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Zwischenstück

14. Juli 1946 / Fort Lauderdale, USA

Erinnerungen Reinhard von Gehlen

Es hatte im Mai 1945 lange gedauert, grundsätzlich alles. Kurz bevor sich die Amis ganz Bayern einnahmen, gingen Wessel, ich und eine Gruppe der engsten Generalstabsoffiziere in unsere kleine »Alpenfestung«. Wir fuhren zunächst in Richtung Schliersee, etwas später endete die Fahrt am Spitzingsee. Dort wanderten wir zu einer Hütte und warteten mehrere Wochen, bis die Amerikaner zu uns hochkamen. Als Offiziere wurden wir standesgemäß in Verwahrung genommen und verließen so, wie geplant, unsere heimelige Berghütte, ließen aber die 50 Metallkästen mit unserem Spionagematerial, die »Büchse der Pandora«, weiterhin vergraben. Man brachte uns zunächst in ein örtliches Gefangenenlager, im Gespräch mit dem Brigadier General Edwin L. Sibert konnte ich zwar mein umfangreiches Wissen unter Beweis stellen, was ihn zwar beeindruckte, aber nicht zum Handeln bewog! Nichts ging vorwärts, keiner interessierte sich für meine Person und meine Anliegen. Ich war erstaunt, zwischenzeitlich absolut entmutigt und niedergeschlagen, verbrachte meinen tristen Alltag im Gefangenenlager, immer wieder wartend, ob sich neue Kontakte oder neue Gelegenheiten für eine Verlegung ergaben, immer auf der Suche nach einem amerikanischen Vorgesetzten, der wusste oder erkannte, wer ich war.

Es dauerte bis zum 22. Mai 1945, als ich es zum Counter Intelligence Corps (CIC) der U.S. Streitkräfte in Bayern nach Oberursel schaffte und dort Captain John R. Boker vorgeführt wurde. Er kam aus einer traditionsreichen Familie, war historisch und politisch gebildet und erkannte in unseren Gesprächen schnell, welche Bedeutung und welchen Nutzen meine Person hatte. Jetzt ging alles sehr schnell: Nebst meiner selbst ließ er sofort Wessel und sechs meiner engsten Vertrauten umgehend frei und strich uns von der Liste gesuchter Nazis. Wir konnten umgehend nach Hause zu unseren Familien! Nach einem erholsamen Sommer im Kreis unserer Liebsten wurden wir im Juli 1945 nach Fort Hunt im Bundesstaat Virginia zur Vernehmung geflogen, dann, am 20. September 1945, mitsamt unseren 50 Metallkisten, von der 12. US Army Group in die Naval Air Station Fort Lauderdale gebracht. Dort begannen die ersten Vorgespräche. Man quartierte uns in einem Innenstadt-Hotel in Lauderdale ein, dem weltberühmten und beeindruckenden »Venedig Amerikas«.

Im Hauptquartier erklärten wir unser System, unsere Vorgehensweise, unsere Art zu recherchieren und zu archivieren. Das Besondere war die perfekte Systematik und die Tiefenanalyse von Material, das vorzugsweise aus eigenen Quellen stammte. Eminent wichtig waren spezielle Verhörtechniken, welche die Qualität des Materials extrem zuverlässig machten. Das war ihnen komplett neu! Das Thema ließ den OSS nicht los und sie holten sogar von mir benannte Ärzte aus Deutschland, mit denen gemeinsam ein Handbuch über Verhörtaktiken entstand.

Man lauschte immer äußerst interessiert, hatte extra Dolmetscher vor Ort und es gab immer gute, üppige Verpflegung. Wir wurden von allen Seiten sehr höflich und äußerst respektvoll behandelt. Das Hotel war großartig und wir entdeckten bei unseren freien Streifzügen durch die Stadt täglich außergewöhnliche Dinge. Der Luxus, die Autos, die Straßen, in Amerika war alles gigantisch und imponierte uns enorm.

Wie in Oberursel vereinbart gaben wir alle Informationen weiter, ebenso die 50 Metallkisten mit den Mikrofilmen. Wir halfen dabei, die Inhalte der Kisten vor Ort in ein benutzbares Archiv umzuwandeln und arbeiteten einige Wochen mit den zukünftigen OSS-Mitarbeitern. In gleicher Weise lernten wir die amerikanischen Abläufe kennen und man stellte uns in der langen Zeit, die wir dort waren, einer ganzen Reihe wichtiger Leute vor. Wir arbeiteten direkt mit den Stäben von General Walter Bedell Smith, dem ranghöchsten US-Geheimdienstbeamten; General William Donovan, dem Chef des Office of Strategic Services (OSS) und Frank Wisner (OSS), welcher für die Amerikaner das europäische Verteidigungsnetzwerk »Gladio« aufbauen sollte. Schnell erkannte ich, dass unser Wissen weitreichend und schnell genutzt werden würde. Die OSS-Leute waren äußerst gespannt auf den Inhalt unseres Materials und lobten weiter fortlaufend unsere Arbeit.

