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Eigentlich war Paul ein guter Junge. Er war alles andere als schlecht in der Schule, er spielte niemandem Streiche - außer Kurt, wovon nur sie beide wussten - und war immer pünktlich und gewaschen zum Abendessen da, um vor seinen Eltern wie ein braver Soldat zu salutieren.

Kurt fand es lächerlich, doch die Augen ihrer Eltern leuchteten geradezu spürbar vor Stolz. Es fühlte sich an, als würden tausende kleine Nadeln in Kurts Herz gestoßen werden, Sekunde um Sekunde tiefer dringend. Doch er konnte sich nicht wehren, konnte Paul nicht mal verprügeln, weil er wusste, dass er schwächer als sein kleiner Bruder war. Paul bemerkte Kurts Frust sehr schnell und er genoss es geradezu. Wie sehr Kinder doch hassen können... Neid ist wohl eines der wirkungsvollsten Rachemotive. Doch auf was war Paul neidisch?

Paul war großartig darin, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und Kurt somit die soziale Hölle auf Erden zu bereiten – nicht mal die Streber hatten Respekt vor ihm. Kurts Eingeweide verkrampften sich regelmäßig vor lauter Wut und Scham, während in Pauls Gesicht ein diabolisches Grinsen eingebrannt zu sein schien. Tag für Tag dieses Grinsen. Tag für Tag diese Erniedrigung.

Es war eigenartig. Kurt beneidete Paul wegen dem Stolz ihrer Eltern, wegen seiner Stärke und wegen seiner Lebensfreude. Paul beneidete seinerseits Kurt. Nur nicht mal Paul selbst war klar, warum er Kurt so hasste, so beneidete, so verabscheute. Es war ein Gefühl, das tief aus seiner Seele kam und das er nicht beeinflussen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Aber Paul war zu jung, um das Gefühl hinterfragen zu können, oder zu wollen. Er befriedigte einfach seinen Trieb, besser als Kurt zu sein; Kurt runter zu ziehen.

Paul ging es dabei auch gar nicht um das Taschengeld seines Bruders oder Spielsachen, im Gegensatz zu den vier anderen, älteren Schlägern, die Kurt täglich belagerten - deren Namen Kurt nicht einmal wusste. Nicht, dass er sich je dafür interessiert hätte. Nein, Paul ging es allein um Kurts Hass, Kurts Frustration und seine eigene grässliche, süße Befriedigung an Kurts Leid.

Ein jüngerer Bruder, der größer war als der Ältere und diesen vor Prügel schützen musste. Zwei Brüder, die sich tagtäglich einen psychologischen Blitzkrieg lieferten. Und Kurt verlor immer. Jeden Tag. Jede Stunde. Und seine Wut darüber brannte sich ein, bis in die hintersten Winkel seines jungen Hirns.

Wie gesagt, ganz normal eben, wie bei vielen anderen. Und am Abend kam ihr Vater nach Hause und verprügelte sie beide ganz normal, wie immer.

Das Blut der Auserwählten

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