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Ein Sturz, ein Blitz und noch ein Sturz

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Die Sommerferien 1976 nahten, und trotz meiner familiären Situation war mein Zeugnis sehr gut geraten, was jedoch von meinen Eltern nicht honoriert wurde. „Na ja, geht ja!“, war ihr einziger und beiläufiger Kommentar, was mich nicht nur sehr enttäuschte, sondern vielmehr seelisch verletzte.

Worauf ich mich jedoch freute, war, dass wir dieses Jahr drei Wochen Ferien in Tirol machen würden. Endlich einmal wieder der Tristesse des schmutzigen Ruhrgebiets entfliehen! Ich sehnte mich so sehr danach, unbeschwert im Wald spielen zu können, die Natur in all ihrer Pracht und Herrlichkeit erleben zu dürfen. Ein weiterer Grund für meine übergroße Freude war auch, dass meine Mutter sich während der Urlaubstage grundsätzlich anders verhielt als im Alltag, wo sie und meine Großmutter (väterlicherseits), die im gleichen Haus wohnte, sich regelmäßig gegenseitig den Tod wünschten und mir immer wieder das Leben zur Hölle machten. Davon würden wir nun endlich drei Wochen Pause haben.

Als wir im Tannheimer Tal angekommen waren und mein Blick auf die sonnendurchglühten Berge, die schier unendlichen Wälder und tiefgrünen, ausgedehnten Wiesen fiel, fühlte ich mich wie ins Paradies versetzt und glaubte vor Freude zu bersten.

Es war der 16. August. Ich hatte bereits mehrere Tage nach Herzenslust die Schönheit der Wälder, die Frische der glasklaren Bäche und Seen und den frischen Duft der unglaublich riesigen, mit bunten Blumen übersäten Wiesen genossen, als unsere Eltern uns mitteilten, dass sie nach dem Abendessen im benachbarten Ort auf dem traditionellen Dorffest ihren 14. Hochzeitstag zu feiern gedachten. Wir Kinder hatten nichts dagegen. Da wir den ganzen Tag herumgetobt hatten, waren wir ohnehin müde. So gingen wir bald ins Bett und unsere Eltern verließen kurz darauf die Ferienwohnung. Schnell war ich eingeschlafen.

Plötzlich wurde ich von einem lauten Knall geweckt. Ich lag allerdings nicht mehr in meinem Bett, sondern fand mich auf dem Teppichboden wieder. Es war stockdunkel um mich herum und ich hatte jegliche Orientierung verloren.

Ich hörte meine Schwester tief und regelmäßig atmen, wusste jedoch nicht, wo ihr Bett stand. Das Einzige, was ich in diesem Moment schemenhaft erkennen konnte, war das Fenster, das mir jedoch weit entfernt vorkam. Voller Panik starrte ich darauf.

Plötzlich sah ich einen überaus hellen Blitz durch das Zimmer schnellen, dessen Ende wie eine Hand geformt war. Deren ausgestreckter Zeigefinger wies auf den nahen Lichtschalter. Das Herz schlug mir bei diesem Anblick bis zum Hals. Trotzdem näherte ich mich vorsichtig dem Schalter. Dabei ließ ich den nun wie eingefrorenen „Blitz“ nicht aus den Augen. Unter Aufbringung meines ganzen Mutes erreichte ich den Schalter. Als das Licht den Raum durchflutete, konnte ich gerade noch sehen, wie der Blitz durch das Fenster verschwand. Dabei wehten die dunkelroten Wollvorhänge, welche das Fenster verdeckten, deutlich sichtbar ein wenig hin und her.

