Читать книгу Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht - Stefan Storr - Страница 92

3. Rechtfertigung: zwingende Gründe des Allgemeininteresses

Оглавление

73

Dieser Eingriff könnte aber gerechtfertigt sein, Nachdem die Rechtfertigungsgründe des Art. 52 AEUV nicht einschlägig sind, müsste er dazu einen mit dem AEUV zu vereinbarenden Zweck verfolgen, auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beruhen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Dazu müsste die Pflichtmitgliedschaft geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Zwecks zu gewährleisten und nicht über das dafür erforderliche Maß hinauszugehen[31]. Die Pflichtmitgliedschaft soll eine unmittelbare Partizipation der Mitglieder an der berufsständischen Interessenvertretung ermöglichen; dies steht im Einklang mit dem EU-Recht, das ebenfalls möglichst bürgernahe Entscheidungsverfahren fordert[32]. Die Pflichtmitgliedschaft ist zur Verfolgung dieses Zweckes geeignet und erforderlich: Eine „basisdemokratische“ Repräsentanz des Berufsstandes ließe sich bei freiwilliger Mitgliedschaft kaum erreichen, zumindest nicht gewährleisten. Gleichzeitig zeichnet sich die Selbstverwaltung durch Sachnähe, Kompetenz und Unabhängigkeit aus und stellt im Verhältnis zur Aufgabenwahrnehmung durch unmittelbar staatliche Behörden wohl auch das mildere Mittel dar. Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch die Zwangsmitgliedschaft ist schließlich im engeren Sinne verhältnismäßig, also zumutbar. Sie bedeutet – auch bei Berücksichtigung der Beitragspflicht als Hauptlast der Kammerzugehörigkeit – keine schwerwiegende Belastung, zumal die Mitgliedschaft die Chance zur Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen eröffnet[33].

Andererseits darf nicht übersehen werden, dass es sich bei den von der Pflichtmitgliedschaft in der IHK betroffenen „Gewerben“ regelmäßig nicht um „regulierte Berufe“ im Sinne des Unionsrechts handelt, so dass ihre „Beaufsichtigung“ nicht dieselbe Relevanz besitzt wie beispielsweise bei den freien Berufen und beim Handwerk[34], so dass man sehr wohl die Auffassung vertreten könnte, dass sich jedenfalls die Zwangsmitgliedschaft in einer IHK als unverhältnismäßig darstellt. Dies könnte vor allem auch deswegen gelten, weil es gerade bei eher losen Kontakten zu einer bestimmten Region, wie sie etwa bei Betriebsstätten ausländischer Unternehmen häufig bestehen, gerade an der für das Kammerrecht prägenden „örtlichen Radizierung“ ihrer Interessen fehlt. Erst recht gilt dies, wenn (bei verschiedenen Betriebsstätten) Mehrfachmitgliedschaften bestehen. Im Ergebnis sind daher im Rahmen einer Klausur mit der entsprechenden Begründung unterschiedliche Ergebnisse gleichermaßen vertretbar.

Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht

Подняться наверх