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In der Schatzkammer

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Die Schatzkammer des Topkapi besteht im Grunde aus vier Sälen, die heute den vielseitigen Ausstellungen dienen. Optische Höhepunkte im ersten Raum sind die goldenen und juwelengeschmückten Kriegsgegenstände aus der ruhmreichen beziehungsweise auch umstrittenen osmanischen Okkupations-Geschichte. Darunter befindet sich die wertvolle mit Edelsteinen und Gold verzierte, wahrscheinlich ebenfalls geraubte, Kettenrüstung Sultan Mustafas III. aus dem 19. Jahrhundert.

Das Highlight im zweiten Saal ist zweifelsohne eine vermutlich kostbare Reliquie: Und zwar die Arm- und Schädelknochen von Johannes des Täufers. Besser: Die vermutlichen Arm- und Schädelknochen des Täufers Johannes.

Prunkstücke im dritten Saal sind die zwei hochglänzenden goldenen Kerzenständer, jeweils 48 Kilogramm schwer und mit 6666 Diamanten bestückt.

Der hintere Teil des Raums wird von dem besagten, wandbreiten, aber recht schlichten Tresor beherrscht, in dem zahlreiche Exponate für weitere Ausstellungen deponiert sein sollen.

Der bekannte Topkapi-Dolch und der sogenannte Löffler-Diamant, einer der größten Diamanten der Welt, stellen die besonderen und unschätzbar wertvollen Exponate im vierten Saal dar.

35 Zentimeter lang ist der legendäre Topkapi-Dolch, der zum größten Teil aus purem Gold besteht. Das ungewöhnlichste Detail des Dolches befindet sich im Kopf des Messers: Eine eingebaute Uhr in einer Fassung aus Smaragden. Weitere große Smaragde sind im Griff eingearbeitet. Der Dolch steckt in einer Goldscheide, die mit Diamanten, Rubinen und Perlen verziert, in rotem Samt eingebettet ist.

Noch wertvoller ist der sogenannte Löffler-Diamant, oder auch Löffelmacher-Diamant, der unglaubliche 86 Karat hat.

Der Name des Diamanten geht auf eine Legende aus dem Jahre 1669 zurück. Demnach soll ein armer Mann den noch ungeschliffenen Stein in einem Abfallhaufen in der Nähe von Istanbul gefunden haben. Der Finder, der nicht wusste, was er da in der Hand hatte, brachte das Stück zu einem Löffelmacher und tauschte ihn gegen drei Löffel ein. Dieser wiederum brachte den Stein zu einem Juwelier, der ihn für zehn Silbermünzen abkaufte. Über Umwegen gelangte der Diamant schließlich zu Sultan Mehmet IV., der letztendlich den Wert des Steins richtig einschätzte, ihn schleifen und dann an seinen Turban nähen ließ.

Wesentlich glaubhafter ist allerdings die Geschichte, dass der Diamant seinen Namen aufgrund seiner löffelartigen Form erhielt. Ein französischer Offizier hatte den Stein, so die Geschichte, im indischen Madras gekauft und mit zurück zur "Grande Nation" gebracht. Dort soll er von einem Abgesandten Ali Paschas - legal diesmal - erworben worden sein. Im Rahmen einer kriegerischen Auseinandersetzung wurde der Stein dann aber von Mahmut II. geraubt... Na also.

Angemessen flankiert wird der Löffler-Diamant in der Topkapi-Ausstellung von drei weiteren berühmten Edelsteinen: Dem Kevkeb-i Durri (Ferner Stern), dem Seb Cirag (der Nachterhellende) und dem Diamanten des Silahtar Mustafa Pascha.

Ehrfürchtig über so viel Glanz und Schimmer passierte das Trio bedächtig und schweigend die ersten beiden Säle. Trotz der besonderen Exponate gönnten sie sich kaum eine Pause, verzögerten andächtig ihre Schritte nur kurz vor den augenfälligsten Schaustücken.

Im dritten Saal stockten Santu und Rooperti erneut, angesichts der funkelnden Pracht des diamantenbesetzten Kerzenständers.

