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Nusstorte ist so lecker

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Was tut man nicht alles für sein Wohl? Oder tut man es nicht vor allem für die anderen …

Weil es sich gut anhört zu sagen: »Ich jogge jeden Morgen von 6 bis um 7 Uhr, dann dusche ich kalt und meditiere anschließend bei einer Tasse grünem Tee.« Wer zugibt, dass er einfach lieber Käsesahnetorte isst als gedünsteten Chinakohl, der wird schief angeguckt. Vom Rauchen soll hier erst gar nicht die Rede sein.

Meine Freundin Sandra schaute mich letztens ganz besonders schief an, als ich offen zugab, dass ich weder Mitglied in einem Fitness-Studio bin noch ständig irgendeine Diät mitmache.

»Ich bin einfach ein ganz normaler Mensch«, versuche ich ihr klar zu machen.

»Kein Sport?«, fragt sie ungläubig.

Ich überlege heftig. »Ich stemme jeden Tag 16 Kilo schwere Söhne durch die Gegend und schleppe Einkaufstaschen die Treppe hoch und Mülltüten die Treppe runter!«

Sie schüttelt den Kopf. »Wie ernährst du dich?«

»Indem ich esse«, antworte ich gelassen.

»Und was?«, bohrt sie unerbittlich und reißt die Kühlschranktür auf. Sie tippt an ein Glas Mayonnaise. »So was isst du doch wohl nicht?«

So langsam mag ich mich in meiner eigenen Küche nicht mehr fühlen wie ein Schwerverbrecher.

»Natürlich esse ich die Mayonnaise, oder glaubst du, ich benutze sie als Haarfestiger?«, meckere ich. »Mir schmecken Pommes eben besser mit Mayonnaise.«

»Tanja!«, ruft sie entsetzt. Habe ich etwas Obszönes gesagt?

»Du musst deinen Darm sanieren! Du musst Diät machen, kein Zucker, kein Fett, kein Alkohol, du musst …!« Sandra kriegt hektische rote Flecken am Hals. »Gleich morgen beginnst du zu fasten!«

»Ha?« Ich habe mich wohl verhört? Morgen kommt meine Schwiegermutter zu Besuch und bringt ihre berühmte Nusstorte mit.

Sandra plappert unermüdlich weiter, von Abführsalz und Einläufen ist die Rede. Damit sie endlich den Mund hält, verspreche ich ihr, gleich am morgigen Tag mit dem Heilfasten zu beginnen. Ganz unter uns: Ich habe natürlich nicht vor zu fasten, ganz zu schweigen davon, mir einen Einlauf zu machen.

Ob man es mir ansieht, wenn ich lüge? Sandra ist jedenfalls nicht überzeugt von meinen Versprechungen und hält mir einen weiteren Vortrag über die »Reinheit von Körper und Geist« und von »Geistesblitzen und Glücksgefühlen«, die über mich hereinbrechen werden.

Das hört sich schon interessanter an. Den einen oder anderen Geistesblitz könnte ich gut gebrauchen.

»Also gut«, höre ich mich sagen. »Ich fange morgen an!«

»Schwör es!«, ruft Sandra. Ich schwöre kleinlaut und mache mich auf den Weg in die Apotheke, um mir Glaubersalz und – einen Einlauf zu kaufen. Irre ich, oder grinst mich der Apotheker an? Na, der kann nur neidisch sein auf meine Glücksgefühle, die schon Schlange stehen, um in mein Leben zu treten.

Leider ist am nächsten Tag nicht das kleinste Gefühlchen anwesend. Mein Magen knurrt mich wütend an, mein Kreislauf lechzt nach Kaffee, Frühstück und Mittagessen. Ich schütte Mineralwasser und lauwarmen Tee in mich hinein und fühle mich elend. Glaubersalz und Einlauf liegen unberührt auf dem Küchentisch. Mir egal. Ich habe Hunger! Schlecht gelaunt setze ich mich auf das Sofa und warte auf ein Glücksgefühl. Stattdessen klingelt das Telefon. Es ist Sandra, die sich nach meinem Wohl erkundigt.

»Alles bestens!«, lüge ich, denn am Telefon kann man es mir ja nicht ansehen. Als ich aufgelegt habe, wird mir schwindelig. Da haben wir es! Der verhungerte Körper rebelliert. Auf dem Fußboden liegt eine fast leere Chipstüte, die die Kinder liegen gelassen haben. Da sind noch Krümel drin. Ich nehme sie zwischen die Fingerspitzen und blicke mich um. Keiner wird es je erfahren …

Ich mache den Mund auf und lasse mir die salzigen Krümel auf der Zunge zergehen. Was für ein Genuss, was für ein Hochgefühl. Endlich ein erstes Glücksgefühl! Gleich darauf ein Geistesblitz: Ich mag nicht fasten! Soll doch fasten, wer will. Ohne mich!

Doch was ist mit dem Schwur?

Während ich mir ein Wurstbrot einverleibe, arbeitet auch mein Gehirn wieder mit ganzer Kraft und lässt mich wissen, dass ich meinen Schwur ja gar nicht gebrochen habe, denn ich habe ja heute angefangen zu fasten. Dass ich heute auch wieder damit aufhören würde, ist ein ganz anderes Thema.

Sofort überwältigt mich ein außerordentliches Gefühl der Erleichterung. Als ich mir am Nachmittag mit der Schwiegermutter und den Kindern die Nusstorte schmecken lasse, kommt auch Sandra vorbei.

»Du hast noch Kuchen am Mund!«, sagt sie vorwurfsvoll. Dann kichert sie plötzlich: »Ich habe es auch nicht geschafft«, gibt sie zu, und nach einem großen Stück Nusstorte nehmen wir uns vor, in der nächsten Woche gemeinsam nach Plan zu fasten.

Aber schwören werde ich Ihnen bestimmt nichts!

Tanjas Welt Band 3

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