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Kapitel 13: Wiedersehen

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„Hau ab und verschwinde für immer aus meinem Leben.“

„Sei doch nicht so“, versuchte Alex Marisa zu beruhigen, „du kannst doch unmöglich noch immer sauer auf Benny sein?“

„Doch, das bin ich und auf dich auch. Wie konntest du ihn auch noch mit in mein Appartement bringen?“

„Dein Appartement? Immerhin wohne ich auch hier und ich kann ja wohl einladen, wen ich will.“

„Ja, schon gut, aber du hättest es mir sagen können, dann wäre ich einfach für die Zeit ins Kino gegangen. Alles ist besser, als ihn zu sehen.“

Benny stand mitten im Wohnzimmer. Sein Blick war gesenkt und er wirkte insgesamt, als wäre er gerade schlimm verhauen worden. Beim Betreten der Wohnung hatte er nichts gesagt, war sofort mit hängenden Schultern in der Mitte des Raumes einfach stehen geblieben, während Alex sich zu Marisa aufs Sofa gesetzt hatte, die gerade dabei war, sich mit einer Fernsehsendung etwas Abwechslung zu verschaffen.

Marisa hatte vermieden, sich mit Alex auseinandersetzen zu müssen. War in den letzten Tagen besonders früh aufgestanden und erst spät am Abend zurückgekehrt, dann meist gleich in ihrem Bett verschwunden, ohne ein einziges Wort mit Alex zu wechseln.

An diesem Abend war sie dankbar, dass Alex offensichtlich nicht in dem Appartement sein wollte und sie allein bleiben konnte. Auf dem Tisch stand eine offene Schachtel Pizza, die Hälfte hatte Marisa mangels Appetit nicht mehr essen können und so verbreitete sich langsam der kalte Duft von fettigem Teig und Käse durch die Räume. In der Hand hielt Marisa tatsächlich ein Glas Rotwein.

An diesem Abend war es ihr egal. Sie hatte den Abschluss des Kaufs dieser hinreißenden Wohnung mit dem atemberaubenden Blick vorbereitet. Der Notartermin war für den folgenden Morgen vorgesehen. Danach könnte sie endlich alles in die Wege leiten, um die Rückreise anzutreten. Sie freute sich, bald wieder zu Hause bei ihrem Vater sein zu können.

Was auch immer passieren würde, am heutigen Abend würde sie nicht mehr ans Telefon gehen sondern sich stattdessen betrinken. Noch immer schmerzte es, zu wissen, dass Benny ihr Vertrauen derart mit Füßen getreten hatte. Sie war heilfroh, dass sie ihm nichts von der einen großen Liebe erzählt hatte. Dieses Geheimnis, so schwor sie sich, würde sie mit ins Grab nehmen. Abgesehen davon würde sie ohnehin nie wieder einem Menschen vertrauen und erst recht keinem Mann.

„Isst du das noch?“, fragte Alex und griff nach einem Stück Pizza.

Marisa schüttelte lediglich mit dem Kopf und stierte in den Fernseher.

„Bah, die ist ja kalt“, sagte Alex und aß dennoch das Stück Pizza auf. „Komm doch her, Benny, und setz dich zu uns.“

„Wage es ja nicht …“, sagte Marisa so leise, dass sie kaum zu hören war.

Benny sah noch immer auf seine Füße, als ob er überprüfen wollte, dass er passende Schuhe zum Anzug angezogen hatte.

„Möchtest du einen Schluck Wein?“, fragte Alex, war aufgestanden, um aus der Küchenzeile zwei Gläser zu holen und sie mit Wein zu füllen und damit die Flasche zu leeren. „Hast du noch mehr gekauft?“

„Nein, ich habe nicht mit Besuch gerechnet.“

„Danke, ich möchte nix trinken“, sagte Benny und Marisa war überrascht, dass er reden konnte und sah ihn direkt an.

Was sie sah, rührte sie. Benny sah schlecht aus. So hatte sie ihn zuvor noch nie gesehen. Sein sonst eher rosiges Gesicht war bleich und die Wangen eingefallen, als ob er länger nichts gegessen hatte, dabei war es erst ein paar Tage her, dass sie ihm begegnet war.

Sein Anzug wirkte etwas zerknittert und er insgesamt nicht mehr so souverän wie sonst. Etwas war passiert und das hatte nichts mit ihr zu tun. Das spürte sie genau. Furchtbares Leid war ihm zugefügt worden. Schlimme Schmerzen lagen auf seinem Körper und Marisa hatte das Gefühl, sie selbst spüren zu können.