Lediglich der Professor, offensichtlicher Kenner aller globalen Schätze, eilte mit kaum gebremstem Tempo durch den Saal. „So kommen Sie doch, meine Herren, bitte, wir sind gleich da."

Eingeschüchtert folgten die beiden ihrem Führer.

„Schauen Sie doch, dahinten steht der Tresor, in dem sich Ihr gesuchtes Relief mit dem Bauplan befindet."

Woher, zur Hölle, weiß der Professor von dem Bauplan, überlegte Claus stirnrunzelnd, blickte dann zu seinem Knecht. Hat dieser Tunichtgut etwa wieder…

„So, und was nun? Jetzt bin ich aber mal auf Ihr weiteres Vorgehen gespannt. Wollen Sie jetzt etwa den Tresor knacken?", schmunzelte Korhonen.

„Vielleicht könnten Sie… bei Ihren Beziehungen?!?"

"Beziehungen? Was kann ich?"

"Bei der Museumsleitung oder den entsprechenden Gremien der Stadt einmal..."

„Auf keinen Fall!", unterbrach ihn der Professor. "Die Türken sind in dieser Beziehung recht speziell, um nicht zu sagen stur. Das müsste dann seinen langen diplomatischen Weg gehen: Erst Anfrage, dann Warten, dann Ablehnung, dann erneute Anfrage, dann eine Unmenge von Bedingungen erfüllen, wie zum Beispiel eine plausible Begründung, das alles schriftlich und in fünffacher Ausfertigung. Und wenn dann alle Auflagen erfüllt sind, kommt trotzdem das endgültige Nein. Das können wir uns wirklich sparen. Zur Erinnerung: Wir sind hier in der Türkei..."

„Hmmm, dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen…", murmelte Santu Claus und inspizierte nun den Raum genauer.

„Aber Sie haben da sicher Ihre Möglichkeiten", meinte Korhonen vielsagend, knipste ein Äugelein und machte auf dem Absatz kehrt, um den Rückweg anzutreten.

„Chef, haben Sie den Lüftungsschacht gesehen? Da, da oben an der Decke. Der führt mit Sicherheit aufs Dach", raunte Rooperti Santu heimlich zu.

„Und umgekehrt: Vom Dach in die Schatzkammer. Der wird sicherlich brutal vergittert sein. Aber das dürfte das geringste Problem sein."

Nachdem sich Santu die Räumlichkeit fotografisch eingeprägt hatte, folgten sie dem Professor in Richtung Ausgang.

„Und? Was haben Sie nun vor?", wollte Kohonen noch einmal konkret wissen, während sie sich dem äußeren Palasttor näherten.

„Tja, da ist guter Rat teuer. Also, wenn Sie es schon nicht schaffen, uns eine Akkreditierung zu besorgen, dann werden wir bei den Brüdern erst recht keine Chance haben. Wir werden erst einmal eine Nacht darüber schlafen und dann weiter tagen. Zumindest wissen wir jetzt, wo sich unser Relief befindet." Und mit einem vielsagenden Lächeln fügte er abschließend hinzu: "Vielleicht geschieht ja ein Wunder..."

Der Professor runzelte die Stirn, ohne näher darauf einzugehen, und setzte seine forschen Schritte fort.

Außerhalb des Serails blieb Korhonen stehen, um auf seine neuen Bekannten zu warten, die ihm in einigen Meter Abstand folgten und in einer ernsten und regen Unterhaltung vertieft waren.

„Wenn ich Ihnen sonst zu Diensten sein kann, lassen Sie es mich bitte wissen", sagte der Professor, der damit das Treffen für beendet erklärte.

„Ja, rufen Sie uns ein Taxi", brachte sich Rooperti in gewohnter Manier in Erinnerung. Während Claus das mit einem strafenden Blick ahndete, ignorierte der Professor geflissentlich diese unverschämte Aufforderung.

Nachdem sich Santu und Kohonen freundlich per Handschlag verabschiedet hatten - die Abschiedszeremonie mit Roopert erstreckte sich auf ein kurzes Nicken -, entschwand der Professor in Richtung Tayahatun, ein Stadtteil westlich des Topkapi-Serails.

Steinige Jagd

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