maßnahmen, die sie für notwendig halten und die Mittel, die sie dafür einsetzen wollen[55]. Mit dem Aufruf will die IHK Pfalz die ihr angehörenden Betriebe fördern, sodass darin eine Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu erblicken sein könnte. Das BVerwG lässt es dabei genügen, wenn ein Sachverhalt „zumindest am Rande“ die Interessen der gewerblichen Wirtschaft berührt[56]. Andererseits zeigt sich am Beispiel der L, dass gerade nicht alle Mitglieder von der „Förderungsmaßnahme“ profitieren, sondern letztlich der gesamte Handel mit ausländischen Waren sogar nachteilig betroffen ist. Je stärker die Förderung der gewerblichen Wirtschaft in den Hintergrund tritt, desto stärker muss sie das Gesamtinteresse der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden im Blick behalten, dessen Wahrnehmung ihr in § 1 Abs. 1 IHKG ebenfalls aufgetragen ist. Dabei kann sich die Wahrnehmung des Gesamtinteresses der Bezirkswirtschaft in allen denkbaren Formen vollziehen und umfasst daher auch die Öffentlichkeitsarbeit. Dieses Gesamtinteresse ist dabei weder eine Summe oder Potenzierung der Einzelinteressen noch der kleinste gemeinsame Nenner, sondern setzt nach einer Ermittlung der Einzelinteressen deren Abwägung und den Versuch des Ausgleichs voraus[57]. Es kann also sehr wohl im Widerspruch zu den Interessen eines bestimmten kammerzugehörigen Unternehmens stehen. Voraussetzung dafür, dass von der Wahrnehmung des Gesamtinteresses gesprochen werden kann, ist allerdings, dass die verschiedenen Einzelinteressen bedacht werden und ein Ausgleich versucht wird. Durch die Kampagne „Buy Pälzisch!“ zielt die IHK auf eine Förderung der Gesamtheit der Mitglieder ab. Eine Hervorhebung bestimmter Mitgliedsgruppen soll dagegen nicht erreicht werden. Andererseits hat die Kammer zu bedenken, dass sie sich nicht nur aus solchen Unternehmen zusammensetzt, die ihre Waren vollständig in der Region produzieren. Auch die Interessen derartiger Mitglieder, die in der Region produzieren, die allerdings das Produkt letztlich nicht als solch regionales Produkt vertreiben, muss die Kammer in die Ermittlung des Gesamtinteresses einfließen lassen. Durch den Aufruf, nur noch Produkte mit „spezifischem“ Bezug zur Pfalz zu kaufen, werden derartige Mitglieder sogar ganz bewusst aus der Aktion herausgenommen, ohne dass ein sachlicher Grund erkennbar ist, warum die Kampagne nur bestimmte Mitglieder erfassen soll. Somit ist davon auszugehen, dass die Kampagne nicht vom Gesamtinteresse der zugehörigen Gewerbetreibenden umfasst ist, sodass der Aufruf nicht als von der Aufgabenzuweisung umfasst angesehen werden kann. Möglicherweise lässt die Gestaltung bereits aus diesen Gründen „das höchstmögliche Maß an Objektivität und die notwendige Sachlichkeit und Zurückhaltung“ vermissen, die das BVerwG[58] und das BVerfG gefordert haben. Zu dem zu beachtenden Rechtsrahmen gehören aber jedenfalls auch die verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben.
Hinweis:
Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die folgenden Fragen unter getrennten Überschriften geprüft. Strenggenommen handelt es sich gleichwohl um eine unions- und verfassungsrechtskonforme Auslegung der Aufgaben- und Kompetenznormen des IHKG. Allein die Übertragung der Aufgabe ermächtigt gerade nicht zu Grundrechtseingriffen, sodass umgekehrt die Aufgabennormen so ausgelegt werden müssen, dass sie Maßnahmen die – als Eingriff in Grundrechte und Grundfreiheiten – einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfen, gerade nicht erfassen. Die Prüfung von Grundfreiheiten und Grundrechten folgt der üblichen Prüfungsreihenfolge.