Читать книгу Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht - Stefan Storr - Страница 89
b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des § 2 IHKG
Оглавление70
Damit das Gesetz materiell als verfassungsgemäß eingestuft werden kann, muss es insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranken-Schranke entsprechen. Hierzu ist erforderlich, dass die Kammer legitime öffentliche Aufgaben wahrnimmt und ihre Errichtung – gemessen an diesen Aufgaben – dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht[19]. Öffentliche Aufgaben sind dabei solche, „an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber weder allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinn staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch seine Behörden wahrnehmen muss“[20]. Die Aufgaben der IHK ergeben sich aus § 1 IHKG. Bei der IHK handelt es sich angesichts der in § 1 IHKG spezifierten Aufgaben weniger um „berufsständische Selbstverwaltung“ als um generelle Wirtschaftsförderung und Interessenvertretung[21]. Da es für die erforderliche Geeignetheit der Maßnahme aufgrund der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers genügt, wenn durch die Zwangsmitgliedschaft das angestrebte Ziel einer möglichst effektiven Aufgabenwahrnehmung zumindest gefördert werden kann, begegnet auch die Eignung keinen Bedenken. Die Übertragung der Aufgaben auf eine aus der Wirtschaft heraus gebildete und damit besonders „sachnahe“ Einrichtung stellt sich sogar in besonderer Weise als geeignet dar. Da sich andererseits dieses Ziel nur dann erreichen lässt, wenn die betroffenen Kreise möglichst umfassend repräsentiert werden, erscheint eine Pflichtmitgliedschaft auch als erforderlich. Die Maßnahme müsste schließlich auch angemessen sein (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn), dh die Intensität des Eingriffs darf nicht außer Verhältnis zur Wertigkeit des angestrebten Ziels stehen. Die Pflichtmitgliedschaft und die damit verbundene Beitragspflicht sind aufgrund der Koppelung an Art, Umfang und Leistungsfähigkeit des Gewerbebetriebs als relativ geringer Eingriff für die betroffenen Mitglieder zu werten. Vor allem ist auch zu berücksichtigen, dass die Pflichtmitgliedschaft nicht nur negative Folgen für den Betroffenen nach sich zieht, sondern auch die Möglichkeit zur Partizipation an staatlichen Entscheidungsprozessen eröffnet. Gerade dies ist aber bei der IHK anders, die angesichts ihrer heterogenen Mitgliederstruktur viel weniger gemeinsame Interessen vertritt als andere Kammern: Allerdings sieht § 1 Abs. 1 IHKG die besondere Aufgabe gerade im Ausgleich der Einzelinteressen. Aufgabe der IHK ist also nicht die Artikulation einer „einzigen Gesamtauffassung einer homogenen Gruppe“[22]. Außerdem besteht ihre Aufgabe in einer Beratung ihrer Mitglieder. Angesichts des weiten gesetzgeberischen Spielraums bei der Schaffung von Selbstverwaltungseinrichtungen bestehen daher keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Aufgabenzuweisung. Aus diesem Blickwinkel fördert insbesondere eine Pflichtmitgliedschaft in besonderer Weise das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, indem sie die „Voraussetzungen für eine partizipative Ermittlung des Gesamtinteresses nach § 1 Abs. 1 IHKG“ sichert[23]. Allerdings muss der Gesetzgeber auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die IHK diesen Anforderungen an den Binnenpluralismus gerecht wird; insoweit bedarf es bei der IHKG daher im Ergebnis einer Ergänzung der rudimentären gesetzlichen Regelungen[24]. Allerdings stellen diese Lücken, die sich möglicherweise auch durch Auslegung schließen lassen, die Pflichtmitgliedschaft nicht als solches in Frage.