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1950

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Jetzt, wo die Katze aus dem Sack war, hatten Johanna und Georg nicht mehr das Gefühl, noch etwas verstecken zu müssen. Zwei Tage, nachdem sie beschlossen hatten zu heiraten, zog sie bei ihm ein. Nicht offiziell, das hätte der Vermieter nie zugelassen, aber heimlich und mit einem Koffer voller unbrauchbarer Dinge, auf die Johanna aber nicht verzichten wollte.

»Was ist das?«, fragte Georg und zog mit spitzen Fingern eine speckige Mappe aus dem Koffer heraus.

»Oh«, rief Johanna freudig aus, »das ist mein Stück!«

»Ein Theaterstück?«, fragte Georg neugierig.

»Natürlich, was denkst du denn?« Johanna öffnete die Mappe. Daraus quoll ein ganzer Wust an vergilbten Blättern hervor, auf denen eine unsaubere Kinderhandschrift zu lesen war. »Das hab ich verfasst, als ich ungefähr acht Jahre alt war.«

»Mein Gott, hattest du eine schlamperte Handschrift! Was steht da?«

Er deutete auf den Titel.

»Da steht: Der Prinz vom Semmering«, las Johanna laut vor.

»Das klingt furchtbar«, befand er.

»Das ist es wahrscheinlich auch«, stimmte ihm Johanna zu. »Aber es war mein erster großer Erfolg.«

Georg wendete die Mappe und sah auf die Rückseite. Dort hatte Johanna das selbst gestaltete Plakat zur Aufführung ihres Prinzen vom Semmering geklebt. Diesem konnte er Ort und Zeit der Uraufführung entnehmen: 12. März 1938, in der Küche der Quellenstraße Nummer 112.

»Da hast du dir aber den denkbar schlechtesten Zeitpunkt für deine Premiere ausgesucht«, sagte er.

Johanna schaute über seine Schulter. »Wie man es nimmt. Immerhin ist mein Vater deswegen nicht zum Heldenplatz gepilgert, um seinen neuen Führer willkommen zu heißen.«

»Wirklich?«, fragte Georg ungläubig. »Dein Vater hat die Theatervorstellung seiner Tochter Hitler vorgezogen?«

»Jawoll!«, sagte Johanna mit deutschem Akzent, schlug die Fersen zusammen und hob die rechte Hand. Und mit unverkennbarer Stimme, die an einen gewissen Herrn aus Braunau am Inn erinnerte, fügte sie hinzu: »Ich kann sehrrr überzeugend sein.«

»Bist du wahnsinnig?«, beeilte sich Georg zu sagen. »Man macht keine Witze über die Nazis!«

»Ich schon«, sagte Johanna, schnappte sich ihr Manuskript, ließ sich damit auf das Sofa fallen und begann zu lesen. Und schon nahm sie um sich herum nichts mehr wahr. Also kam Georg die Aufgabe zu, Teller und Gläser, die sie auf dem Flohmarkt zusammengekauft hatten, in den Küchenschrank einzuräumen. Er wickelte sie aus alten Zeitungen und polierte sie anschließend. Dabei fiel sein Blick wie zufällig auf eine zusammengeknüllte Ausgabe der Vorkriegszeitung Die Stunde, in der einer der Teller eingepackt gewesen war und aus der ihm nun das zerknitterte Antlitz Kurt Schuschniggs entgegenglotzte. Der hätte meinetwegen auch zu Hause bleiben können, dachte Georg.

Johanna spielt das Leben

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