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1949

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»Ich bin schwanger«, sagte sie leise.

»Ach«, war alles, was er darauf erwiderte. Für ganze dreißig Sekunden. Es war Johanna, die schließlich den Mut aufbrachte, die entscheidende Frage zu stellen.

»Vielleicht sollten wir heiraten?«

»Ja«, antwortete er zögerlich. »Ja, natürlich. Wir heiraten.«

Es klang gerade so, als hätte er sich zum Kauf eines neuen Wintermantels entschlossen. Wenig enthusiastisch, aber bereit, das Notwendige zu veranlassen. Man konnte ja nicht den ganzen Winter hindurch frieren. Genauso wenig wie man seine schwangere Freundin sitzen ließ, jedenfalls nicht in seiner Welt.

»Wie weit bist du denn?«, wollte er wissen.

»Ganz am Anfang noch«, hatte sie gesagt.

»Warst du schon beim Arzt?«

»Ja.« »Und?«

»Und er sagt, ich bin schwanger.«

»Dann«, sagte Georg und nickte vor sich hin, wie um seine Entscheidung noch zu bekräftigen, »sollten wir heiraten.«

Für einen Mann, der die Dinge nicht gern dem Zufall überließ, hatte er sich erstaunlich wenig Gedanken über Empfängnisverhütung gemacht, so musste er sich im Nachhinein eingestehen. Er hatte einfach nur mit ihr zusammen sein wollen. Selbst nach allem, was im Sommer geschehen war, dem Sommer, in dem Johanna sich während eines Gastspiels des Burgtheaters in Karlsbad mit dem großen Josef Meinrad angefreundet hatte – wenn man es so nennen sollte. Bis heute war sich Georg nicht sicher, was dort in Karlsbad wirklich vorgefallen war, aber dass etwas vorgefallen war, stand außer Frage. Nicht dass die zwei das Bett miteinander geteilt hätten – so weit glaubte er den Beteuerungen Josef Meinrads, der ihm bei einem Treffen unter vier Augen versichert hatte, seine Johanna nicht angerührt zu haben. Aber irgendetwas war geschehen zwischen dem großen Star und der kleinen Johanna und dieses Irgendwas stand nun zwischen ihnen beiden, Johanna und Georg, egal wie sehr sie sich darum bemühten, wieder zueinanderzufinden, seelisch wie physisch.

Natürlich hätte ihm einfallen können, dass, wenn man mit einer Frau mindestens einmal am Tag Sex hatte und zwar über den Zeitraum von mehreren Wochen hinweg, vorwiegend in der Mittagspause, eine große Chance bestand, dass sie schwanger wurde. Und letztlich hatte er sich ja genau deshalb ein Zimmer in der Nähe seines Büros gesucht, damit er mit ihr zu Mittag dort für eine halbe Stunde im Bett und auf dem Schreibtisch und auf dem Sessel und sogar auf der schmalen Küchenzeile das tun konnte, wonach er sich sehnte und worauf er ein Anrecht zu haben glaubte, eben weil sie sich ja liebten. Manchmal war die Zeit so knapp bemessen, dass sie sich nicht einmal gegenseitig auszogen, sondern gleich zur Sache kamen, damit alles möglichst schnell vonstattenging und er rechtzeitig zurück ins Ministerium gelangte und sie rechtzeitig zu den Proben im Theater. Nicht selten brachte sie ihm sogar eine hausgemachte Jause mit, die er dann im Stehen auf genau der Küchenzeile verzehrte, auf der sie Minuten zuvor noch ganz andere Dinge getan hatten, die Donnerstage ausgenommen, weil da sein Chef stets zu einem längeren Mittagessen außer Haus war und somit Zeit blieb, auch Johanna zu befriedigen, wofür diese das Bett bevorzugte.

Somit war in Georgs Welt, die nun fest verortet war zwischen den Aktenbergen, die er täglich bearbeitete, und der Küchenzeile seiner kleinen Wohnung, auf der er Johanna bearbeitete, alles in bester Ordnung. Und dann das.

