Читать книгу Der lachende Vogel - Thomas Reinhold Reppich - Страница 8

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„Bravo, mein lieber Luther. Nun kommst du doch noch zum Kern unseres Dasein: Es spielt keine Rolle, ob wir dabei im Kloster oder andernorts leben.“

Zufrieden las Prior Johannes:

„Aus dem allen folgt der Schluss: Ein Christenmensch lebt nicht in sich selbst, sondern in Christus und seinem Nächsten, in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe.“

Geht doch, denkt der Prior, nicht ohne den Anflug von leichter Überheblichkeit.

Wenn Christen das Kernstück ihres Handelns, die Liebestat so sehr hervorgehoben haben, dann doch nur aus einem Grunde: Die Liebe ist und bleibt das höchste Gut, wonach zu streben ist. Die Liebe ist das Reinste, was Menschen verbinden kann. Und darum ist sie es auch, die alles wenden kann.

Prior Johannes kam ins Schwärmen. In seinen Gedanken überschlug er sich. Fast hätte man glauben können, er feile an der nächsten Predigt. Irgendwie war dies typisch für ihn. Gedanken, die ihm kamen, waren nicht einfach nur so da. Manches von dem, was ihm spontan in den Sinn kam, schrieb er auf.

Sprache, so hatte er im Laufe seines Lebens erfahren, war mehr als eine Aneinanderreihung von Worten. Sprache, die vom Geist beseelt war, konnte Leben schaffen. Wie einst Gott mit seinen Worten „Es werde...“.

Bisweilen bedauerte der Prior, dass er die tiefe Verbundenheit zweier Liebenden nie geteilt hatte. Wie zum Ausgleich erfreute er sich der Welt der Gedichte, die all die Facetten der Liebe in den schillerndsten Farben heraufbeschworen.

Die Zeilen eines alten Gedichtes stiegen in ihm auf:

lodernd brennt in mir das feier

es nagt an mir

ohne mich zu verzehren

es verwandelt mich

wunder göttlicher schaffenskraft

das Leben atmet auf

wEr könnte hier widerstehen

In Gedanken schrieb er manchmal Liebesbriefe. Sie nahmen auf, was er in Gesprächen hörte, die Erschütterungen, die ein Paar durchlebte. Und in seinen Zeilen schuf er etwas Neues. Versuchte er zugeschlagene Türen zu öffnen.

Wie gerne hätte er einmal erlebt, welche Kraft seine eigenen Worte bei einem geliebten Gegenüber entfaltet konnten. Er schloss die Augen und atmete Tief durch. So, als wolle er sich konzentrieren. Er öffnete die Augen und begann laut zu sprechen:

„Geliebte lass dich rühren von meinen Worten.

Worte, die nichts anderes wollen,

als dich emporzuheben über Alltag und Sorgen.

Geliebte, was uns beschwert, kann anders werden.

Geliebte, wenn du wüsstest, wie sehr ich dir nahe bin.

Spürst du es nicht?“

Die Glocke der Kapelle riss ihn heraus aus seinem Tagtraum. Es war Zeit zur Vesper. Leicht benommen verließ er sein Zimmer. Nochmals atmete er tief durch, wie um den Geist seiner Gedanken nochmals in sich aufzunehmen.

„Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, kommt ihr nicht in das Himmelreich.“ Eigentümlich, dachte der Prior, als er die Antwort auf den Abendpsalm sprach.

Erzeugte die Liebe von Kindern nochmals eine andere Resonanz im Gegenüber? Er dachte an zwei spielende Kinder, die er vor einiger Zeit spielend im Park der großen Stadt gesehen hatte. Sie waren wie ein Liebespaar. Behutsam und liebevoll spielten und sprachen sie miteinander. Ihre Augen leichteten und ihre Wangen glühten. Die Liebe, ja die Liebe, dachte er.

Der lachende Vogel

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