Читать книгу Der NSU Prozess - Tanjev Schultz - Страница 170
Tag 152
Оглавление21. Oktober 2014
Manfred Götzl, Richter. Sitta I., 54, Selbstständige aus Apolda, ehemalige Lebensgefährtin von Hans-Ulrich Müller, der ein wichtiges Glied des Waffentransports der Česká aus der Schweiz nach Jena gewesen sein soll. Sabine R., 46, Kriminalhauptkommissarin beim LKA Baden-Württemberg. Sebastian Scharmer, Anwalt der Nebenklage.
(Die Zeugin schaut zunächst in Richtung Zschäpe- Verteidigung.)
Götzl Bitte schauen Sie in meine Richtung.
Sitta I. Ah, ich hab Sie nicht erkannt.
Götzl Es geht uns um Ihre Beziehung zu Herrn Müller und ob Sie jemals eine Waffe aus der Schweiz nach Deutschland eingeführt haben. Zunächst zu Ihrer Beziehung zu Herrn Müller. Bitte berichten Sie, ob Sie ihn kannten, wie Sie zu ihm standen.
Sitta I. Hans-Ulrich Müller hab ich kennengelernt zwischen 1989 und 1990, die Grenzen wurden gerade aufgemacht. Ich hab mir Westgeld gespart und einen BMW gekauft, der ist kaputtgegangen, musste zu Fuß zur Werkstatt laufen, da war ein Mann, den hab ich angefragt. Das war der Hans-Ulrich Müller. Mein Auto wurde abgeschleppt, er lud mich in die Schweiz ein. Ich hab das angenommen, dann entwickelte sich eine Beziehung in den Tagen. Für mich war das eigentlich abgeschlossen, aber plötzlich stand er da und wollte was geschäftlich aufbauen, einen Autohandel. In den Neunzigerjahren war es so, wir sind nach Apolda gezogen und er brachte seine Sachen aus der Schweiz mit, und wir haben ein Geschäft eröffnet. Der Bedarf war ja da, die Leute waren süchtig nach Westautos, die wurden dann von der Schweiz überführt. Ich hab die Zollfragen gemacht, das waren vier, fünf Jahre. Dann hatte ich in Apolda einen kleinen Werbeladen mit einer Angestellten. Als dann die Mutter von Herrn Müller starb, fuhr er rüber in die Schweiz, nach Thun. Ich bin dann nachgefahren. Da habe ich festgestellt, dass ihn doch meine Angestellte begleitet hatte – und dann ging die ganze Sache in die Brüche, da war fini.
Götzl Hatten Sie weiter Kontakt zu ihm?
Sitta I. Ja, ab und an.
Götzl Wieso haben Sie sich nun an die Polizei gewandt?
Sitta I. In der Schweiz war ich mal bei Herrn Baumann. Im Gespräch mit Müller und einem Bekannten hab ich da gehört, dass er Waffen bestellt hat. Das ist schon ein ganzes Stück her.
Götzl Wer hat Waffen bestellt?
Sitta I. Der Hans-Ulrich Müller.
Götzl Um welche Waffen ging es denn?
Sitta I. Diese Kugelschreiber-Waffen. (Es handelt sich um sogenannte Schießkugelschreiber, die wie Kugelschreiber aussehen, aber scharf schießen können. Einer dieser Kugelschreiber wurde bei Enrico Theile, einem früheren Bekannten von Uwe Böhnhardt, sichergestellt.)
Götzl Wie ging es weiter?
Sitta I. Ja, nix weiter. Die hingen zusammen, und dann wurde irgendwann die Tür zugemacht. Ich hab nie was selber gesehen.
Götzl Kennen Sie Enrico Theile?
Sitta I. Ist mir bekannt. Persönlich weniger, mehr durchs Gespräch mit Hans-Ulrich. Der war ab und zu bei ihm in Jena. Ich wusste nicht konkret, um was es da geht.
Götzl Waren die beiden befreundet?
Sitta I. Ich würde schon sagen.
(Als nächste Zeugin folgt die Kriminalkommissarin Sabine R.)
Götzl Es geht uns um Bezüge der Angeklagten und auch von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach Baden-Württemberg und zum anderen um die Frage, ob sich Frau Beate Zschäpe zur Zeit der Tat in Backnang aufgehalten hat. (Er spielt auf den Mord an Michèle Kiesewetter an.)
