Читать книгу Manipuliert - Teri Terry - Страница 23
ОглавлениеFasziniert sehe ich zu, wie sich die Nadel in die Haut bohrt: rein, raus, rein, raus.
Bei Bobby beeilt sich der Tätowierer besonders. Er meint, bei Leuten, die in Ohnmacht fallen, sollte man fertig sein, bevor sie aufwachen. Nach allem, was Bobby durchgemacht hat, hätte ich nicht gedacht, dass ihn eine Tätowierernadel umhaut.
Nachdem das Tattoo fertig ist, kommt Bobby wieder zu sich. Kai hilft ihm auf. Bobby scheint zunächst keinen Plan zu haben, weiß nicht, wo er ist. Als er sich besinnt, sieht er sich panisch um.
»Nein, ich kann kein Tattoo bekommen«, sagt Bobby. »Ich habe tierische Angst vor Spritzen.«
»Zu spät, du hast schon eins«, antwortet Kai.
Da kippt Bobby fast schon wieder aus den Latschen, aber Kai geleitet ihn schnell nach draußen in die Sonne und an die frische Luft.
Die vier werden auf die andere Straßenseite zu einem Tisch gebracht, wo jemand ihre Daten aufnimmt, Alter und Namen.
»Können wir jetzt endlich weiter nach Glasgow?«, fragt Kai ungeduldig.
»Sie können die Quarantänezone verlassen und nach Glasgow reisen, wenn Sie dort eine Bleibe, Freunde oder Verwandte nachweisen können. Ansonsten müssen wir einen Sponsor oder einen Job für Sie finden.«
»Wie lange dauert das?«, fragt Bobby.
»Für gesunde Erwachsene gibt es genügend Jobs. Ein oder zwei Tage.«
»Was ist mit Adriana und Jacob?«
Er schaut sich die Angaben an. »Unbegleitete Minderjährige müssen in eine Pflegefamilie. Damit sieht es im Moment nicht so gut aus. Wir versuchen, Familien zu finden, aber auch wenn wir wissen, dass die Kinder immun sind, haben die Leute Angst, diese Kinder in ihr Heim zu lassen. Falls doch was ist.«
»Was heißt, es sieht nicht gut aus? Wie lange dauert es, bis Sie für die Kinder eine Pflegefamilie gefunden haben?«
»Wochen, vielleicht auch Monate.« Der Mann von der Anmeldung zuckt die Achseln. »Wir können es nicht vorhersagen.«
»Können die Kinder nicht mit mir kommen?«
»Nur wenn Sie ein Blutsverwandter oder ein eingetragener Pflegevater sind.«
»Und in der Zwischenzeit?«
Der Beamte zeigt zur Zeltstadt, die wir bei unserer Ankunft gesehen haben. »Hier werden die Kinder so lange unterkommen.«
Man bringt uns zur Zeltstadt. Menschen kleben am Maschendrahtzaun, beobachten uns. Vor allem Kinder und Jugendliche. Ein paar Ältere sehe ich ebenfalls, für die gibt es wohl auch keine Arbeit! Eine Frau auf Krücken. Ein Mann im Rollstuhl. Hinter ihnen stehen Zelte im Matsch.
»Wie viele unbegleitete Minderjährige gibt es denn hier?«, fragt Bobby.
»Beim letzten Zählen waren es so um die dreihundert.«
Das Tor wird geöffnet und geräuschvoll hinter Kai, Bobby, Adriana und Jacob geschlossen. Eine Frau, die mit den Nerven schon völlig runter ist, ist für die Organisation im Lager zuständig.
»John und Bobby, Sie beide warten auf einen Job und sind nur vorrübergehend hier. Nehmen Sie Zelt zweiundfünfzig. Das können Sie sich im Versorgungszelt abholen.« Die Frau deutet zu einem Zelt, das hinter ihr am Zaun steht. »Adriana kann mit ein paar anderen Mädchen in Zelt achtunddreißig schlafen und Jacob in einundsechzig mit den Jungs«, sagt die Frau.
»Können wir nicht alle zusammenbleiben?«, fragt Bobby.
»Nein. Es gibt keine Familienzelte mehr, außerdem sind Sie ja gar keine Familie.« Jeder bekommt einen Schlafsack, eine Wasserflasche und ein verpacktes Sandwich. »Abendessen haben Sie verpasst. Um acht wird zum Frühstück geläutet.«
Als Erstes finden wir Adrianas Zelt. Auf dem feuchten Boden liegen dicht an dicht schmutzige Schlafsäcke. Die Mädchen im Zelt starren still und stumm auf die Neue. Von den Abwassergräben hinterm Zelt steigen Fliegenschwärme auf, und wenn ich die Gesichter der anderen so sehe, scheint es auch bestialisch zu stinken.
»Das geht ja gar nicht«, murmelt Bobby. »Ist mir egal, was die sagen, du kommst mit uns. Dann wollen wir mal unser Zelt abholen.«
Im Versorgungszelt überreicht man Kai und Bobby Zelt zweiundfünfzig, doch das muss noch aufgebaut werden.
Kai stapft so weit wie möglich von den Abwassergruben weg, bloß andere hatten die gleiche Idee, es wird immer enger auf dem Gelände und auch schlammiger. Endlich finden die anderen einen Platz, der groß genug ist.
Kai und Bobby kämpfen mit dem Zelt, das ganz schön winzig aussieht.
Als es endlich steht, linst Bobby hinein. »Da müssen wir wohl wie die Sardinen in der Büchse liegen, so habe ich es mit meinen drei auch gemacht, als der Strom ausfiel und die Kinder bei uns im Bett schlafen wollten.«
Die vier verteilen ihre Schlafsäcke, aber ich habe genug von diesem Ort. Ich sause über den Zaun, der Dreck und Zelte einfasst, bis zu den Absperrungen, die die Quarantänezone vom Rest trennen. Die Absperrungen ziehen sich wie ein Schutzwall in beide Richtungen, ich wüsste gerne, wie weit die gehen.
Ich fliege nach links über den Wall, so schnell, dass Zaun und Boden unter mir verschwimmen.
Der Wall erstreckt sich immer weiter bis zum Meer. Nicht überall ist er gleich, an manchen Stellen ist er kaum mehr als ein Zaun, aber dort stehen Wachen mit Waffen in der Hand.
Und in regelmäßigen Abständen finden sich große, hastig zusammengezimmerte Schilder:
STOPP! QUARANTÄNEGRENZE!
ÜBERTRETEN VERBOTEN –
SCHARFSCHÜTZEN IM EINSATZ
Nur nicht für die Immunen.
Oder für mich.