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Aufessen! – Oder wie mir die Liebe verweigert wurde

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Ich war gerade einmal Fünf, als ich an Appetitlosigkeit litt, einhergehend mit zunehmender Blässe, deren Ursache meinen Eltern völlig unerklärlich war. Ich verlor immer mehr an Gewicht, was wiederholt zu Schwindelanfällen und darüber hinaus zu einer bleiernen Müdigkeit führte. Jede Mahlzeit wurde zu einer Qual für mich.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie meine Mutter mir eines Tages ein Mittagessen vorsetzte, das ich aufgrund meines Krankheitsbildes nicht herunterbekam. Was dann geschah, prägte sich tief in meine Seele ein. Nachdem ich einige Löffel zu mir genommen hatte, begann mein Magen zu rebellieren. Ich erbrach die wenigen Bisse in meinen Teller. Meine Mutter gab mir einen harten Schlag auf den Hinterkopf: „Wenn du das jetzt nicht isst, dann wirst du das Gleiche heute Abend noch einmal vorgesetzt bekommen, ob du willst oder nicht!“ Da ich es natürlich nicht essen konnte, goss sie den Teller mit dem Erbrochenen zurück in den Topf und befahl mir, im Kinderzimmer zu verschwinden. Was blieb mir anderes übrig? Ich verspürte wahnsinnige Kopfschmerzen und eine anhaltende Übelkeit, bis in den Abend hinein.

Als mein Vater abends nachhause kam, wurde mir das wieder aufgewärmte Mittagessen mitsamt dem Erbrochenen erneut vorgesetzt. Durch die Wärme des unappetitlich wirkenden Breis, der da nun vor mir stand, und den säuerlichen Geruch, der mir in die Nase stieg, musste ich mich nach nur wenigen Sekunden erneut übergeben. Nun war es mein Vater, der mir einen gefühlt noch härteren Schlag auf den Hinterkopf verabreichte. Auch ihm fiel nichts anderes ein als: „Wenn du das jetzt nicht aufisst, wirst du hungrig zu Bett gehen. Es gibt nichts anderes als das hier!“

Wie um alles in der Welt sollte ich das hinunterwürgen? Es war einfach unmenschlich! Ich wurde tatsächlich ohne Essen ins Bett gesteckt. Zitternd und völlig aufgelöst verbrachte ich die Nacht.

Am nächsten Morgen setzte mir meine Mutter den inzwischen zweimal hervorgewürgten Brei erneut vor. Sie hatte ihn tatsächlich noch einmal aufgewärmt und wartete nur darauf, dass es mir wieder nicht gelingen würde, ihn hinunterzuschlucken. Dazu muss ich nichts mehr sagen und will die Leser auch nicht zu sehr mit dieser Geschichte strapazieren. Diesmal wurde ich so hart geschlagen, dass mein Kopf beinahe auf der Tischplatte aufschlug. Hasserfüllt schleuderte mir meine Mutter entgegen: „Ich werde dir das so lange vorsetzen, bis du es gegessen hast. Auch dann, wenn es schimmelig ist!“

Inzwischen waren über 24 Stunden vergangen, in denen ich nicht einen Bissen zu essen bekommen hatte. So unglaublich es auch sein mag, verspürte ich dennoch kein Hungergefühl. Meine Schwindelanfälle nahmen jedoch mit jeder Stunde zu. Aber das interessierte meine Mutter in keiner Weise.

Am nächsten Mittag spielte sich die gleiche Szene wieder ab und ich schleppte mich danach zurück ins Kinderzimmer. Nur wenig später stand meine Mutter vor mir und begann überaus hart auf mich einzuprügeln. Dabei schrie sie hasserfüllt: „Du Teufelsbrut! Du bist nur geboren worden, um mir das Leben zur Hölle zu machen!“ Doch ich war es, der in diesem Moment die Hölle durchlebte.

