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1949

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»Vielleicht sollten wir heiraten«, hatte er gesagt.

Nein, eigentlich war das nicht der Anfang der Geschichte. Es begann viel, viel früher, mit einem weinseligen Abend im Gössinger. Da hatten sie sich alle nach der offiziellen Premierenfeier eingefunden, um noch ein wenig auf den abendlichen Triumph anzustoßen, Kabale und Liebe, und sie, Johanna Jedlicka aus Favoriten, war die gefeierte Luise Miller. Im zarten Alter von knapp neunzehn Jahren war das nach Romeo und Julia bereits ihr zweiter großer Erfolg an der Burg, die nicht die Burg, sondern das Ronacher war, und vor Johanna lag eine rosige Zukunft als junge Naive. Das war in der Tat ein guter Grund, mit den Kollegen anzustoßen, und so floss der Veltliner aus großen Dopplerflaschen und die Stimmung war ausgelassen. Es wurde zugeprostet und gesungen, was das Zeug hielt, und lautstark deklamierte man die besten Stellen des Stückes, um sich daran zu erinnern, dass man gerade der Welt nichts weniger als wahre Kunst geboten hatte.

»Ihr Theatervolk«, raunzte der Wirt, setzte dabei aber ein zufriedenes Lächeln auf und schenkte munter weiter aus, »ihr könnt’s feiern! Aber seid’s net gar so laut. Ich bitt euch!«

In diesem ganzen Durcheinander aus prostenden und rauchenden Herren und wenigen Damen saß also Johanna, still lächelnd, und nippte an ihrem sauren Achterl, als sich zwei junge Männer an den Nebentisch setzten und voller Neugierde zu der Schauspieltruppe hinüberschauten.

»Na, was glotzt ihr so?«, wollte der äußerst gut gelaunte und nicht weniger betrunkene Oskar Werner von den jungen Männern wissen. Einer von ihnen, ein schlaksiger, hoch aufgeschossener Kerl in grauem Anzug und mit Hornbrille, erhob sich und sagte in getragenem Tonfall: »Wir waren grad in der Premiere vom Schiller und ich möchte bitte sagen dürfen: Es hat uns äußerst gut gefallen.«

»Na bravo!«, sagte Oskar Werner lachend und hob sein Glas zum Gruß, begleitet vom Jubel seiner Kollegen. Dann zeigte er mit dem Finger auf den anderen jungen Herrn in schwarzem Anzug, ebenfalls Hornbrille tragend, aber klein und untersetzt. »Und du? Was sagst du? Na, komm, wer war der Beste?«

»Geh, lass ihn doch, das ist ja kein Wettbewerb«, maulten die anderen, die Werner nicht den Triumph gönnen wollten, als Bester aller Schauspieler des Abends zu gelten, obwohl er das zweifellos war.

»Na, ich will eine Antwort!«, nagelte Oskar Werner den jungen Mann fest. »Los, spuck’s aus: Wer war der Beste?«

Jetzt schauten alle auf ihn und für einen kurzen Moment kehrte ungewohnte Ruhe ein. Da erhob sich der junge Herr im dunklen Anzug von seinem Stuhl, machte tatsächlich eine leichte Verbeugung und zeigte dann, ohne zu zögern, mit dem Zeigefinger auf Johanna.

»Das junge Fräulein Jedlicka war ganz superb!«, sagte er mit klarer, durchdringender Stimme, ganz so, als wäre er es gewohnt, gehört zu werden. Und tatsächlich wurde er gehört, denn im Nu brach großer Jubel aus unter den Schauspielern und man trank auf das Wohl von Johanna.

»Recht hat er!«, brüllte Oskar Werner, hob sein Glas, bereits leicht schwankend, nach oben und rief: »Auf unsere Luise! Johanna Jedlicka, sie lebe hoch!«

»HOCH!«, brüllten die anderen.

Mit einer weiteren, sehr dezenten Verbeugung, die einzig und allein der erstaunten Johanna galt, nahm der junge Mann wieder Platz und sah schüchtern zu ihr hinüber. Sie hielt dem Blick stand, erwiderte ihn, senkte nicht die Augen, versteckte sich nicht hinter ihrer Rolle, lächelte aber auch nicht und sprach ihn nicht an. Nur ihr Blick blieb an dem seinen hängen und da hing er dann den Rest des Abends und wollte sich so gar nicht mehr von ihm lösen.

Als nach und nach die anderen gingen, entweder um in ein anderes Lokal weiterzuziehen oder um dann doch beizeiten noch heimzukommen, da blieb sie sitzen und schaute und er tat dasselbe. Irgendwann verabschiedete sich auch sein Freund und es wurde immer stiller um sie herum. Schließlich fasste er den Mut, erhob sich und ging zu ihrem Tisch.

»Darf ich mich setzen, Fräulein Jedlicka?«, bat er.

»Ja, bitte«, antwortete sie artig.

»Sie waren wunderbar heute Abend«, sagte er leise.

»Danke. Ich bin immer wunderbar«, entgegnete sie und lachte plötzlich, lachte alle Selbstzweifel, die sie sonst so quälten, und alle Vorsicht weg und wurde zu einem strahlend schönen Stern.

»Außerdem sind Sie sehr hübsch«, fügte er hinzu, »wenn es erlaubt ist, das zu sagen.«

»Erlaubnis erteilt«, sagte sie. Dann fiel ihr etwas ein. »Jetzt kennen Sie zwar meinen Namen, aber ich nicht den Ihren.«

»Oh«, sagte er verlegen, »wie unhöflich von mir, mich nicht vorzustellen. Bitte verzeihen Sie! Mein Name ist Doktor Georg Neuendorff.«

Johanna spielt das Leben

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