Nachdem ich mich etwas von dem Schreck erholt hatte, lief ich zum Fenster. Es war verschlossen! Wie um alles in der Welt war der Blitz hereingekommen? Ich öffnete das Fenster und blickte hinaus. Das Zirpen unzähliger Grillen drang an mein Ohr, der Duft von Gras und Kräutern stieg mir sehr angenehm in die Nase. Über mir ein sternenübersäter Himmel. Doch was war das? Eine einzige, dunkle Wolke, entfernte sich langsam vom Haus. Darin blitzte es in unregelmäßigen Abständen immer wieder auf. Auch ein unheimliches Grummeln schien aus ihr zu kommen. Während ich dieser ungewöhnlichen Wolke hinterhersah und ihrem Grummeln lauschte, vernahm ich auf einmal die Worte in meinem Kopf: „Du bist mein geliebtes Kind! Du bist nicht allein! Ich bin bei dir alle Tage, bis ans Ende der Zeiten!“

Eine Weile sah ich der Wolke noch hinterher, dann löste sie sich vor meinen Augen auf und verschwand. Es blieb der sternenübersäte Nachthimmel, wie ich ihn in der Stadt niemals zu Gesicht bekam. In Gedanken versunken schloss ich langsam das Fenster und schlich mich leise wieder ins Bett zurück.

Wer hatte da zu mir gesprochen? Und was um alles in der Welt war das für ein seltsamer Blitz gewesen? Tausend Fragen schwirrten mir durch den Kopf. Doch schließlich übermannte mich der Schlaf.

Heute weiß ich, dass mir Gott selbst bzw. Jesus durch meine ganze Kindheit und Jugend hindurch immer wieder begegnete und mich tröstete, indem er zu mir sprach und mir seine Liebe zeigte, die ich von den Menschen um mich herum nicht erwarten konnte. Dabei nahm ich oft seine „Präsenz“ als Energie oder Kraft wahr, bzw. spürte Hände auf meinen Schultern. Ein Stück weit ersetzte Jesus mir den Vater, den ich nie hatte, weil er mich ignorierte. Häufig sah ich auch übernatürliche Phänomene, wie in diesem Ereignis den „Blitz“ und die „Wolke“, die ein anderer Mensch möglicherweise gar nicht wahrgenommen hätte. Doch schon im Alten Testament lesen wir, dass sich Gott auf diese Weise den Menschen zeigte, durch Feuer und Wolken. Einfacher wäre es natürlich für mich gewesen, wenn ich genau gewusst hätte, dass mir hier Gott begegnete. An seinen Worten hätte ich ihn im Prinzip erkennen können, denn neben der Liebe, die ich immer wieder spürte, benutzte er auch Worte, die genauso in der Bibel zu finden sind, so auch die oben genannten Worte. Ich denke, irgendwo in meinem Innersten wusste ich, dass es Jesus war, der sich mir immer wieder offenbarte.

Als ich aufwachte, war es bereits heller Tag. Ich hörte meine Schwester, die immer noch schlief, regelmäßig atmen. Plötzlich nahm ich eine seltsame Atmosphäre um mich herum wahr. In diesem Moment fiel mir das Erlebnis der letzten Nacht ein und mir war klar, dass ich das niemandem erzählen konnte, auch nicht meinen Eltern. Keiner würde mir glauben. Das machte mich wirklich traurig.

Noch immer auf der Bettkante sitzend, sah ich mich im Zimmer um. Meine Eltern kamen mir in den Sinn. Schliefen sie ebenfalls noch? Da ich keine Ahnung hatte, wieviel Uhr es war, schlich ich leise ins benachbarte Wohnzimmer.

Die Schrankbetten waren heruntergeklappt und ich konnte auf meine schlafenden Eltern blicken. Doch was war mit meinem Vater geschehen? Sein Gesicht war geschwollen, seine Nase stark verkrustet von geronnenem Blut. Das Kopfkissen hatte sich vom Blut rot gefärbt. Ich war sehr erschrocken darüber, meinen Vater so verletzt daliegen zu sehen.

