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Am Nachmittag fand das Treffen mit den Gemeindegliedern über Frieden und Versöhnung statt. Prior Johannes begrüßte die Anwesenden. Nach einer kurzen Auslegung der Morgenlesung lud der er alle, von eigenen Erfahrungen zu berichten.

„Lieber Bruder Johannes, meine Frau und ich haben vor einigen Wochen eine Ex-Kindersoldatin als Patenkind aufgenommen. Sie ist eingebunden in ein Programm zur Wiedereingliederung, das die Bürgermeisterei der großen Stadt in Zusammenarbeit mit der Regierung unseres Landes aufgelegt hat“, begann ein Herr Mitte fünfzig.

„Ich habe davon gehört“, erklärte der Prior.

„Meine Frau und ich waren uns einig, dass es nicht ausreicht, mit Worten für Frieden und Versöhnung in unserem Land einzustehen. Wir müssen handeln, sonst bleibt es bei Absichtserklärungen.“

„Alejandro, ich kann deine Sicht verstehen. Aber glaubst du wirklich, dass sich dadurch groß was an der politischen Landschaft verändert. Die Verletzungen aus der Zeit des Bürgerkrieges sind so vielfältig und die Wunden so tief, dass ich meine Zweifel habe“, entgegnete ein älterer Herr.

„Wie geht es euch mit der Patenschaft?“

Der Prior ging nicht auf die Zwischenbemerkung ein und sprach das Ehepaar direkt an. Er hatte Interesse zu erfahren, welche Erfahrungen das Ehepaar als Pateneltern gemacht hatten.

„Sie ist eine tägliche Herausforderung. Anfangs dachten wir, es würde ausreichen, Alexandra gegenüber offen und zugewandt zu sein. Schnell haben wir gemerkt, dass eine neue Umgebung aus ihr noch keinen anderen Menschen macht. Ihr Vertrauen in die Erwachsenwelt ist nachhaltig zerstört. Täglich müssen wir für Vertrauen in unser Handeln werben.“

„Woher stammt Sandra?“, setze der Prior nach.

Nun sprach seine Frau.

„Sandra stammt aus dem Süden. Sie ist als Achtjährige von ihren Eltern an die Guerilla verkauft worden. Bereits früh lernte sie den Umgang mit Waffen. Als Kind ist sie wiederholt vom Kommandanten vergewaltigt worden. Soviel wissen wir bisher. Es ist sehr mühsam mit ihr, über die Vergangenheit ins Gespräch zu kommen. Häufig wehrt sie Rückfrage kategorisch ab. Sie muss traumatische Dinge mitgemacht haben.“

Die Frau griff zu einem Taschentuch. Während sie erzählte, hatte sie zu weinen angefangen. Sie schnäuzte sich die Nase und sprach dann weiter.

„Manchmal denken wir, dass wir uns mit allem doch übernommen haben. Es ist hart helfen zu wollen und gleichzeitig zu spüren, wie man an seine eigenen Grenzen kommt.“

Der Prior sah die Frau voller Mitgefühl an.

„Gibt es auch Momente, in denen Sie davon überzeugt sind, dass es doch die richtige Entscheidung war?“

„Sicher“, erklärte sie. „Manchmal sucht sie geradezu die Nähe von uns. Dann möchte sie nur noch in den Arm genommen werden. Es ist wie ein Kind, das hingefallen ist, sich weh getan hat und getröstet werden muss. Wenn man bedenkt, dass sie bereits siebzehn ist ...“

„Dann?“, nahm der Prior die Worte der Frau auf.

„Manchmal frage ich mich, ob es möglich ist, dass sie nochmals ein anderes Leben beginnen kann.“

„Mit jeder Erfahrung, die ihr bisheriges Leben erhellt ... ganz gewiss.“

Die Worte des Priors waren eindringlich.

„Vielleicht ist dies der entscheidende Moment im Prozess der Befriedung unseres Landes“, ergänzte der Prior.

„Es wird noch einige Jahrzehnte dauern, bis die Narben der Vergangenheit verheilt sind. Manche werden nie heilen.“

„Heilen?“, protestierte ein Anderer der Anwesenden.

„Wie soll das möglich sein. Bei all dem Grauen, das der Bürgerkrieg in den letzten Jahrzehnten verursacht hat. Es sind ja nicht nur Familien davon betroffen. Allein ihr Schmerz reicht aus, um daran zu zweifeln. Das Land steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Versöhnung, wenn sie überhaupt möglich ist, ist das Eine. Das Andere ist eine radikale Umschichtung des Wohlstandes. Ich hege kein Verständnis für irgendwelche höheren Motive der Guerilla, aber solange das Land und der Wohlstand in den Händen von Wenigen liegen, wird es unmöglich sein, unser Land dauerhaft zu befrieden.“

Der Prior nickte.

„Gleichwohl - und dies möchte ich heute ans Herz legen - wird es auf die vielen Lichter der Hoffnung ankommen, Zeichen, die ihr mit eurem mutigen Handeln für Frieden und Versöhnung setzen könnt. Ein wichtiger Beitrag dazu ist, was Alejandro und seine Frau täglich leisten. Solche Zeichen der Hoffnung verjagen den Zweifel aus unseren Köpfen und sind der Anfang einer Veränderung, die auch nicht vor gesellschaftlichen Umbrüchen halt machen wird.“

Nach dem insgesamt zweistündigen Gespräch waren alle sichtlich aufgewühlt. Es war eine leidenschaftliche Diskussion, an deren Ende dennoch der Wille und die Bereitschaft zu spüren waren, das Unmögliche zu denken, um das Mögliche zu erreichen.

Der lachende Vogel

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