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I. Bis zum Revolutionszeitalter
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Über die historischen Ereignisse in der entwickelten Republik, als Rom sich anschickte, zur Großmacht zu werden, aber am Ende große innere Krisen zu überstehen hatte, haben wir wesentlich detailliertere Informationen als über die Frühzeit. Zunächst ein kurzer Überblick:
Zeit | allgemeines historisches Geschehen | rechtshistorisch bedeutsam |
---|---|---|
367 | leges Liciniae Sextiae | |
ab 3. Jh. | vorklassische Rechtswissenschaft | |
286/7 | lex Aquilia | |
242 | Praetor peregrinus | |
264-241 218-201 149-146 | 1. punischer Krieg 2. punischer Krieg 3. punischer Krieg | |
133-27 | Revolutionszeitalter | |
90-88 | Bundesgenossenkriege | Ausweitung des Bürgerrechts |
73-71 | Sklavenaufstände (Spartacus) | |
48-44 | Caesars Diktatur | Entstehung der Rechtsschulen |
ab 27 v. Chr. | Prinzipat des Augustus |
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Zu Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. hatte Rom als Stadt schon eine bedeutende Rolle in Mittelitalien gespielt. Danach (4./3. Jh.) beherrschte es allmählich ganz Italien. Mit dieser Ausdehnung waren wirtschaftliche und soziale Herausforderungen verbunden, die sich letztlich auch dem Recht stellten, das entsprechend angepasst werden musste.
Der Reichtum Roms ist maßgeblich auf seine Eroberungen zurückzuführen. Außerhalb Italiens wurde Sizilien 241 v. Chr. die erste Provinz. 180 v. Chr. entstand in Griechenland die Provinz Achaia. Die drei punischen Kriege gegen Karthago (beim heutigen Tunis) sicherten Roms Vorherrschaft im westlichen Mittelmeer.[1]
Die kleinbäuerliche Produktionsweise wurde von der Latifundienwirtschaft mit Sklaven (Kriegsgefangene) verdrängt. Trotzdem blieb der Kriegsdienst vornehmlich eine Last der römischen Bauern. Aber viele von ihnen wurden zu coloni (Pächtern), also zu (freien) Landarbeitern, die wenigstens zeitweise auf größeren Gütern gegen Lohn arbeiteten, oder sie gingen in die Stadt Rom, wo sie oft zur untersten Schicht der proletarii herabsanken.
Lohnende Verdienstmöglichkeiten im Großen entstanden durch die Entwicklung des Fernhandels, die Ausführung öffentlicher Aufträge sowie die Steuerpacht. Begleitet wurde diese wirtschaftliche Entwicklung vom Aufkommen des gemünzten Geldes (Rn. 68) und des Bankenwesens.
Auf kulturellem Gebiet öffneten sich die vornehmen Kreise Roms der griechischen Gedankenwelt. Beispiele sind der Scipionenkreis, der einflussreiche Stoiker Panaitios und der Historiker Polybios.
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Den obersten Stand der Römer bildeten die nobiles (ordo senatorius). Die Angehörigen absolvierten üblicherweise die Laufbahn der hohen Staatsämter (Rn. 78), wurden danach Statthalter in den Provinzen und gelangten schließlich in den Senat. Grundlage ihrer gesellschaftlich-politischen Stellung war zunächst der Reichtum ihrer Familien, der durch Kriegsbeute erhöht wurde. Durch eine lex Claudia (218 v. Chr.) wurde Senatoren der Besitz größerer Seeschiffe untersagt, d.h. sie sollten keinen Seehandel größeren Ausmaßes mehr betreiben. Auch von öffentlichen Aufträgen und der Steuerpacht waren sie ausgeschlossen. Geldgeschäfte galten ihnen als unziemlich.
Zweiter Stand war der ordo equester, der sog. Ritterstand. Angeblich gehörten diesem zunächst Bürger an, denen wegen ihrer Verdienste ein equus publicus (Pferd für den Kriegsdienst auf öffentliche Kosten) gestellt wurde. Die equites der entwickelten Republik, die Angehörigen der Ritterzenturien, waren große Geschäftsleute, welche sich den profitablen Tätigkeiten widmeten, die dem Senatorenstand versagt waren. Ein Aufstieg in die Senatsaristokratie über die Ämterlaufbahn war lange quasi unmöglich. Seit dem zweiten punischen Krieg (218-201 v. Chr.) soll es 15 solcher Aufsteiger (homines novi; homo novus = wörtlich: neuer Mensch, im übertragenen Sinne: Emporkömmling) gegeben haben, unter ihnen der Popularenführer Marius, aber auch die profilierten Konservativen Cato der Ältere und Cicero.
Den dritten Stand bildete die „neue“ plebs, die Mehrzahl der freien römischen Bürger: Bauern, Gewerbetreibende in den Städten, auch Angestellte bei Höheren, niedere Beamte sowie von Getreidespenden und öffentlichen Spielen unterhaltene proletarii in der Hauptstadt.
Sozial bedeutend blieb das Klientenwesen (Rn. 41). Die Klientel spielte nicht zuletzt bei den Wahlen zu den Magistraturen (Rn. 89, 91) eine wichtige Rolle, denn faktisch waren Klienten verpflichtet, der Wahlempfehlung ihres Patrons zu folgen.
Rechtlich gesehen die unterste römische Bevölkerungsschicht waren die (unfreien) Sklaven. Ihr tatsächlicher sozialer Status wies allerdings große Unterschiede auf. Es gab in Fesseln gehaltene Feldarbeiter, aber auch Hauspersonal, Handwerker, Gewerbetreibende sowie qualifizierte Ärzte, Künstler und Gelehrte.
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Frei, aber ohne römisches Bürgerrecht waren die Peregrine (Rn. 41). Sie stellten die Masse der Provinzbewohner und hatten immerhin ihr eigenes Bürgerrecht, es sei denn die Römer hatten ihr Gemeinwesen wegen besonders hartnäckiger Gegenwehr aufgehoben. Dann waren sie ohne jegliches Bürgerrecht (perigrini dediticii). So erging es z. B. den Karthagern nach der Eroberung Karthagos (146 v. Chr.) und den Juden nach der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.).
Die im Zuge der römischen Eroberung Italiens unterworfenen latinischen Nachbarn erhielten meistens das römische Vollbürgerrecht (Rn. 42). Später entstanden Halbbürgergemeinden und Kolonien, deren Einwohner das commercium, oft auch das connubium hatten, aber kein suffragium oder ius honorum. Andere Gemeinden behielten ihr eigenes Bürgerrecht und wurden kriegsdienstpflichtige Bundesgenossen (socii).
Nach den gracchischen Unruhen (Rn. 96) wollte der Volkstribun Livius Drusus allen Bundesgenossen das römische Bürgerrecht verschaffen. Seine Gegner ließen ihn ermorden und gingen gegen seine Anhänger mit Hochverratsverfahren vor. Dadurch kam es 91 v. Chr. zum sog. Bundesgenossenkrieg. An seinem Ende wurde fast allen italischen socii das volle Bürgerrecht verliehen (90/89 v. Chr.). Ausgenommen blieben die Samniten, Lucaner und Bruttier, die erst später unterworfen werden konnten und denen ihr eigenes ursprüngliches Bürgerrecht genommen wurde; sie wurden peregrini dediticii.