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Tag 151

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16. Oktober 2014

Manfred Götzl, Richter. Thomas Gerlach, 35, Monteur aus Thüringen. Er war schon an den Tagen 121 und 126 geladen und ist mit dem Zeugenbeistand Rechtsanwalt Schwarz erschienen. Anette Greger, Herbert Diemer, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Michael Kaiser, Verteidiger von André Eminger. Olaf Klemke, Nicole Schneiders, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Antonia von der Behrens, Edith Lunnebach, Alexander Hoffmann, Yavuz Narin, Anwälte der Nebenklage.

Götzl Es ist jetzt eine Zeit lang vergangen seit Ihrer letzten Einvernahme. Ich komme auf die Fragen zurück, die ich Ihnen gestellt habe und auf die Sie nicht geantwortet haben. Ob Sie Mitglied bei den Hammerskins waren oder sind.

Schwarz Diese Frage unterliegt dem Auskunftsverweigerungsrecht des Herrn Gerlach. Er beruft sich auf Paragraf 55 StPO. (Die Abkürzung für Strafprozessordnung. Der Paragraf besagt, dass jemand nicht aussagen muss, wenn er sich damit selbst dem Risiko einer Strafverfolgung aussetzt.)

Götzl Ihr Mandant hat uns erklärt, dass er nichts dazu sagt, weil das gegen sein Wertegefüge steht. Wieso führen Sie nun plötzlich das Auskunftsverweigerungsrecht an? Erklären Sie mir das.

Schwarz Es gibt ein Ermittlungsverfahren in Sachen Hammerskins, das ist unstreitig. Dieses Verfahren ist nicht endgültig eingestellt worden. Es besteht die Gefahr, dass es wieder aufgenommen wird.

Götzl Wir haben die Akten herbeigezogen, und daraus ergibt sich nicht, dass Herr Gerlach jemals Beschuldigter war.

Schwa rz Aber wenn er aussagt, könnte er sich selbst belasten. (Der Zeuge und sein Anwalt werden rausgeschickt.)

Verteidigerin Schneiders Dem ist zuzustimmen: Wenn er die Frage beantwortet, besteht die Möglichkeit, dass er sich selbst belastet.

Götzl Unter welchem Aspekt denn?

Verteidigerin Schneiders Es ist hinlänglich bekannt, dass weitere Verbotsverfahren laufen, sicher auch gegen die Hammerskins. Wir wissen nicht, ob andere Staatsanwaltschaften ermitteln, das wissen wir nur von Dresden.

Götzl Da sind Sie jetzt im theoretischen Bereich.

Verteidigerin Schneiders Der Zeuge kann jedenfalls nicht beurteilen, ob irgendwo ein Ermittlungsverfahren gegen ihn läuft.

Götzl Welchen Tatbestand haben Sie denn im Auge?

Verteidigerin Schneiders Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. So wird das üblicherweise ermittelt.

Götzl Ja, sehen Sie die Hammerskins denn als kriminelle Vereinigung?

Verteidigerin Schneiders Das kann ich nicht beurteilen.

Anwältin von der Behrens Der Zeuge hat sich in einem Briefwechsel mit Mirko Hesse (Gründer der Hammerskins und Produzent von Neonazi-CDs, der mehrere Jahre in Haft war) zu seiner Mitgliedschaft bei den Hammerskins bekannt. Dennoch wurde nicht gegen ihn ermittelt. Also gibt es gar keinen Hinweis darauf, dass er sich selbst belasten könnte.

Anwältin Lunnebach Auffällig ist es schon, dass es die Verteidigung von Herrn Wohlleben ist, die sich hier so in die Bresche wirft. Man will verhindern, dass Herr Gerlach hier aussagt. Aus rechtlichen Gründen kann das nicht sein. Der Zeuge hat deutlich gemacht, dass er nicht von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen will.

(Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück und verkündet anschließend den Beschluss, dass die Frage nach der Mitgliedschaft bei den Hammerskins zulässig sei.)

Götzl Bitte nehmen Sie wieder Platz. Die Frage ist, ob Sie bei den Hammerskins Mitglied waren?

Gerlach Ich werde zu dem Thema Hammerskins nichts sagen. Weil das meinem Wertegefüge widerspricht.

Götzl Das weicht aber von dem, was Ihr Zeugenbeistand gesagt hat, ab. Können Sie mir das erklären?

Gerlach Ich habe das halt in meinen Worten gesagt.

