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Was soll ich bloß anziehen?

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Wenn ich mich für einen netten Ausgeh-Abend vorbereite und in Unterwäsche vorm Kleiderschrank stehe, habe ich meistens nicht das berühmte Problem des »Ich habe nichts anzuziehen« …

Was mich jedes Mal wieder ungemein mitnimmt, ist die Frage: »Was ziehe ich überhaupt an?« Denn nichts ist so daneben, wie auf einer legeren Party im schwarzen Abendkleid dazustehen oder auf einer piekfeinen Gesellschaft in Jeans und T-Shirt. Beides ist mir passiert …

»Was soll ich anziehen?«, fragte ich also neulich meine Freundin Jana, die uns zu ihrer Wohnungseinweihung eingeladen hatte.

»Ach, nichts Besonderes«, antwortete sie. Okay. Also vielleicht dieses hellblaue Twinset und dazu eine graue Hose? Ich war sehr zufrieden mit meiner Wahl. Ich hängte mir noch eine zweireihige Perlenkette um und kam mir eine halbe Stunde später, als ich in Janas neuem Wohnzimmer stand, wie meine eigene Großmutter vor.

Um mich herum tummelten sich schräg gekleidete Gestalten. Das Konservativste, was ich an diesem Abend ausmachen konnte, war ein Minirock mit Bauchfrei-T-Shirt. Unauffällig ließ ich die Perlenkette in die Handtasche gleiten, aber das änderte nicht wesentlich viel an meinem Oma-Look. Also sahen Robert und ich zu, dass wir bald wieder nach Hause kamen.

»Das passiert mir nicht wieder!«, schwor ich mir. Und als ich bei der nächsten Einladung auf meine Frage, was ich anziehen soll, zu hören bekam: »Ach, nichts Besonderes!«, da knotete ich mir eine fransige Bluse über dem Bauch zusammen und zwängte mich in meine hautengste Printhose. Nun, Sie ahnen es bereits: Edel gekleidete Damen mit mehrreihigen Perlenketten am Hals übten sich in gedämpfter Konversation und warfen mir schräge Blicke zu. Ich entdeckte das ein oder andere hellblaue und mintgrüne Twinset, klassisch geschnittene Hosen und gerade Röcke. Ich hatte zwar noch die zweireihige Perlenkette vom letzten Mal in der Handtasche, aber die würde mich nicht retten. Nervös zog ich die Fransen über meinem nackten Bauch in die Länge und verließ wenig später unter Vortäuschung heftigster Kopfschmerzen die Feierlichkeit.

Als meine Freundin mich in einen todschicken Club mitschleppte und vorher sagte: »Brezel dich ein bisschen auf!« – da war ich umgeben von Leuten, die betont lässig gekleidet waren und mich musterten wie einen schillernden Paradiesvogel.

Selbst neulich, auf Tante Ruths Kaffeenachmittag, habe ich es geschafft, falsch gekleidet zu sein. Ich trug ein Jeanskleid mit Seidentuch und fand mich klassisch zeitlos, mit einem Hauch sportlich-unkompliziert. »Hättest dich ja mal ein bisschen netter zurecht machen können!«, rügte die Tante mit gespitzten Lippen, und ich dachte bedauernd an mein hellblaues Twinset, das sich zu Hause im Kleiderschrank langweilte.

Vor kurzem waren Robert und ich auf eine Achtziger-JahreParty eingeladen. »Verkleidet euch«, warnte uns der Gastgeber.

»Achtziger«, murrte Robert, der sich nicht gern verkleidet, »das war doch gerade erst!«

»Das ist zwanzig Jahre her«, erinnerte ich ihn und bekam selbst einen Schreck, als ich darüber nachdachte. Das war meine Jugend! Inzwischen so lange her, dass man lustige Shows darüber im Fernsehen bestaunen kann, so kurios und ewig weit weg ist das alles.

Also her mit Schulterpolstern, Stulpen und mit »St-St-Stu-dio-Line« fest betonierter Föhnwelle. So richtig schön blöd sahen wir am Ende aus, so blöd wie vor zwanzig Jahren – nur älter, aber auch schlauer. Ganz so schlau dann leider doch wieder nicht! Denn wenig später stellten wir fest, dass wir die Einzigen waren, die sich verkleidet hatten. Die anderen Gäste trugen hübsche Mode aus der aktuellen Frühjahrskollektion 2003. Robert und ich gingen bald nach Hause, legten »Modern Talking« auf und feierten unsere eigene »Achtziger-Jahre-Party«.

Aber was lernt man daraus? Dass man immer ein mittelgroßes Köfferchen mit Ersatzkleidung mit sich führen sollte?

Meine Tochter Sanne wollte letztens für einen Kindergeburtstag ihr glitzerndes Prinzessinnenkleid anziehen, das eigentlich ein abgelegtes, abgeschnittenes Abendkleid von mir ist. Ich riet ihr dringend ab. »Alle Kinder werden ganz normal angezogen sein«, sagte ich eindringlich.

»Na und?«, gab sie schulterzuckend zurück und rauschte wenig später im ausrangierten, leicht zerbeulten Abendkleid ihrer Mutter auf die Feier.

Ich sollte Recht behalten: Alle anderen Kinder trugen Latzhosen und Jeans.

»Ich habe Wechselkleidung im Auto«, flüsterte ich Sanne ins Ohr. Aber sie sah mich erstaunt an. »Wieso?«, antwortete sie. »Ich bin doch hier die Allerschönste!«

Und dann entschwebte sie selbstbewusst und amüsierte sich köstlich. Vielleicht sollte man lieber etwas daraus lernen? Vielleicht war ich im Club mit meinem Paillettenkleidchen ja auch die Allerschönste und darum haben mich alle so angeguckt?

Laut Sanne muss es so gewesen sein …

Tanjas Welt Band 3

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