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Mögen Sie auch Glühwein?

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Glühwein ist ein Getränk der großen Gnade. Es wärmt unterkühlte Gliedmaßen wieder auf, macht einen warmen Bauch – und ganz fröhlich im Kopf.

Umso kälter einem ist, umso fröhlicher macht es im Kopf! So ist es mir jedenfalls am letzten Sonntag ergangen.

Mit meiner Freundin Marie schlenderte ich bei MinusGraden über den Flohmarkt auf der Straße des 17. Juni. Es schneite leicht, doch dank Pudelmütze und dicken Socken konnte mir die Kälte noch nichts anhaben. Wir bewunderten antike Kommödchen und gewaltige Öl-Schinken. Da entdeckte Marie plötzlich ein Nachttischlämpchen, das ihr sehr gut gefiel, doch der Preis war hoch, das Feilschen begann, und während Marie dem Verkäufer in den Ohren lag, bemerkte ich, dass meine Füße doch ziemlich kalt geworden waren. Auch meine Finger hatten eine bläuliche Verfärbung angenommen und ließen sich nicht mehr strecken. Unruhig stampfte ich auf der Stelle herum und blies weiße Dampfwolken aus der roten Nase. »Marie!«, quengelte ich, »mir ist so kalt!«

»Mir auch«, antwortete sie abwesend und drehte konzentriert das Lämpchen in ihrer Hand.

Um nicht zum Eiszapfen zu erfrieren, wanderte ich ein paar Stände weiter. Obwohl der schneidende Winterwind in den Augen stach, erspähte ich in einem Haufen Plunder eine wundervolle Schale, und als ich sie mit klammen Händen umdrehte, lachte mich ein dicker Silberstempel an. »Ist nur Blech!«, sagte die Verkäuferin, »für fünf Euro ist es Ihre!«

Von wegen! Und obwohl die Erfrierungsschmerzen langsam in eine erschreckende Gefühllosigkeit der äußeren Gliedmaße übergingen, freute ich mich wie eine Schneekönigin, bezahlte und humpelte dann auf tauben Füßen zurück zu Marie, die sich endlich mit dem Verkäufer geeinigt hatte. »Darauf stoßen wir an!«, jubelten wir beide und machten uns auf zum Glühweinausschank.

Heiß und würzig, wie ein Lebenselixier, rann die dunkelrote Flüssigkeit durch vereiste Kehlen in gefrorene Mägen und verströmte sofort ein wohliges Wärmegefühl.

»Blech hat sie gesagt«, freute ich mich und zeigte Marie den Silberstempel, und Marie hielt triumphierend ihr Lämpchen in die dicker werdenden Schneeflocken. Mit froststarren Fingern prosteten wir uns mit dampfendem Glühwein zu, der bald ausgetrunken war. »Meine Füße sind noch so kalt«, bemerkte Marie, »ich brauche noch einen Becher!«

»Ich auch!«, rief ich, denn vor lauter Kälte begann es in meinem Kopf zu kreiseln. Auch der zweite Glühwein tat uns sehr gut. Ich verbrannte mir sogar die Zungenspitze, was ich in Anbetracht des über uns hereinbrechenden Schneegestöbers sehr amüsant fand. Die darauf landenden Schneeflocken schmolzen noch viel schneller als die, die auf Maries Zungenspitze landeten. Wirre Gedanken, Silberstempel und Schneewehen wirbelten um mich herum, und in einem kurzen, aber klaren Moment fragte ich mich, ob wir vielleicht ein wenig beschwipst waren. Von drei kleinen Bechern heißem Wein? Wenn ich mir Marie so anschaute, die eingeschneit, aber glücklich vor mir stand und grinsend ihr Nachttischlämpchen an- und ausknipste, drängte sich diese Frage doch auf. Aber egal! Hauptsache, Silber statt Blech, mit Stempel für fünf Euro und so schön warm war mein Bauch, und wie hübsch Marie im Neuschnee aussah. Wie eine Schneegans! Ich kicherte und sagte es ihr, und sie kicherte zurück und konterte: »Und du siehst aus wie ein Schneebesen«, und wieder krümmten wir uns vor Lachen.

Die ersten Flohmarktverkäufer räumten ihre Sachen zurück in die Kisten, und schunkelnd machten Marie und ich uns auf die Suche nach unserem eingeschneiten Auto. »Sieht alles gleich aus!«, bemerkte Marie. »Kannst sowieso nicht mehr fahren!«, rief ich und warf ihr einen Schneeball an den Kopf, der postwendend zurückgeflogen kam. Nach einer fröhlichen Schneeballschlacht endeten wir müde und ausgetobt in einem Taxi, das uns sicher nach Hause fuhr. Marie, deren Wangen wie kandierte Äpfelchen aus der Dunkelheit glühten, musste als Erste aussteigen, und wir verabschiedeten uns.

Mein liebster Ehemann Robert und die Kinder sahen mich erstaunt an, als ich schneeverweht im Wohnzimmer stand. »Ist was passiert?«, fragte Robert. »Nö!«, nuschelte ich. »Mir war nur kalt!«

»Ein Glühwein hätte euch aufgewärmt«, ließ mich mein kluger Mann wissen, und während ich mich noch vor Lachen ausschütten und von Marie, der Schneegans, erzählen wollte, fiel mir siedend heiß ein, dass ich meine Silberschüssel im Taxi liegen gelassen hatte. Nun war mir eher zum Heulen.

»Bestimmt war der Silberstempel bloß ein Blechstempel!«, tröstete ich mich später in der heißen Badewanne.

Und wenn ich mich das nächste Mal auf dem Flohmarkt aufwärmen muss, dann trinke ich lieber heiße Milch mit Honig.

Tanjas Welt Band 2

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