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Wissenschaftler schlagen Alarm
ОглавлениеIn der Anfangsphase der Revolution der rekombinanten DNA waren mehrere Molekularbiologen ganz hingerissen vom ungeheuren Ausmaß der neuen Kräfte, die ihnen plötzlich gegeben waren – und zutiefst beunruhigt wegen ihrer Fähigkeit, enormen Schaden anzurichten. Wie es schien, konnten selbst Forscher mit den besten Absichten in hohem Maße unbeabsichtigten Schaden anrichten, wenn mit dieser Technologie nicht sehr umsichtig umgegangen würde.
Einer der ersten Wissenschaftler, die die Gefahr wahrnahmen und sich besorgt äußerten, war Robert Pollack, der ein Labor in Cold Spring Harbor auf Long Island betrieb, das von dem Nobelpreisträger James Watson geleitet wurde, einem Mitentdecker der DNA-Struktur. Im Sommer 1971 erfuhr Pollack, dass Paul Berg, Biochemiker an der Stanford University, einen Abschnitt rekombinanter DNA herzustellen plante, der ein Gen aus einem Virus enthalten würde, das bei Mäusen und Hamstern bekanntlich maligne Tumoren hervorrief. (6). Das tumorauslösende Gen war dasjenige, das Berg verwenden wollte. Zudem plante er, den rekombinanten Abschnitt in die DNA eines anderen Virus einzusetzen, das eine Bakterienart (mit dem Namen E. coli) infiziert, die im Darm von Menschen und vielen Tieren reichlich vorkommt. Obwohl sich Berg von einem solchen Experiment wertvolles Wissen erhoffte und nicht geplant hatte, das Virus in die Bakterien einzusetzen, war Pollack besorgt, dass es unbeabsichtigt zu einem solchen Eindringen kommen könnte, wodurch sich ein üblicherweise freundlicher Bewohner unseres Darms in einen Krankheitserreger verwandeln könnte. Das wiederum würde das Risiko bergen, dass so radikal transformierte Mikroben aus dem Labor entweichen und weithin den Darm von Menschen und Tieren infizieren und viele Krebserkrankungen hervorrufen könnten. (7)
Darum rief er Berg an, legte ihm seine Bedenken dar und fragte, ob ihn solche Überlegungen auch beunruhigten. Berg verneinte; doch Pollacks Anruf stimmte ihn nachdenklich. Berg berichtete später: „Ich begann mich zu fragen, ob die geringe Möglichkeit eines Risikos bestehe. Und falls ja, will ich dann das Experiment durchführen?“ (8). Er besprach sich daraufhin mit einem anderen Wissenschaftler, der ihm sagte, es bestehe ein Gefahrenpotenzial und er werde die Verantwortung für jegliche Pannen übernehmen müssen. Berg meinte: „An diesem Punkt trat ich gleichsam einen Schritt zurück und fragte mich: ‚Möchte ich weitermachen und Experimente durchführen, die katastrophale Folgen haben könnten, ganz unabhängig davon, wie gering die Wahrscheinlichkeit ist?‘“ (9) Er entschied, dass er das nicht wollte. Damit war das Experiment verschoben.
Er entschied auch, es sei wichtig, einen Dialog unter den Wissenschaftlern anzustoßen, damit die potenziellen Probleme eingeschätzt und angemessene Sicherheitsvorkehrungen getroffen würden. Das taten auch etliche andere Biologen.
Eine dieser Diskussionen fand im Juni 1973 bei der Gordon Research Conference on Nucleic Acids statt (dt. etwa Gordon-Forschungskonferenz zu Nukleinsäuren). Auf diese Diskussion war ein Brief zurückzuführen, der in dem einflussreichen Wissenschaftsmagazin Science erschien, und zwar in der Ausgabe vom 21. September 1973. In diesem Brief wurde gewarnt, die neue Fähigkeit, genetische Sequenzen zwischen Organismen zu übertragen, gebe „Anlass zu großer Sorge“ und „bestimmte … Hybridmoleküle könnten sich für Laborforscher und die Öffentlichkeit als gefährlich erweisen.“ (10) Diese Sorge in einem so herausragenden Forum zu äußern war ein kühner Schritt; einer der Herausgeber von Science stellte sich angeblich die Frage, ob das klug war. (11) Auch viele Konferenzteilnehmer hatten Vorbehalte, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, und der Beschluss, den Brief zu veröffentlichen, wurde mit einer Mehrheit von nur sechs Stimmen gefällt (48 zu 42).(12)
Kurz darauf richtete die National Academy of Sciences einen Ausschuss zur rekombinanten DNA (rDNA) ein. Dieser gab einen Brief heraus, der weit über den Vorläufer hinausging und die Wissenschaftler mahnte, von bestimmten Formen der Gentechnologie Abstand zu nehmen, „bis das Gefährdungspotenzial solcher rekombinanten DNA-Moleküle besser eingeschätzt worden ist oder bis geeignete Methoden entwickelt worden sind, deren Verbreitung zu verhindern“. (13) Dieser Brief wurde als „Berg-Brief“ bekannt, weil der Hauptunterzeichner Paul Berg war, der die treibende Kraft bei der Gründung des Ausschusses und dem Verfassen des Briefes war. Wie der vorhergehende wurde auch dieser Brief in Science veröffentlicht und hatte noch größere Auswirkungen. Nie zuvor hatte eine Gruppe von Wissenschaftlern freiwillig ihre Forschung eingeschränkt und ihre Kollegen dazu aufgerufen, es ihr gleichzutun. Das zeugte nicht nur von einem bewundernswerten Grad sozialer Verantwortung, es enthüllte auch die erheblichen Unsicherheiten rund um die Gentechnologie – und legitimierte Bedenken dagegen.
In dem Berg-Brief wurden die National Institutes of Health (NIH) aufgefordert, Forschungsrichtlinien zu erlassen und das Experimentieren zu überwachen. Angestrebt wurde auch eine stärkere Einbindung der breiteren rDNA-Forschergemeinschaft und deshalb wurde eine internationale Konferenz vorgeschlagen, die „geeignete Methoden für den Umgang mit möglichen Biogefahren durch rekombinante DNA-Moleküle diskutieren“ sollte. (14)