Überall fragte man mich intensiv nach meiner Meinung und meinen Ansichten hinsichtlich der Bedrohung durch die Russen. Die Amerikaner waren angesichts deren militärischen Potentials äußerst verunsichert und ich konnte reichlich von meinem Erfahrungsschatz abgeben; Einerseits, um mich zu empfehlen, andererseits aber auch, weil ich froh war, endlich unter Menschen zu sein, die meine Arbeit und mein Lebenswerk anerkannten, die verstanden hatten, dass wir jetzt handeln und bereit sein mussten, wenn der Russe kam und das besser heute als morgen.

Wir wiederum hatten in den USA ebenfalls viel gelernt, man hatte uns direkt und indirekt geschult. Natürlich ließ sich das auch gar nicht vermeiden. So entstand auch ein Teil des Fremde Heere Ost in den USA, jetzt noch in Lauderdale, aber bald in Langley. Zuletzt wurden wir mit allerlei Pomp zeremoniell verabschiedet und voll bepackt. Siebzehn Monate, nachdem wir das brennende Berlin und Hitler verlassen hatten saßen wir hoch über dem Atlantik im Flugzeug, auf dem Rückweg nach Deutschland. Mit einem Bündel Geld, mit einem bunten Strauß an Befugnissen, mit geheimen Plänen zu Waffenlieferungen und Strategiepapieren für jede Eventualität,… und mit noch mehr Geld.

Als wir voller Stolz in der lauten Militärmaschine saßen, dachte ich, dass ich mich grundsätzlich freuen würde, wenn mein ehemaliger Vorgesetzter, Herr Hitler, mich jetzt sehen könnte, etwas mehr als eineinhalb Jahre nach unserem letzten Treffen im Führerbunker. Als Hoffnungsträger der Amerikaner. Die Frage war, ob die Gerüchte stimmen würden, dass er und seine Eva gar nicht tot waren und damals auch gar nicht verbrannt wurden, sondern selbst, wie räudige Hunde, heimlich bei Nacht und Nebel das Land und den Kontinent verlassen hatten. Einen Moment fragte ich mich, wie viele Sonderermittlungsgruppen es weltweit nur wegen dieses Gerüchts geben könnte. Wenn dieser Hund noch leben sollte, dann war er sicher unter einen sehr großen Felsbrocken gekrochen.

Es stand jetzt viel Arbeit an. Es galt, zunächst ein funktionierendes Hauptquartier in Oberursel aufzubauen. Neben meinen sieben Führungsmitgliedern kamen nun massenweise ehemalige Kameraden frei. Ich hatte jetzt die entsprechenden Befehle in der Hand, die es mir ermöglichten, hunderte meiner ehemaligen Begleiter aus dem Kriegsgefangenenlager der Amerikaner zu holen. Ich hatte den Blankoscheck in der Tasche, die Abteilung Fremde Heere Ost, oder wie es jetzt heißen würde „Operation Gehlen“, wiederherzustellen; Für das neue Deutschland, für die Amerikaner. 350 Namen hatte ich auf die Liste für die Amerikaner gebracht und konnte sie jetzt alle nach Hause holen!

Während das amerikanische Gegenspionagekorps (CIC) Nazis vor die Nürnberger Prozesse schleppte und sie beseitigen wollte, wählten sie zuvor heimlich meine Leute aus und ließen sie zu mir verschwinden. Ich hatte es geschafft! Das Ziel war, dass wir sobald wie möglich wieder als Freunde und Familie in Pullach und Krailling leben und arbeiten konnten.

Für das erste Jahr sahen die Amerikaner 50 Festanstellungen vor, gaben mir dafür 3,4 Millionen Dollar, und das 1945. Es bedeutete, dass meine Leute und ich im zerbombten Deutschland ein angenehmes Leben führen konnten. Wir arbeiteten dabei für die Amerikaner, nicht mit ihnen zusammen. Die Leitung der Operation Gehlen war ausschließlich deutsch, wir erhielten einzig und allein amerikanische Aufträge, solange Deutschland noch keine Regierung hatte. Finanziert wurden wir zu 100 Prozent von den Amerikanern, daher mussten wir ihnen alle Aufklärungsergebnisse überlassen. Sobald es eine neue deutsche Regierung geben würde, konnte diese über die weitere Arbeit und den Aufbau meiner Organisation entscheiden.

