Читать книгу Handbuch Medizinrecht - Thomas Vollmöller - Страница 405

1. Rechtsgrundlagen

Оглавление

302

Die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art ist typisches Merkmal des freien Berufes.[20] Selbstständige Ärzte und Zahnärzte sind klassische Vertreter der freien Berufe.[21] Der Arzt wird aufgrund eines besonderen Vertrauens i.S.v. § 627 BGB beauftragt.[22] Die Berufsordnungen verpflichten die niedergelassenen Praxisinhaber deshalb zur persönlichen Berufsausübung.[23] Auf der anderen Seite steht die Erbringung heilkundlicher Leistungen nach § 1 HeilprG für alle Nichtärzte unter Erlaubnisvorbehalt, was dem Arzt einerseits die Exklusivität seines Berufes erhält, andererseits aber auch seine Möglichkeiten einschränkt, ärztliche Leistungen auf andere Personen zu delegieren.

303

Das nach § 630b BGB auf (zahn-)ärztliche Behandlungsverträge anwendbare Dienstvertragsrecht verpflichtet den Schuldner im Zweifel in Person zu leisten (§ 613 BGB).[24] Das ärztliche und zahnärztliche Liquidationsrecht[25] übernimmt diese vertragliche Pflicht und gestattet deshalb nur die Berechnung selbst erbrachter Leistungen.[26] Das SGB V erwähnt die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung nicht, enthält aber Hinweise darauf. Nach § 15 Abs. 1 SGB V ist die (zahn-)ärztliche Behandlung ausdrücklich (Zahn-)Ärzten vorbehalten (Arztvorbehalt).[27] Dementsprechend können Anstellungsgenehmigungen ebenso wie vertragsärztliche Zulassungen auch nur personenbezogen erteilt werden.[28] Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen diese nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet oder von ihm verantwortet werden, § 15 Abs. 1 S. 2 SGB V.[29] Durch die Anordnung und Verantwortung der Hilfsleistungen müssen diese dem Arzt als eigene Leistungen zugerechnet werden. Das setzt offenkundig voraus, dass der Vertragsarzt diese Leistungen selbst erbringen könnte und die unter dem Arztvorbehalt stehenden Leistungen im Übrigen vom Arzt persönlich erbracht werden. Andernfalls wäre die Notwendigkeit der Zurechnung der Hilfsleistungen nicht einsichtig.

304

Das Gegenstück zum Arztvorbehalt findet sich im Leistungsrecht. Nach § 28 Abs. 1 SGB V umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehören auch die Hilfeleistungen anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten sind.[30] Der Behandlungsanspruch des Versicherten richtet sich somit unmittelbar gegen den Arzt, der die Leistungen primär selbst und durch Hilfspersonen nur nach seiner Anordnung und in seiner Verantwortung zu erbringen hat. Demnach sind Tätigkeiten nicht erfasst, die ein anderes als medizinisches Fachwissen erfordern, z.B. handwerklich-technische Fertigkeiten[31] oder besondere Sprachkenntnisse.[32]

305

Das Gebot, wonach der Vertragsarzt seine Leistungen persönlich erbringen muss und hierzu Hilfestellungen anderer Ärzte nicht in Anspruch genommen werden dürfen, ist in mehreren Rechtsvorschriften angesprochen. Abgeleitet wird es direkt aus dem Zulassungsrecht. Nach § 95 Abs. 1 SGB V nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassene oder ermächtigte Ärzte teil.[33] Der zugelassene Vertragsarzt hat die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben, § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV. In diesem Zusammenhang wird auf § 19 Abs. 1 S. 1 MBO verwiesen, wonach Ärzte die Praxis persönlich ausüben müssen.[34] Dabei wird übersehen, dass die persönliche Ausübung der Praxis und die persönliche Erbringung vertragsärztlicher Tätigkeit qualitativ unterschiedliche Vorgaben sind, die, wenn inhaltlich dasselbe gemeint ist, auch wortgleich hätten formuliert werden können. Denn für die von der Berufsordnung verlangte „persönliche Ausübung der Praxis“ ist deren Leitung durch den niedergelassenen Arzt ausreichend.[35]

306

Ein MVZ darf die vertragsärztlichen Leistungen nur durch ihre Angestellten und die im MVZ tätigen Vertragsärzte erbringen lassen, auf die sich die Anstellungsgenehmigungen und die Zulassungen als Vertragsarzt beziehen.[36] Die Eignung eines anzustellenden Arztes muss nach § 32b Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 21 Ärzte-ZV grundsätzlich derjenigen eines Vertragsarztes entsprechen.[37] Die damit angestrebte Sicherung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung kann nur gewährleistet werden, wenn die Leistungen von demjenigen persönlich erbracht werden, der auf der Grundlage der Regelungen über die Anstellung von Leistungserbringern als befähigt angesehen worden ist, qualitätsgerechte Leistungen zu gewährleisten.[38]

307

Nach § 20 Ärzte-ZV[39] steht der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ein Beschäftigungsverhältnis oder eine andere ehrenamtliche Tätigkeit entgegen, wenn diese verhindern, dass der Vertragsarzt entsprechend seinem Versorgungsauftrag den Versicherten nicht persönlich zur Verfügung stehen und die üblichen Sprechstundenzeiten anbieten kann. § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä wiederholt den sich aus dem Gesetz ergebenden Grundsatz und verpflichten den, an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt, seine Tätigkeit persönlich auszuüben.[40] Ziff. 2.2. Allg. Bestimmungen EBM verweist auf diese Regelungen und macht die persönliche Leistungserbringung zur Voraussetzung der Berechnungsfähigkeit der Gebühren. In gleicher Weise muss der ermächtigte Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit persönlich ausüben, § 32a Ärzte-ZV. An dieser Stelle unterscheidet sich die vertragsärztliche ambulante Tätigkeit von der ärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus, wo weitergehende Delegationen an das nichtärztliche Personal üblich sind. Die Einschaltung von nachgeordneten Ärzten ist im Rahmen einer Ermächtigung grundsätzlich unzulässig. Dies wird von ermächtigten Krankenhausärzten häufig nicht erkannt. Es reicht auch nicht, wenn sich ein ermächtigter Pathologe die Befunde seiner Abteilungsärzte nachträglich zu eigen macht.[41]

Handbuch Medizinrecht

Подняться наверх