Als sie ihm von dem Gastspiel in Karlsbad erzählt hatte, hatte er ihr noch gut zugeredet, wohl wissend, dass er für eine ganze Weile auf ihrer beider Stelldichein verzichten musste.

»Das wird dir guttun, wenn du einmal rauskommst und was von der Welt siehst«, hatte er gesagt und sie hatte ihn, dankbar für seinen Zuspruch, umarmt und geküsst und dann noch sehr viel mehr getan. Es war der einzige Tag innerhalb von Monaten gewesen, an dem er zu spät zurück ins Ministerium gelangt war und sein Chef hatte dies mit einem »Hört, hört, Herr Neuendorff hat wohl etwas Wichtigeres zu tun!« kommentiert.

Am Tag vor ihrer Abreise hatte er ihr ein kleines Medaillon geschenkt, in das er »In Liebe, dein Georg – toi, toi, toi« hatte gravieren lassen. »Damit du mich nicht so schnell vergisst!« Dankbar hatte sie es sich um den Hals gehängt und ihm versichert, dass das sicher nicht der Fall sein würde und in einer Woche sei sie ja auch schon zurück. Dann war sie in den Zug gestiegen und alles kam ganz anders als erwartet, denn in der ausgelassenen Stimmung einer Gruppenreise, die nicht selten an einen Schulausflug erinnerte, kam man sich näher. Natürlich hatte sie nicht geplant, sich in den Meinrad zu verlieben, aber es war auch nicht eben einfach, sich dem Charisma der anwesenden Männer zu entziehen, wenn man doch erst neunzehn Jahre alt war und die Zukunft groß und verheißungsvoll und das Wetter warm und sonnig und man zu allem Überfluss noch Schillers Kabale und Liebe spielte.

Warum ihre Wahl auf den Meinrad gefallen war – sie wusste es hinterher kaum zu sagen. Sicher, da war die Episode, als er sie bei einem Ausflug auf seinen Armen über einen Nebenfluss der Teplá trug, aber der eigentliche Grund lag wohl tiefer. Der Mann, so groß und unnahbar, stellte keine wirkliche Gefahr für ihr Liebesleben mit Georg da. Meinrad war so großartig wie prüde und zeigte keinerlei Interesse an Johanna. Sie war also auf der sicheren Seite – glaubte sie. Dass solcherlei Dinge ihre eigene Dynamik entfalten, war ihr mit ihren neunzehn Jahren nicht bewusst gewesen, und dass man sich manchmal mehr als nur ein bisschen verliebte, kam ihr erst in den Sinn, als es zu spät war.

Zurück in Wien hieß es dann, sie habe eine Affäre gehabt. Das klang größer und aufregender, als es war, und der Meinrad bemühte sich auf ihr Betreiben hin nach Kräften, den eifersüchtigen Jungliebhaber Johannas davon zu überzeugen, dass dies doch alles gar nicht stimmte und man sich keine Sorgen machen sollte. Das Mäderl habe halt ein bisserl geschwärmt, soll nichts Schlimmeres passieren. Und Georg nickte nur stumm, auf seinem Sessel im Café Prückel, und rührte in seiner Melange herum, nicht überzeugt, aber willens zu vergeben. Der Herbst kam und dann der Winter und sie machten weiter wie bisher. Bis, ja, bis Johanna ihm eines Tages aus heiterem Himmel mitteilte, dass sie schwanger war. Das sagte sie ihm in einer seiner Mittagspausen, als sie gerade dabei waren, sich die Kleider zu richten, einfach so, ohne Vorwarnung.

»Dann sollten wir aber schnell heiraten«, dachte Georg laut vor sich hin, »wenn das Kind schon unterwegs ist.«

»Was ändert das?«, fragte Johanna.

»Es ändert die Optik«, sagte er.

Da lachte Johanna nur einmal bitter auf. Aber dann brach ihre pragmatische Seite durch. »Na, dann heiraten wir eben. Ist ja eh schon alles wurscht.«

Johanna spielt das Leben

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