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1. Faktoren der Rechtsbildung[3]
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Unter allen diesen Umständen muss es schon erstaunen, dass sich das römische Privatrecht wenigstens seiner Idee nach als ein Reservat relativer Freiheit erhielt, wenn auch nur für wenige Personen. Die Rechtspraxis wurde jedoch zum einen weitgehend durch außerhalb des Privatrechts bestehende „metajuristische“ Vorgaben bestimmt, wie etwa das Beispiel der Testierfreiheit der Freunde des Kaisers zeigt (Rn. 146). Auch hat das Recht, anders als die Religion, nicht die Finsternis der sozialen Verhältnisse erhellt. Es war Honoratiorenrecht (Rn. 173). Nach welchem Recht weniger vornehme Römer (die faktisch die Juristen nicht oder nur selten bzw. mittelbar beschäftigt haben) in der Praxis lebten, wissen wir kaum.
Überliefert ist vor allem Privat- und Prozessrecht. Es wurde später wiederholt zum Begleiter, wenn nicht zum Instrument „fortschrittlicher“ Entwicklungen in Deutschland, so am Ende des Mittelalters, als es das überkommene germanische Recht verdrängte, oder am Anfang des 19. Jahrhunderts, als es zur Grundlage der Rechtsordnung des Bürgertums wurde, das sich aus den Bindungen des Feudalismus und des Absolutismus löste. Begünstigt wurden diese Entwicklungen durch die Abhebung des römischen Rechts von außerrechtlichen Faktoren, insbesondere von politisch-wirtschaftlichen.[4]
Nicht besonders geeignet war dieses Recht, absolute Herrschaft zu rechtfertigen oder zu unterstützen. Zwar hatte man wiederholt versucht, Herrschaftsansprüche mithilfe des römischen Rechts zu legitimieren. Die deutschen Kaiser haben, unterstützt von mittelalterlichen italienischen Juristen, auf die alten Quellen zurückgegriffen (Rn. 382). Beispielsweise der Satz princeps legibus solutus (der Herrscher ist frei von Gesetzen, d.h. er kann sich über das Recht hinwegsetzen) stammt jedoch in dieser Allgemeinheit nicht von den römischen Juristen. Er findet sich etwa in Dig. 1, 3, 31 (von dem spätklassischen Juristen Ulpian), bedeutet dort aber nur, dass der Kaiser den augusteischen Gesetzen gegen Ehe- und Kinderlosigkeit nicht unterlag.
Im Folgenden geht es nun um die Rechtsquellen, aus denen die Römer während des Prinzipats ihr Recht bezogen bzw. die sie selbst für verbindlich hielten.[5] Es ist ein erstaunliches Neben- und Übereinander verschiedener Rechtsschichten zu konstatieren.[6]