Sabine R. Meine Position im Verfahren war die: Ich habe ab 2007 die Soko Parkplatz unterstützt und war dort maßgeblich für die Opferumfeld-Ermittlungen zuständig.
Was Backnang angeht: Da hat es einen anonymen Anruf gegeben. Die Anruferin konnte nicht ermittelt werden, aber die Person, die die Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt haben soll. Das soll 2011 oder 2012 gewesen, als Frau Zschäpe bereits in Haft saß, auf jeden Fall nicht zur Tatzeit 2007. Es soll eine Litauerin gewesen sein, die aussah wie Beate Zschäpe.
Zu Ludwigsburg: Das BKA hat ein Ermittlungskonzept vorgelegt mit Namen, die man noch mal vernehmen wollte, elf Personen. Die haben wir vernommen, und darüber hinaus auch solche, die auf Bildern abgelichtet waren in einem Privatkeller in Ludwigsburg, da waren zum Teil Beate Zschäpe und Uwe Mundlos und andere abgebildet aus Jena und auch aus Chemnitz. Eine Zeugin hat die Besuche an privaten Daten fix machen können, das konnte man mit ihr relativ genau eruieren und so acht Besuche zwischen 1993 und 2001 herausarbeiten. Die Zeugen sprachen immer vom Trio, aber es hat sich herausgestellt, dass die meisten Besuche wohl durch Uwe Mundlos und Beate Zschäpe erfolgten. Identifiziert auf den Bildern haben die Zeugen auch nur Frau Zschäpe und Herrn Mundlos, Uwe Böhnhardt war nicht drauf.
Zu Frau Zschäpe machte die Zeugin auch Angaben. Sie beschrieb das Ganze eher so, als habe man Spaß gehabt und sei auf Konzerte gegangen. Es habe keine politischen Debatten gegeben. Und keiner der Zeugen sagte, sie hätten etwas gewusst über politische Aktionen.
In Heilbronn gab es zu der Zeit Mitte, also Ende der Neunzigerjahre, auch einen Treffpunkt der rechten Szene, der ebenfalls »Keller« genannt wird. Da haben sich auch wieder die Ludwigsburger und Kontaktpersonen des Trios aufgehalten. Es hieß, vielleicht seien auch Uwe Mundlos und Beate Zschäpe dort gewesen. Aber es gibt da keine Bilder.
In Stuttgart gab es noch einen Szenetreffpunkt, die Gaststätte »Hirsch«. Die war damals von Personen frequentiert, die auch in den Kellern in Ludwigsburg und Heilbronn verkehrten. Wir konnten nicht klären, ob das Trio in dem Treff in Stuttgart war. Ein ehemaliger Staatsschutzbeamter gab an, dass er sich sicher ist, dass er dort in Stuttgart schon mal Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kontrolliert hat, und zwar 1996/97.
Anwalt Scharmer Hatten Sie auch Erkenntnisse zu Florian H.?
Sabine R. Ich weiß nur, dass sich eine Ausbilderin bei der Polizei gemeldet hat und gesagt hat, dass ein Schüler von ihr gegenüber zwei anderen Schülerinnen vor dem 4.11.2011 angegeben habe, er wisse, wer die Polizistenmörder sind. Die Ausbilderin wurde vernommen, sie hat die Namen der Schülerinnen zwar nicht genannt, aber das Ganze noch mal geschildert. H. war in der rechten Szene bekannt, es gab wohl eine Durchsuchung im August 2011. Dann wurde H. vernommen, da gab er an, dass er bei einem Treffen war in einem Jugendklub in Öhringen, da sollen wohl die zwei radikalsten Organisationen vorgestellt worden seien, und zwar der NSU und die NSS (angeblich eine Neo-Schutz-Staffel, die jedoch nicht bekannt ist). Die Bewertung der Vernehmung war so, dass H. den Jugendklub nicht mehr lokalisieren konnte, und außerdem sagte er auch, er wisse die Namen der Polizistenmörder nicht. Wir wollten ihn noch mal vernehmen, aber da war er schon verstorben: Suizid. Ich weiß, dass die Stuttgarter Staatsanwaltschaft zum Ergebnis kam, dass ein Fremdverschulden ausgeschlossen werden konnte.
(H. hatte sich einen Kanister Benzin gekauft und sich damit in seinem Auto angezündet. Die Ermittler hielten seine Angaben über NSU und NSS für unglaubwürdig.)