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Meine Tochter wird Königin
Оглавление»Was willst du mal werden, wenn du groß bist?«, fragt Tante Helga mein inzwischen neunjähriges Töchterchen. »Königin!«, lautet die Antwort.
Auf mein entsetztes »Warum?«, erklärt mir meine Tochter mit wahrhaft majestätischer Geste: »Weil ich dann in einem netten Schloss wohne und goldene Schuhe trage und den ganzen Tag Schokolade essen kann.«
Ich starre mein Kind an. Also, von mir hat sie diese Lebenseinstellung nicht! Gegen ein nettes Schloss hätte ich allerdings nichts einzuwenden … Aber gleich eine Königin sein?
Die Tante guckt pikiert. »Wieso wirst du nicht Sekretärin?«, fragt sie, weil sie selbst mal eine war.
»Langweilig«, mosert Sanne, »dann lieber Perlentaucherin!« Der Abstieg von einer Königin zur Perlentaucherin fällt ihr offensichtlich gar nicht schwer, und ich bin erleichtert. Dann hatte sie es mit den oberflächlichen, materiellen Einstellungen wohl doch nicht so ernst gemeint. »Oder vielleicht etwas mit Pferden?«, grübelt Sanne und nimmt nachdenklich einen Schluck Kakao. Aha, vom Strand führt es sie jetzt sogar in einen Stall.
»Denk mal in Ruhe drüber nach«, sage ich sanft. »Du hast ja noch so viel Zeit!«
»Nein, nein, ich weiß es schon!«, ruft Sanne. »Ich werde Königin!«
Die Tante schüttelt den Kopf, und ich zerbreche mir meinen, wie man dem Kind klar machen kann, dass zu viel Schokolade ungesund ist und goldene Schuhe drücken.
»Was wolltest du denn werden, als du klein warst?«, fragt Sanne mich plötzlich, und ihre Augen schauen munter.
»Iiiich?« Da muss ich gar nicht lange nachdenken. »Ich wollte Kassiererin werden«, rufe ich laut und begeistert, und die Tante kann gar nicht mehr aufhören, den Kopf zu schütteln.
»Warum?«, fragt Sanne interessiert. Ein verzücktes, erinnerungsseliges Lächeln legt sich auf mein Gesicht. »Ach«, sage ich, »ich hatte als Kind so einen tollen Kaufmannsladen mit einer dicken Kasse, die hat geklingelt, wenn sie sich öffnete und war voller Geld …«
»Und wieso bist du dann nicht Kassiererin geworden, sondern schreibst langweilige Kolumnen?«, will Sanne erfahren. »Das hat sich eben so ergeben. Man kann nicht alles im Leben planen!«, antworte ich weise. Sanne schweigt betroffen. »Und außerdem sind meine Kolumnen nicht langweilig«, verteidige ich mich.
Nun grinst das Kind und tätschelt meine Hand. »Wenn ich Königin bin, kannst du mit deiner Schreibmaschine in meinem Schlossgarten sitzen und in aller Ruhe schreiben!«
Die Tante räuspert sich nervös. Bestimmt will sie auch im Schlossgarten sitzen. »Von welchem Land willst du denn die Königin werden?«, frage ich Sanne. »Von England natürlich!«, ruft sie. »Ich heirate Prinz William!«
Kurz darauf verabschiedet sich Tante Helga, sie murmelt noch etwas von »Flausen« und »soliden Berufen«, dann klappt die Tür, und sie ist fort.
»Prinz William ist viel zu alt für dich«, rufe ich.
»Das sind doch bloß 11 Jahre!«, lächelt Sanne ergeben und zieht sich in ihre Gemächer zurück. Kurz darauf erschallt Bibi Blocksbergs »Hex-Hex«-Lied durch die Wohnung. Wahrscheinlich will meine Tochter morgen eine Hexe werden, beruhige ich mich. Oder doch eine Perlentaucherin. Vielleicht sollte ich ihr einen Kaufmannsladen besorgen? Bevor ich Verkäuferin werden wollte, fand ich den Beruf des Schornsteinfegers interessant: Dem Himmel so nah, und keiner konnte schimpfen: »Mach dich nicht wieder dreckig!« Ob ich ihr das mal vorschlagen sollte?
Am nächsten Morgen beim Frühstück sagt Sanne: »Ich habe es mir überlegt!«
»Ha«, denke ich, »jetzt wird sie vernünftig.« »Ich werde Sängerin bei ›Deutschland sucht den Superstar‹«, verkündet sie strahlend wie ein Stern am Pophimmel und singt erstaunlich falsch: »Take me tonight …!« Ich stöhne. »Weißt du SanneSchatz … du wirst einfach das, was du dir von Herzen wünschst, wenn es so weit ist«, sage ich. Sanne grübelt.
»Gut!«, sagt sie. Am nächsten Tag will sie wieder Stallmeisterin werden. Und am übernächsten doch wieder Königin von England. »Denn die hat ja so viele Ställe, wie sie will, und kann den ganzen Tag Pferde striegeln und ausmisten!«, erklärt mir Sanne mit großen Augen.
Tante Helga rief neulich bei uns an. »Und?«, hat sie gefragt. »Wird Sanne immer noch die Königin von England?«
»Hahaha!«, habe ich laut gelacht. »Das sind doch nur Kindereien!«
Gestern hat Sanne einen Brief an Prinz William geschrieben, denn meine Tochter ist der Meinung, dass man manches im Leben eben doch planen sollte. Ich werde Sie über den Stand der Dinge informieren. Und wenn ich in zehn Jahren meine Geschichten im königlichen Hofgarten schreiben sollte, ist mir das auch recht!