Sie hörte erst mit der Prügelei auf, als ich mich zitternd und voller Panik unter dem Tisch verkroch. Schwer atmend verließ sie endlich den Raum und ließ mich bebend und weinend unter dem Tisch liegend zurück. Mein Gesicht war zugeschwollen, ich schmeckte Blut im Mund. Vorsichtig tastete ich mein Gesicht ab und spürte, dass meine Unterlippe tief eingerissen war.

Zitternd und stöhnend vor Schmerzen lag ich mehrere Stunden unter dem Tisch. Plötzlich öffnete sich die Tür und mein Vater sah ins Zimmer. Ich blickte ihn an und hoffte wenigstens von ihm auf Hilfe. Doch er schüttelte nur panisch und zugleich verständnislos seinen Kopf, schloss dann langsam und leise die Tür und ließ mich hilflos liegen. Ich spürte einen furchtbaren, stechenden Schmerz in meinem Inneren, geradeso, als würde mein Herz zerreißen. Die Tränen flossen mir über die geschwollenen, heiß geprügelten Wangen.

Einige Zeit später öffnete sich die Tür erneut und meine Mutter erschien im Zimmer. Sie befahl mir laut und herrisch, mich an den Tisch zu setzen. Mein Vater und meine Schwester saßen bereits dort. Meine Mutter war jedoch in der Küche verschwunden, um zum vierten Mal diesen Fraß zu holen. Durch das viermalige Aufwärmen war die Masse inzwischen derart reduziert, dass sie fast schwarz vor mir auf dem Teller lag. Und wieder stellte sich meine Mutter hinter mich, um mir bei Verweigerung einen Schlag verpassen zu können. Es war schließlich mein Vater, der mir den Teller wegnahm und nun endlich meiner Mutter etwas entgegensetzte: „Jetzt reicht es aber! Das kann doch kein Mensch mehr essen! Das kannst du nicht machen!“

Ich bekam nun das gleiche Essen wie der Rest der Familie. Doch weil ich seit über 36 Stunden nichts zu mir genommen hatte, bekam ich immer noch kaum etwas hinunter. Meine Eltern stritten sich wegen dieser Sache fürchterlich bis in den späten Abend hinein, und das ohne Rücksicht auf die Gegenwart von uns Kindern. Unglaublich, aber wahr, dass meine Mutter tatsächlich weiterhin der Meinung war, ich hätte mein Erbrochenes auf jeden Fall essen müssen.

Meine Mutter wurde ganz offensichtlich „von etwas geritten“, das sie in Jähzorn und Hass gebunden hielt und sie zu einer überaus unmenschlichen Handlungsweise gegenüber mir, ihrem erst fünfjährigen Kind, antrieb. Ihr Ausruf „Du Teufelsbrut, du bist nur dazu geboren, mir das Leben zur Hölle zu machen!“, deutet darauf hin, dass sie irgendeine eigene Schuld oder falsche Entscheidung auf mich projizierte. Es musste etwas in ihrer eigenen Vergangenheit gegeben haben, wodurch ihr Herz dermaßen verhärtet wurde, dass sie sich nur noch als Opfer ihrer eigenen Lebensumstände sehen konnte und sich ganz dem Zorn und Hass hingab, den sie dann auf mich entlud. Für irgendetwas gab sie mir die Schuld an diesen Umständen. Sehr viel später sollte ich es erfahren. Aber jetzt, als kleines Kind, das der Liebe und des Schutzes seiner Eltern bedurfte, verstand ich rein gar nichts und fand mich dem Schmerz vollkommen ausgeliefert, sowohl körperlich als auch seelisch und im Herzen. Leider war mein Vater ein schwacher Mensch und sah sich nicht oder nur wenig in der Lage, mich gegen die Boshaftigkeit meine Mutter schützen zu können. Zu Beginn versuchte er es noch, verfiel aber später zunehmend in Lethargie und nahm aus Selbstschutz Partei für meine Mutter.

Der Weg eines Erzdruiden

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