Aber meine neuen Befugnisse gingen weit über das Genannte hinaus. Ich würde einen veritablen Einfluss auf die Gestaltung der neuen Bundeswehr haben und den Aufbau gemeinsam mit dem Verein für Wehrkunde, übrigens selbst zu 100% von den USA finanziert, steuern. Bis zum Ende des Aufbaus galt es, umgehend eine »First Response Troup« aufzustellen, Kampftruppen, die am besten schon morgen einsatzbereit waren.

Basis war der Beschluss des National Security Council

US NSC-A 10-2:

1. Umgehend Geheimarmeen mit allen Mitteln aufbauen

2. Pro-westliche Manipulation der Bevölkerung durch Propaganda

3. Für beide Punkte so viel Geld zur Verfügung stellen, wie nötig ist, um die Ziele zu erreichen.

Die Amerikaner setzten diesen Beschluss in allen alliierten Nationen auf europäischem Boden durch. Militärisch gesehen war es die Professionalisierung des Partisanenkrieges. Man legte Waffendepots für paramilitärische Truppen an, die man im Geheimen trainierte und die für den Tag einer sowjetischen Invasion aktiv würden, nachdem der Feind mit der ersten Angriffswelle durchgerollt sein würde. Danach würden Rentner dem Besatzer plötzlich mit einem M14 Karabiner von hinten ein volles Magazin in den Rücken schießen, die Mütter aus der Nachbarschaft wichtige Straßenverbindungen sprengen und andere wiederum Hinweise per Funk absetzen. Es gab Pläne für alle Eventualitäten einer Besatzung. Bei der Abteilung Fremde Heere Ost hatten wir es »Schattenarmee« genannt. Auch eine dieser Ideen, welche die Heeresleitung des Herrn Hitler ablehnte, als es galt, Deutschland zu verteidigen. Gedacht war diese Strategie von mir zunächst für Ungarn und Polen. In den USA war ich allerdings so höflich gewesen, nicht darauf hinzuweisen, dass auch das eine meiner Ideen war.

Bei den Amerikanern bekamen diese Schattenarmeen den Namen »Gladio«. Gladio-Strukturen wurden sofort in Italien, Frankreich, Griechenland und Österreich aufgebaut. Eine grenzübergreifende Koordinierung würde es ebenfalls bald in Portugal geben. Es war die Angst, die Russen könnten morgen bereits kommen und wir hätten keine Verteidigungsmöglichkeit. Es war wohl die exponierte Lage, die Vergangenheit und die aktuelle Situation Deutschlands mit seiner Teilung, einem Terrain, auf dem sie auf keinen Fall verlieren wollten, die so viel Detailliebe und Zuwendung verursachte.

Deutschland war Teil der größten militärischen Erfolgsgeschichte der USA. Nach der Deindustrialisierung, Demokratisierung, Denazifizierung, Dezentralisierung und Demontage galt es jetzt, Deutschland als bestraften, geläuterten und zunehmend rehabilitierten »bösen Jungen« zu präsentieren, dem man den Frieden gebracht hatte und den man jetzt wieder an den gemeinsamen Tisch führte. So hatte alles seine Ordnung, seinen Sinn und dieser doch sehr aufpolierten Erfolgsstory sollte kein Kratzer zugefügt werden.

Und dies unterstrichen sie mit einer Unmenge an Zusagen für Waffen und Geld. Ich hatte bei meinem Besuch nichts gefordert, aber man hörte nicht auf, mir feste Zusagen zu machen! Man überschüttete mich mit Komplimenten für meine Arbeit und lud uns fortlaufend ein, doch zum Urlaub erneut nach Florida zu kommen, mitsamt Frauen und Familie.

Ich war begeistert, fühlte mich aufgehoben, anerkannt und meiner Bestimmung zugeführt. Ich hatte den Eindruck, alleine dafür verantwortlich zu sein, dass der Russe, dass der Kommunismus, nicht nach Deutschland kam und das er da, wo er war, verfolgt und vertrieben werden würde.

Ich konnte erneut gegen die Russen antreten, aber diesmal mit hunderten Mitarbeitern meines Geheimdienstes, mit tausenden Agenten und Informanten, mit der amerikanischen OSS und Army im Rücken, mit einer neuen deutschen Bundeswehr und meiner eigenen kleinen Schattenarmee an der Seite.

Ich hatte das Gefühl,

dass ich der wahre Beschützer Deutschlands bin.

Die Prometheus Initiative

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