Sie stellte das Weinglas vor sich auf den Tisch und rieb sich ihre Arme, weil ihr auf einmal kalt war. Kurz darauf griff sie an ihren Anhänger, um sich wieder zu beruhigen.

„Ach was, Benny, du bist doch sonst kein Kostverächter. Wisst ihr was? Ich geh noch mal eben schnell zum Laden an der Ecke und besorge uns was. Was haltet ihr davon? Dann könnt ihr euch auch mal in Ruhe unterhalten.“

Ungläubig sah Marisa Alex an. So etwas Selbstloses hatte sie bisher noch nie getan und Marisa war überrascht über den guten Einfluss, den Benny auf Alex zu haben schien. Kaum hatte Alex ausgesprochen, war sie auch schon aus der Wohnung verschwunden. Nicht ohne vorher Benny beinah zu treten und ihn damit aufzufordern, sich zu Marisa aufs Sofa zu setzen.

Als sie die Tür klappen hörten, begann Benny sich tatsächlich zu bewegen. Vorsichtig kam er Marisa immer näher, die wie gebannt in den Fernseher stierte. Selbst als sich Benny neben sie setzte und sie sich durch sein Gewicht auf dem Polstermöbel etwas bewegte, sah sie ihn nicht an.

In diesem Moment spürte sie noch mehr, dass etwas nicht stimmte. Der Mann neben ihr war nicht mehr derselbe. Er war ihr vollkommen fremd und doch kannte sie ihn so gut, dass ihr spontan danach war, ihn in ihre Arme zu nehmen. Sie konzentrierte sich auf den Fernseher, obwohl sie kein einziges Wort verstand, was dort gesprochen wurde und das lag nicht daran, dass ihr augenbllicklich die englischen Vokabeln ausgegangen wären.

„Es tut mir leid,“ sagte Benny und sie zuckte zusammen. „Ich dachte nich’, dass es ein Problem is’, wenn ich mich mit ‘ner anderen treffe. Du weißt doch, ich kann mit Frauen nix anfangen. Ich hab mir nix dabei gedacht. Bin eben ein offener Mensch und lerne leicht jemanden kennen.“

„Aber ausgerechnet Alex …“

Sie sah ihn an, in seinen Augen lagen Tränen, ebenso wie in ihren. Das alles tat ihr leid. Sie war albern gewesen. Dieses Missverständnis sollte ihre Freundschaft doch aushalten. Aber war Benny überhaupt ihr Freund?

„Wie hätte ich denn wissen sollen, wer sie is’? Ich hab sie auch im Café um die Ecke getroffen, genau wie dich neulich.“

„Und ist Alex auch eine Freundin?“

„Bist du meine Freundin?“

„Das war ich zumindest. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das noch sein möchte.“

„Aber warum? Was hab ich denn so Schlimmes getan?“

„Du hast Alex mir vorgezogen. Dich mit ihr verabredet, anstatt dich mit mir zu treffen.“

„So war das doch gar nich’.“

„Ach nein. Wann genau dachtest du denn, dass du dich mit mir treffen wolltest? Immerhin war es schon spät geworden.“

„Ich wollte nur schnell ein Glas Wein mit Alex trinken, sie hat mich eingeladen. Das tut doch niemanden weh.“

„Doch, mir.“

„Aber du solltest das ja gar nich’ mitkriegen.“

„Und das tut noch sehr viel mehr weh. Wenn du mein Freund wärst, dann wäre es kein Problem gewesen, ehrlich zu mir zu sein und mir die Wahrheit zu sagen. Glaubst du, ich hätte dafür kein Verständnis?“

„Es tut mir leid. Ich habe einfach keine Ahnung von so was.“

„Womit? Heißt das, du hattest noch nie Freunde?“

„Ne, nich’ so richtig.“

„Das kann doch gar nicht sein.“

Wieder sah Marisa ihn an und nun lief ihm eine Träne die Wange hinunter. Mühsam schluckte Marisa ihre aufkommenden Emotionen hinunter, die dabei waren ihr die Fassung zu rauben. Dieser arme Mann, dachte sie. Tiefe Zuneigung kroch in ihr hoch und jetzt war ihr noch mehr danach, ihn in die Arme zu nehmen und ihn zu trösten. Denn sie sah so viel von sich selbst in ihm.

