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Kreative Osterzeit

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»Ich will Ostereier auspusten!«, teilte mir meine Tochter Sanne mit und starrte feindselig auf die Plastikeier, die bunt und fröhlich am Osterstrauch baumelten.

»Wozu?«, fragte ich, »wir haben doch so hübsche Eier!«

»Ich will was selber machen!«, nörgelte Sanne.

»Wozu?«, fragte ich wieder, denn ich hatte keine Lust, etwas selber zu machen.

»Das ist kreativ!«, antwortete Sanne altklug. Natürlich übermannte mich daraufhin sofort das schlechte Gewissen. Faule, vollkommen unkreative Mutter quält sensible, fantasievolle Tochter jedes Jahr wieder mit angestaubten Plastikeiern. Träge und bequem hatte ich einfach zwei Packungen bunte Eier im Kaufhaus gekauft und mir nichts dabei gedacht.

Aber noch war es nicht zu spät: Ich würde das feinfühlige Kind erfreuen können, wenn ich mich bereit erklärte, dieses Jahr Eier auszupusten.

Letzte Woche war es so weit. Auf dem Küchentisch lagen 10 frische, weiße Eier und eine leere Schüssel. »Nun bohren wir zwei Löcher in jedes Ei und dann wird gepustet!«, rief ich munter und nahm mir ein Ei.

Sanne und Samuel machten es mir nach, und bevor ich mit einem spitzen Messer anfangen konnte, vorsichtig ein Löchlein in die zarte Eischale zu piken, hatte es schon das erste Mal »knacks« gemacht, weil Samuel seinen gesamten Zeigefinger in das Ei gebohrt hatte. Angewidert starrte er auf das zitternde Eigelb in seiner Hand und wischte es sich am Hosenbein ab.

»Wir haben ja noch neun«, tröstete mich Sanne, die sehr gut im Rechnen ist, und ich fühlte, dass dies ein Nachmittag der stählernen Nerven werden würde. »Knacks«, machte es kurz darauf das zweite Mal, als sich Sanne zu energisch mit ihrem Messer am Ei zu schaffen machte, und ein wenig Eiweiß traf mich an der Nase.

Die Kinder kicherten. Sehnsüchtig schielte ich zu meinen Plastikeiern hinüber, die hygienisch und ohne Innenleben vor sich hin schaukelten.

»Hach, sind wir kreativ!«, rief Sanne in diesem Moment glücklich, und da schämte ich mich schon wieder und pikte weiter am Ei. Samuel erhielt allerdings wenig später ein Pikverbot, weil ich ihn im Verdacht hatte, Spaß an der totalen Zerstörung zu haben. Zwei weitere Eier, die heute Abend ein leckeres Rührei ergeben würden, aber keinen österlichen Baumschmuck, gingen auf seine Kosten.

»Wir haben ja noch sechs«, rechnete Sanne, und dann zerbrach noch ein Ei, weil es mir vom Tisch rollte, als das Telefon klingelte. Samuel kicherte schadenfroh. »Jetzt wird gepustet«, sagte ich müde, legte meine Lippen an ein Ei und blies, so kräftig es ging, hinein.

Gebannt starrten mich die Kinder an, und ich kam mir ein bisschen albern vor, mit meinen aufgeblasenen Backen und einem Ei im Gesicht. Vor allem geschah nicht viel, denn so sehr ich mich auch bemühte, kam aus dem Loch weder Eiweiß noch Eigelb.

»Die Löcher sind wohl zu klein!«, schlussfolgerte Sanne, und wir machten uns daran, sie zu vergrößern. Dabei ging uns kein Ei mehr kaputt, nur eines erhielt einen winzigen Riss, aber das war nicht so schlimm. Wieder machte ich mich ans Pusten, und während mein Kopf ganz rot wurde und meine Kinder mich begeistert anfeuerten, quoll tatsächlich ein wenig Eiweiß aus dem Ei. »Iiiih!«, kreischte Sanne, »das sieht ja ekelig aus!« Samuel verstummte und starrte mich an, als wüsste er nicht mehr, was er von mir halten sollte.

»Helft mir lieber!«, keuchte ich atemlos und schnaubte wieder in das Ei hinein. Ein langer, glibberiger Faden wand sich aus dem Löchlein, wurde lang und länger und landete schließlich in der Schale. Während ich nach Atem rang und mir die Backen weh taten, schüttelte sich meine Tochter und erklärte: »So was mache ich nicht!«

»Oh, doch!«, meckerte ich, »das war schließlich deine Idee!«

Mit spitzen Fingern griff sich Sanne ein Ei und beäugte es von allen Seiten. Samuel war weniger pingelig, stopfte sich das halbe Ei in den Mund und pustete, was das Zeug hielt, allerdings durch die Nase, und das war dann auch irgendwie ekelig.

»Wisst ihr was?«, stöhnte ich, »das ist das erste und letzte Mal, dass ich so etwas veranstalte!«, und dann blies ich all meine Wut in das nächste Ei. Leider war es das mit dem Riss. Eimatsch spritzte bis an die Wand, und der Rest hing mir im Haar. Sanne lachte so sehr, dass sie ihr Ei fallen ließ, und Samuel verschluckte sich fast an seinem.

»Schluss!«, schrie ich. Und so kam es, dass zwischen unseren Plastikeiern ein einziges, selbst ausgepustetes und von Sanne bemaltes Osterei hängt.

»Das ist ja wohl kreativ genug!«, befand sie, und ich war beruhigt.

Tanjas Welt Band 2

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