Götzl Nein, das sehe ich so nicht. Ihr Anwalt sagt, Sie beziehen sich auf Paragraf 55, Sie beziehen sich auf Ihr Wertegefüge.

Schwarz Das ist die unjuristische Darlegung.

Götzl Sie können ihn in der Aussage nicht vertreten.

Schwarz Paragraf 55 ist evident.

Götzl Nein, dann erklären Sie mir das.

Schwarz Das Verfahren soll bei der Staatsanwaltschaft Dresden geführt worden sein. Eine Aussage zu dieser Frage wäre ein Anhaltspunkt, noch mal gegen Herrn Gerlach zu ermitteln.

Götzl Das Verfahren lief gegen Mirko Hesse und andere. Darunter ist nicht Herr Gerlach. Und das Verfahren gegen Hesse und andere wurde eingestellt. Die Frage ist, ob er sich überhaupt auf sein Auskunftsverweigerungsrecht beruft. Seine Äußerungen sind ganz anders.

Gerlach Dann berufe ich mich auf diesen Paragrafen 55. Weil ich dann Gefahr laufe, dass Ermittlungsbehörden auf mich aufmerksam werden und dann Ermittlungen gegen mich führen.

Bundesanwalt Diemer Der Zeuge sagte, er macht keine Angaben wegen seines Wertgefüges. Wenn er sich dann auf das bezieht, was sein Anwalt gesagt hat, sind das leere Worthülsen. Er will nicht aussagen wegen seines Wertegefüges – und nicht weil er Angst hat, dass gegen ihn ermittelt wird.

(Götzl liest nun aus den mehrfach angesprochenen Akten der Staatsanwaltschaft Dresden vor. Das Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Mirko Hesse und die Hammerskins wurde eingestellt. Öffentliches Interesse, so heißt es in der Verfügung war nicht gegeben, die Schuld als gering anzusehen. Nach einer Pause verkündet Götzl, der Zeuge könne sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach Paragraf 55 StPO berufen, weil er sich bereits mit der Bejahung der Mitgliedschaft bei den Hammerskins eventuell selbst belaste. Nach einer weiteren Diskussion darüber meldet sich Rechtsanwalt Yavuz Narin mit einem Beweisantrag zu Wort.)

Anwalt Narin Der Angeklagte Eminger trägt einen Kapuzenpulli mit der Aufschrift »Brüder schweigen«. Diese Aufschrift steht für »The Order«, eine rechte Terrororganisation, die aus dem Untergrund Anschläge verübt hat. Der Angeklagte bekennt sich damit nicht nur zu einer rechtsterroristischen Vereinigung, es liegt auch eine versuchte Beeinflussung des Zeugen Gerlach vor.

Verteidiger Kaiser Das ist doch ein Biker-Shirt. Die Nebenklage versucht hier, den Prozess zu politisieren.

Anwalt Hoff mann Es ist doch wichtig, wie sich der Angeklagte Eminger heute verhält, wie er sich politisch verhält. »Brüder schweigen« ist Teil eines SS-Treueliedes. Die Hammerskins haben Regularien von Rockern übernommen, auch das Schweigegelübde. Deshalb kann diese Aufschrift auch als Bedrohung angesehen werden.

Verteidiger Klemke Wir sollten erstmal den Zeugen Gerlach befragen, ob er gesehen hat, was der Angeklagte Eminger trägt.

Verteidiger Kaiser Der Zeuge Gerlach hat doch auch schon in erster und zweiter Vernehmung nichts gesagt. Deshalb wäre der Aufruf durch ein T-Shirt doch sinnlos.

Oberstaatsanwältin Greger Wir treten dem Antrag der Augenscheinnahme des Shirts nicht entgegen. Wenn ein Angeklagter so ein Kleidungsstück trägt, ist das ein Statement, das Rückschlüsse auf die aktuelle Gesinnung zulässt und eine mögliche Beeinflussung darstellt. Es kommt nicht darauf an, ob der Zeuge das gesehen hat.

Götzl Sind Sie bereit, das T-Shirt zu zeigen?

Verteidiger Kaiser (nach kurzer Beratung mit Eminger) Er ist bereit, das fotografieren zu lassen. Wie beim letzten Mal und vielleicht bei weiteren Malen, die noch folgen werden.

(Das Kleidungsstück wird fotografiert. Anschließend wird ein Foto des Shirts an die Wand des Gerichtssaals projiziert. Zu sehen ist die Aufschrift »Brüder schweigen«, darunter zwei Motorräder und ein Totenkopf auf dem steht: »bis in den Tod«.)

Der NSU Prozess

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