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1961

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Er war bereits fort, als sie am nächsten Morgen wach wurde. In der Nacht hatte sie sich zu Lore ins Kinderzimmer gelegt, die Glassplitter im Salon hatte sie einfach liegen gelassen. Sollte sich doch die Haushälterin darum kümmern.

Das Kind patschte mit seinen dicklichen Händen in ihr Gesicht, bekam schließlich eine ihrer Haarsträhnen zu fassen und zog daran. Der Schmerz ließ Johanna von einer Sekunde auf die andere zu sich kommen. Schnell griff sie nach der Kinderhand, hielt sie fest, zog die Haarsträhne zwischen den Fingern hervor und drückte die kleine Hand dann länger und stärker, als es nötig gewesen wäre. Lore fing an zu weinen. Erst da ließ Johanna los.

»Komm, du Satansbraten«, sagte sie zu ihrer Tochter, »stopfen wir dich mit Brei voll und dann bring ich dich zur Tante Mitzi! Die hat mich auch schon groß gekriegt, dann wird sie es auch bei dir schaffen.«

Sie wickelte das Kind, zog sie beide an, fütterte Lore in Windeseile, packte ein paar Sachen und eine Ersatzgarnitur zusammen, zog noch Lores liebste Rassel aus einer Sofaritze hervor und machte sich erneut auf den Weg nach Favoriten.

Kaum hatte sie die Wohnung in der Quellenstraße betreten, stand auch schon ihre Mutter vor ihr.

»Ja, Johanna!«, rief sie aus. »Was machst du denn schon wieder da?«

»Das siehst du doch«, sagte Johanna, »ich bring euch meine Tochter.«

Ihre Mutter wirkte darüber nicht ganz so begeistert, wie sie gehofft hatte.

»Hannerl, ich freu mich ja, wenn wir das Kind öfter mal zu sehen bekommen, aber erstens kann ich gar nicht bleiben, weil ich heute bei den Pospischils putze, und dann war der Georg heute Früh gleich da.«

»So, war er das«, sagte Johanna, die Lore mittlerweile auf dem Boden abgesetzt hatte, wo sie sofort mit der Schnalle von Johannas Riemenschuhen zu spielen begann.

»Er hat gesagt, dass du zurück an die Burg willst und dass ich dir das ausreden soll«, sagte die Mutter. »Und ich finde, er hat recht. Ein Kind gehört zur Mutter!«

Noch bevor Johanna darauf antworten konnte, kam Tante Mitzi aus der Küche angelaufen, hockte sich sofort zur kleinen Lore auf den Boden, streichelte ihr über die ersten zarten Löckchen und kitzelte sie an der Nase. Dem Kind schien es außerordentlich gut zu gefallen. Lore gluckste vor Vergnügen.

Johanna dagegen stemmte die Hände in die Hüften. »So, ein Kind gehört also zur Mutter. Na, das ist ja mal sehr interessant. Als ob du die ganze Zeit an meiner Wiege gehockt wärst!«

»Das waren andere Zeiten, Kind!«, wehrte sich die Mutter. »Wir waren arm, ich musste arbeiten.«

»Ihr seid immer noch arm und ich muss auch arbeiten!«, rief Johanna laut. »Ich bin Schauspielerin! Ich kann was! Aber ich verkümmere daheim. Hörst du? Ich verkümmere! Und wenn wir schon einmal dabei sind, dann richte meinem Mann doch bitte aus, wenn er das nächste Mal hinter meinem Rücken intrigiert, dann sollte er vielleicht bedenken, wen er sich zu diesem Zweck ins Boot holt.«

»Wie meinst du das?«

Johanna trat einen Schritt vor, sah ihrer Mutter tief in die Augen und zischte: »Hast du Georg auch erzählt, wer euch die neue Kredenz gekauft hat? Und das neue Radio? Oder wer euch jeden Monat Geld zusteckt, damit ihr nicht irgendeinen billigen Fraß schlucken müsst, sondern etwas Anständiges auf den Tisch kommt? Von den teuren Prothesen für Vaters Bein ganz zu schweigen.«

Die Mutter öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus.

»Der Georg weiß nicht, dass ich das von unserem Haushaltsgeld abzweige. Und ich hab auch nicht vor, es ihm zu erzählen. Oder willst du es ihm etwa sagen, wo ihr doch so gute Freunde seid, du und dein Schwiegersohn?«

Johanna sah, wie sehr sie ihre Mutter damit verletzte, der jetzt die Tränen in die Augen schossen, aber sie war so entsetzlich wütend und konnte nicht mehr an sich halten.

»Immer nur putzen und waschen und bügeln für andere Leute, Mutter. Und trotzdem reicht es hinten und vorne nicht für euch zu dritt! Immer nur Arbeit und nichts wird besser. Ich bin ein Star, Mutter! Na, jedenfalls war ich einer und ich werd wieder einer sein und dann verdiene ich besser als mein Mann, der euch nie und nimmer euer Leben zu dritt finanzieren würde. Also überleg dir gut, auf wessen Seite du stehst. Und nun nimm mir das Kind ab, ich muss Text lernen gehen.«

Damit war Johanna auch schon halb auf dem Weg nach draußen, als ihre Mutter rief: »Ja, aber Kind, ich muss doch gleich fort!«

»Tante Mitzi ist doch da!«, sagte Johanna nur und blickte zu ihrer Tante, die die kleine Lore mittlerweile auf den Schoß genommen hatte und hin und her wiegte. Dann griff Mitzi nach den Patschhänden des Mädchens und klatschte mit ihnen sanft den Takt einer Melodie, die nur sie hören konnte. Lore lächelte selig.

»Wie du meinst«, sagte ihre Mutter. Darauf winkte Johanna ihrer Tochter kurz zu und trat schließlich in den Flur des Hauses hinaus, in dem sie aufgewachsen war und der wie eh und je nach Kalk und feuchten Erdäpfeln und einem Leben roch, von dem sie dachte, dass sie es schon lange hinter sich gelassen hatte.

Johanna spielt das Leben

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