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2. Eingriff: Maßnahme gleicher Wirkung
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§ 2 IHKG könnte in die Niederlassungsfreiheit eingreifen. Eine Diskriminierung liegt nicht vor, da die Pflichtmitgliedschaft allein an die Steuerpflicht und eine inländische Betriebsstätte anknüpft. Auch ihre Modalitäten differenzieren nicht zwischen In- und Ausländern. Allerdings könnte eine Maßnahme gleicher Wirkung vorliegen. Nach der, auch auf die Niederlassungsfreiheit übertragbaren Dassonville-Formel des EuGH fallen darunter alle Maßnahmen der Mitgliedsstaaten, „die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern“[26].
Ob auf der Grundlage dieser Formel die Pflichtmitgliedschaft in einer Kammer eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, ist allerdings umstritten. In der deutschen Literatur wird dies teilweise verneint. Die Mitgliedschaft begründe neben der Beitragspflicht keine besonderen Pflichten, die sich auf die Berufstätigkeit auswirken würden. Die Beitragspflicht als solche sei dagegen zu unspezifisch, um als Beschränkung der beruflichen Betätigung qualifiziert zu werden[27]. Hinzu komme, dass die Mitgliedschaft nicht Voraussetzung einer Niederlassung ist, sondern dieser nachfolgt, das Beschränkungsverbot im Rahmen der Niederlassungsfreiheit in Übertragung des Grundgedankens der zur Warenverkehrsfreiheit entwickelten „Keck-Rechtsprechung“ aber auf die Sicherstellung des Marktzutritts zu reduzieren sei. Maßnahmen, die die Ausübung der spezifischen Tätigkeit nach erfolgter Niederlassung betreffen, seien dagegen lediglich am Diskriminierungsverbot zu messen[28]. Schließlich belaste die Pflichtmitgliedschaft als solche die Betroffenen nicht, sondern begünstige sie vielmehr durch Zuweisung von Partizipationsrechten in der Selbstverwaltungskörperschaft. Daher liege keine Maßnahme gleicher Wirkung vor.
Diese Auffassung begegnet aber erheblichen Bedenken[29]. Zum einen können nach der weiten Dassonville-Formel neben solchen Hürden, die vor einer Niederlassung zu überwinden sind, auch zwingende belastende Rechtsfolgen die Niederlassung unattraktiv machen und damit dem Beschränkungsbegriff unterfallen. Zum anderen steht der Umstand, dass mit der Mitgliedschaft auch eine Begünstigung (in Form der Partizipationsrechte) verbunden ist, dem Charakter als Beschränkung nicht entgegen[30]. Im Ergebnis ist daher die Begründung der Pflichtmitgliedschaft als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen.