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Ausflug mit Plastikautos

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Bei uns wird nicht mehr gelaufen, sondern gefahren. Meine Söhne sind an roten Plastikautos festgewachsen und müssen für besondere Anlässe, wie Toiletten-Gänge und Kindergartenbesuche, losoperiert werden.

Man könnte meinen, ich wolle ihnen bei vollem Bewusstsein ein Bein oder ein anderes wertvolles Gliedmaß absägen, so laut ist ihr Geschrei. Als mich die Sonne letzte Woche verführte, mit den Kindern einen kleinen Spaziergang durch den Park zu unternehmen, hatte ich nicht die Kraft, mit meinen Söhnen zu ringen und schlug ihnen vor, ihre Vehikel mitzunehmen.

Misstrauisch beäugten sie mich von unten, hauten dann zustimmend auf ihre Hupen, und los ging der Spaß! Begeistert rollerten sie aus dem Haus, und nach wenigen Metern auf hartem Straßenpflaster waren zwei Paar nicht ganz billige Kleine-Jungs-Schuhe an der Spitze völlig abgewetzt. »Jetzt ist es auch zu spät!«, sagte ich mir und rannte hinter den beiden her, die ein beeindruckendes Tempo an den Tag legten. Das bemerkte auch der finster dreinblickende Schäferhund, dem Samuel hemmungslos in die Hacken fuhr und »aus dem Weg, du Hund!« brüllte.

Während ich mich noch mit dem Herrchen des knurrenden Vierbeiners auseinander setzte, sah ich Max im Rückwärtsgang auf die Hauptverkehrsstraße zufahren und raste hinterher. Im letzten Moment erwischte ich ihn am Hosenträger, und anstatt dass er mir dankbar war, moserte er auch noch herum. Genervt klemmte ich mir das Bobby-Car unter den einen Arm und das tobende Mäxchen unter den anderen und machte mich auf die Suche nach Samuel, von dem inzwischen jede Spur fehlte. Der Mann mit dem Schäferhund machte eine vage Handbewegung die Straße hinunter, und ich rannte schweißüberströmt los. Nicht besonders schnell, denn das Auto war schwer, und Max zappelte wie ein Fisch. Leider war er nicht so stumm dabei.

»Samuel!«, brüllte ich verzweifelt, und in weiter Ferne glaubte ich einen kleiner werdenden, roten Punkt auszumachen.

»Suchen Sie einen blonden Jungen auf einem roten Bobby-Car?«, fragte mich eine Frau.

»Ja!«, schrie ich hoffnungsvoll gegen Mäxchens Gekreisch an.

»Der ist da hinten gegen einen parkenden Mercedes gefahren!«, antwortete sie, und ich rannte weiter. Tatsächlich erreichte ich kurz darauf einen blitzenden Mercedes, auf dem ein stattlicher Kratzer prangte. Daneben hockte Samuel auf seinem Bobby-Car und blickte stolz zu mir auf: »Hab’ ich gemacht!«, strahlte er, und auch Max verstummte beeindruckt unter meinem Arm, um das Werk seines großen Bruders eingehend zu bewundern.

»Ein echter Unfall!« Samuel strich zärtlich über den Kratzer.

»Was ist hier los?«, fragte plötzlich ein elegant gekleideter Geschäftsmann mit Aktentasche an der Hand und Mobiltelefon am Ohr.

Ich räusperte mich nervös und ließ Max und das Bobby-Car zu Boden sinken, wo beides sofort wieder eine Einheit bildete und eifrig davon paddelte.

»Es tut mir Leid!«, wisperte ich »diese Schramme auf ihrem Auto hat mein Sohn gemacht!«

Der Mann schaute mich düster an. »Das wird teuer!«, meckerte er. »Ich werde die Tür ersetzen lassen müssen! Jetzt rufe ich erst mal die Polizei!«

Samuel erstarrte und drückte vor lauter Ehrfurcht auf seine Plastikhupe.

Da drehte sich der nadelgestreifte, elegante Herr um, und als er Samuel auf seinem Bobby-Car sitzen sah, ging er neben ihm in die Knie.

»Ach!«, sagte er von unten und berührte sanft das weiße Plastiklenkrad des Spielzeugautos. »Gibt es so etwas noch?«

»Klar!«, erwiderte Sam stolz und hüpfte voller Besitzerstolz mitsamt Bobby-Car auf und ab.

»So eins hatte ich auch mal«, flüsterte der Geschäftsmann.

»Polizei!«, erinnerte Sam ihn freundlich, denn das wollte er sich nicht entgehen lassen.

»Wenn ich mal hupen darf, dann brauchen wir keine Polizei!«, antwortete der eben noch so erwachsen wirkende Mann.

»Nein!«, kreischte Sam sauer. Er wollte endlich ein Polizeiauto sehen und ins Gefängnis kommen.

»Doch!«, kreischte ich, denn ich hatte keine Lust, eine neue Mercedestür bezahlen zu müssen.

Der Mann erhob sich, strich sich sein Sakko glatt und zwinkerte Sam zu. »Alles halb so schlimm!«, sagte er, »wir Männer müssen doch zusammenhalten!« Dann fuhr er lächelnd mit seinem Mercedes davon und hupte zum Abschied. »Gemeinheit!«, kreischte Sam vor Wut heulend.

Und dann machte ich mich mit flatterndem Puls auf die Suche nach Max, der spurlos verschwunden war, behielt dabei Sam im Auge, der gerade einer Omi über die Füße fuhr und Ausschau nach dem nächsten, neu glänzenden Mercedes hielt.

Obwohl sich ein Bobby-Car offensichtlich positiv auf den zukünftigen Charakter auswirkt, werde ich so eine Spazierfahrt nicht sehr bald wieder unternehmen.

Tanjas Welt Band 2

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