Im Grunde war es lächerlich, so zu tun, als hätte sie mehr Erfahrungen mit Freundschaften, denn außer Alex hatte sie keine Freundin. Außerhalb ihrer Arbeit hatte sie überhaupt keine sozialen Kontakte.

„Sind alle angezogen?“, schrie Alex, als sie die Wohnung betrat.

Schnell rückten Benny und Marisa etwas voneinander ab und Benny wischte sich die Tränen mit dem Handrücken von der Wange.

„Du meine Güte, hier hat sich ja noch immer nichts an der Stimmung geändert. Was für eine Trauergesellschaft. Jetzt ist aber Schluss damit. Jetzt wird getrunken. Immerhin kauft mein Vater morgen eine richtig geile Wohnung und wir werden uns zukünftig viel öfter dort treffen können. Wenn das kein Grund zum Feiern ist?“

Alex zog aus einer braunen Papiertüte eine Flasche Sekt und ließ den Korken knallen. Marisa war aufgestanden, um aus dem Schrank frische und vor allem passende Gläser zu holen. Innerlich war sie erleichtert, dass sie mit Benny gesprochen hatte. In diesem Moment empfand sie tatsächlich so etwas wie Liebe für beide, die auf dem Sofa saßen.

Alex, die sie freudig anstrahlte und Benny, der noch immer so wirkte, wie ein Hund, dem sein Herrchen abhanden gekommen war. Das ließ ein Lächeln über ihr Gesicht huschen.

„Na endlich“, sagte Alex, „nun lacht sie wieder.“

„Gar nicht“, sagte Marisa.

„Doch, ich hab’s genau gesehen. Du nicht auch Benny?“

Benny hob vorsichtig den Kopf und ebenso vorsichtig lächelte er sie an.

„Ja, hab’s genau gesehen, ihr Mund hat leicht gezuckt, du hast recht“, sagte er.

Marisa hielt Alex die Gläser entgegen und fing an zu lachen.

„Na bitte“, sagte Alex, „geht doch.“

Alex’ Lachen war ansteckend und alle ließen dadurch erleichtert den Stress der vergangen Tage aus ihrem Körper. Jeder von ihnen hatte einen anderen Grund. Marisa, weil sie maßlos enttäuscht war von Benny und von Alex. Benny, weil er vor kurzem schlimme Schmerzen zu ertragen hatte, die diesmal so furchtbar waren, dass er meinte, es nicht zu überleben und seither nicht mehr schlafen konnte. Und Alex, weil sie tatsächlich einsam war und die Tage ihr endlos erschienen und sie niemanden hatte, mit dem sie reden konnte, weil Marisa so wütend auf sie war.

Gerade hatten sie die Gläser mit einem dumpfen Klirren aneinander geschlagen und den ersten Schluck der herrlich prickelnden Flüssigkeit getrunken, da klingelte es an der Tür.

„Erwartest du noch jemanden?“, fragte Marisa.

„Wieso sollte ich?“, sagte Alex und beide Frauen sahen Benny an.

„Warum sollte ausgerechnet ich hier jemanden treffen wollen, außer euch?“

„Stimmt eigentlich“, sagte Alex. „Aber man weiß ja nie.“

Wieder klingelte es.

„Willst du nicht aufmachen?“, fragte Alex.

„Wieso ich?“

„Weil du das Appartement gemietet hast.“

„Ach, auf einmal ist es meins?“

„Ja, wer sonst sollte vor der Tür stehen, wenn er nicht was von der Mieterin wollte?“

„Da hat sie eigentlich recht“, sagte Benny.

Erneutes Klingeln, dieses Mal etwas länger und irgendwie durchdringender.

„Wirst du jetzt gehen oder nicht? Vielleicht ist es Vater, der noch was wissen will.“

Schnell war Marisa aufgesprungen und hatte das Glas auf dem Tisch abgestellt. Mit einem bösen Blick für Alex ging sie zur Tür.

„Was … was machst du denn hier?“

„Wer ist es?“, schrie Alex, denn sie konnte nicht erkennen, wer vor der Tür stand, da der Flur vom Wohnzimmer aus eine Biegung Richtung Ausgang machte.

„Na, Schwesterherz, da bist du wohl überrascht?“, sagte Steve und war einfach an Marisa vorbei in die Wohnung getreten.

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