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4. Schuldrecht

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Die Anfänge des Schuldrechts und zugleich wohl des staatlichen Rechts sind (nicht nur in Rom) im Delikt zu suchen. Taten wie Mord und Totschlag, Körperverletzung, Diebstahl und Beleidigung berechtigten den Geschädigten – oder falls er getötet worden war seine Familie – zunächst zur undifferenzierten Selbsthilfe (Rache). Diese milderte sich im Laufe der Zeit zur Talion, d.h. der Geschädigte durfte dem Täter das antun, was dieser ihm angetan hatte, aber nicht mehr (ähnlich im Alten Testament, Ex. 21, 23-25: Auge um Auge, Zahn um Zahn).

XII tab. 8, 2:

Si membrum rupsit, ni cum eo pacit, talio esto.

(Wenn er ihm ein Glied gebrochen hat und sich nicht mit ihm [auf Buße] einigt, soll die Talion stattfinden.)

Die Rache konnte also abgelöst werden, durch Sach- oder Geldbuße, z. B. wurde ein „Sündenbock“ anstelle des Schädigers ausgeliefert. Die Bußen wurden ursprünglich durch streitbeilegendeVereinbarung (pacisci, pactum, Rn. 54, 71) festgelegt, später im Interesse des inneren Friedens vom Gemeinwesen erzwungen. Zunächst waren es feste Bußsätze, später ging man zu Schadensersatz über (lex Aquilia, Rn. 108).

Strafrecht und privates Schuldrecht kann man auf der frühen Entwicklungsstufe noch nicht unterscheiden. Sowohl die Geldstrafe (heute Strafrecht) als auch der Schadensersatz (heute Zivilrecht) haben ihre Wurzeln in den Bußen. Gemeingefährliche Übeltäter wurden allerdings, sobald sich eine entsprechende Staatsgewalt herausgebildet hatte, für sacer (den Göttern geweiht, d.h. vogelfrei) erklärt oder mit dem Tode bestraft.

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Hatte ein Hauskind, ein Sklave oder auch ein Tier einen Schaden angerichtet, so haftete der pater familias. Er konnte den Schaden ersetzen oder dem Geschädigten den Täter durch mancipatio ausliefern (noxae datio oder deditio, XII tab. 12, 2, Gaius Inst. 4, 75).

Die Verletzung von Sklaven war noch zusammen mit der von Freien geregelt, aber es gab nur die halbe Buße:

XII tab. 8, 3:

manu fustive si os fregit libero CCC, si servo CL poenam subito.

(Wenn einer mit bloßer Körperkraft oder mit einem Knüppel einem Freien einen Knochen gebrochen hat, so soll er [eine Strafe von] 300 [As] zahlen, wenn einem Sklaven, eine von 150 [As].)

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Die Haftungsbegründung aus Vertrag hat ihren Ursprung offenbar beim pacisci (Sühnevergleich, Rn. 69), d.h. das Delikt ist älter als der Vertrag. Es gab zunächst nur eine persönliche Haftung in der Weise, dass der Täter oder eine an seine Stelle tretende Geisel, etwa ein Familienangehöriger oder Klient, vom Verletzten oder seiner Familie faktisch gefesselt und bei Nichtauslösung getötet wurde. Die Möglichkeit, eine Haftung nur durch reale „Bindung“ eines Menschen zu erreichen, konnte den wirtschaftlichen Bedürfnissen bald nicht mehr genügen. Die Obligation (obligatio = Schuldverhältnis) wurde daher zu einem geistigen Vorgang, einem rechtlichen Band (iuris vinculum), das eine Verurteilung des Schuldners und Vollstreckung auf Grund einer Vereinbarung ermöglichte. Die Haftung blieb aber noch persönlich (Rn. 60). Erst später haftete der Schuldner nur mit seinem Vermögen (Rn. 60).

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Eine etwas jüngere Form zur Eingehung rechtlicher Bindung ist die Stipulation (stipulatio). Dabei handelte es sich um ein mündliches, einseitiges Schuldversprechen. Gläubiger und Schuldner mussten korrespondierende Erklärungen bei gleichzeitiger Anwesenheit abgeben. Der künftige Gläubiger (stipulator) fragte und die Antwort des Versprechenden (promissor) musste unter Benutzung des gleichen Verbs erfolgen. Ein Beispiel: Centum mihi dari promittis? Promitto. (Versprichst du, dass mir 100 geleistet werden? Ich verspreche.)

Abweichungen führten zur Unwirksamkeit des Versprechens. Auch hierbei handelt es sich daher um ein Formalgeschäft, eine Wirkform (Rn. 56). Weil die rechtliche Bindung durch die gesprochenen Worte (verba) entstand, spricht man auch von einem (einseitigen) Verbalvertrag. Die schuldrechtliche Wirkung der Stipulation wurde ursprünglich vermutlich durch eine magische oder sakrale Handlung (Opfer mit Versprechen) herbeigeführt. Der Schuldner kam dadurch unter die Gewalt der bei diesem Akt anwesenden Götter, deren Zorn er sich im Falle des Versprechensbruches aussetzte.

Wegen ihrer neutralen Form konnte die stipulatio zur Begründung von Verbindlichkeiten aus verschiedenen Anlässen dienen (Darlehen, Kaufpreis, Bürgschaft) und mit verschiedenen Inhalten (nicht nur Geld) verwendet werden. Eingeklagt wurde die Schuld dann mit der legis actio per iudicis postulationem (Rn. 56).

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