Plötzlich spürte ich erneut diese wesenhafte Präsenz hinter mir und vernahm die Worte in meinem Kopf:

„Nun spürt er am eigenen Leib, was sie dir als meinem geliebten Kind all die Jahre angetan haben. Nun fühlt er den gleichen Schmerz, den du ertragen musstest!“

Ich drehte mich neugierig um, weil ich sehen wollte, wer sich hinter mir befand Doch ich sah – nichts und niemanden. Die Präsenz, welche ich gespürt hatte, war genauso schnell wieder verschwunden, wie sie zuvor erschienen war.

Als ich mich ein wenig von dem Schreck erholt hatte, begab ich mich wieder in mein Bett zurück. Was war geschehen, dass mein Vater derartig verletzt war? Schlafen konnte ich nun nicht mehr. Die Gedanken kreisten wirr in meinem Kopf. Das Erlebnis der letzten Nacht fiel mir wieder ein. Mir wurde bewusst, dass beide Ereignisse in einem direkten Zusammenhang stehen mussten. Wer war es also, der immer wieder den direkten Kontakt zu mir suchte?

Als meine Mutter schließlich ins Zimmer kam, setzte sie sich zu meiner Schwester auf den Bettrand und erzählte vor allem ihr, was sich am Abend zuvor ereignet hatte. Ich kam mir eher wie ein zufälliger Zuhörer vor, jedoch nicht als ein vollwertiges Familienmitglied.

Wir erfuhren nun, dass die Tanzfläche bei dem Dorffest ziemlich überfüllt gewesen war. Ein anderes tanzendes Paar hatte versehentlich meine Eltern so angestoßen, dass sie gegen die Brüstung der Bühne flogen und diese durchbrachen. Meine Eltern stürzten über zwei Meter tief auf den Schotterboden. Dabei hatte mein Vater sich eine Gehirnerschütterung, Abschürfungen im Gesicht und einen Nasenbeinbruch zugezogen. Auch seine rechte Hand hatte er sich verstaucht, als er sich während des Sturzes damit abgestützt hatte. Zudem hatte er dabei seine beiden oberen Schneidezähne verloren.

Damit war der Urlaub für meine Eltern gelaufen. Während der restlichen eineinhalb Wochen galt es, versicherungsrechtliche Fragen mit der Gemeinde Tannheim zu klären und Fachärzte aufzusuchen. Ungeachtet der schlechten Behandlung, die mir meine Eltern entgegenbrachten, tat es mir doch leid, was ihnen geschehen war. Trotz der Umstände versuchten meine Mutter und mein Vater uns Kindern den restlichen Urlaub noch so angenehm wie möglich zu gestalten. Allerdings standen ausgedehnte Bergwanderungen oder längere Fahrten zu Sehenswürdigkeiten nun nicht mehr auf dem Programm.

Die Rückreise verlief schwierig und nahm mehr Zeit in Anspruch als die Hinfahrt. Meine Mutter hatte keinen Führerschein, sodass es an meinem Vater hing, uns so gut wie möglich nach Hause zu chauffieren. Seine verletzte Hand machte ihm zu schaffen, und durch die Gehirnerschütterung musste er immer wieder stoppen und sich übergeben. Diese Fahrt muss für ihn die wahre Hölle gewesen sein.

Seit dem seltsamen Erlebnis mit dem Blitz in jener Nacht, hatte sich erneut etwas in mir verändert. Meine Fähigkeit, Ereignisse vorauszusehen, Energien zu spüren und Stimmen von Wesenheiten zu hören, die anderen Menschen verborgen blieben, nahm noch zu. Es zeichnete sich immer deutlicher ab, dass ich als Einziger in der Familie auf eine unerklärliche Art und Weise Zugang zur geistigen Welt hatte. Irgendwie schien auch meine Kindheit vorbei zu sein, und es begann für mich ein neuer Lebensabschnitt als Jugendlicher. Diese Erkenntnis erhielt ich durch ein weiteres ungewöhnliches Ereignis, über das ich noch heute öfter nachdenken muss.

Der Weg eines Erzdruiden

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