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1. Begriffsdefinition

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Nach § 12 Abs. 1 S. 1 SGB V müssen die Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das notwendige Maß nicht überschreiten. Die Vorschrift beinhaltet mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe, die ausgelegt werden müssen.[99] Was nach § 12 Abs. 1 SGB V als ausreichend und zweckmäßig angesehen werden kann, ist nach medizinischen Kriterien und nicht nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Es geht darum, den maximal möglichen therapeutischen Nutzen mit dem geringstmöglichen Leistungsaufwand zu erreichen, also um das Erreichen des optimalen Wirkungsgrades der eingesetzten medizinischen Mittel.[100] Eine Leistung kann nur dann als ausreichend angesehen werden, wenn sie nach Umfang und Qualität eine hinreichende Chance für einen Heilerfolg bietet. Der für die konkrete Behandlung erforderliche medizinische Standard darf nicht unterschritten werden. Das ergibt sich aus dem Verweis auf den fachlich gebotenen Standard in § 70 Abs. 1 SGB V. Das ist bereits bei der Ausgestaltung der Leistungen und deren Bewertung im EBM zu berücksichtigen und vom Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V auch laufend zu überprüfen.

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§ 2 Abs. 4 SGB V stellt die Wirksamkeit der Leistung gleichwertig neben deren Wirtschaftlichkeit. Unwirksame Leistungen sind immer auch unwirtschaftlich. Unwirksamkeit darf nicht mit Wirkungslosigkeit im Sinne eines erfolglosen Therapieversuches gleichgesetzt werden. War nämlich das eingesetzte Therapiemittel grundsätzlich als wirksam anerkannt und für den speziellen Fall auch indiziert, führt der Fehlschlag einer nach dem allgemein anerkannten medizinischen Standard geeigneten Maßnahme nicht zu deren Unwirtschaftlichkeit. Der Arzt schuldet seinem Patienten nur eine korrekte medizinische Vorgehensweise, nicht aber deren therapeutischen Erfolg im Sinne einer Heilung.[101] Nichts anderes gilt nach § 76 Abs. 4 SGB V für den Vertragsarzt.

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Außenseitermethoden und Neulandmedizin sind im Zweifel nicht zweckmäßig, jedenfalls dann nicht, wenn die Wirksamkeit der Methode nicht feststeht oder ausreichend gesicherte schulmedizinische Vorgehensweisen zur Verfügung stehen. Gleichwohl ist deren Anwendung nicht ausgeschlossen, wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst indiziert sind.[102] Nur im Falle einer lebensbedrohlichen Erkrankung, für deren Behandlung kein zuverlässiges Therapieverfahren zur Verfügung steht, kann eine über das Wirtschaftlichkeitsgebot hinausgehende Leistungsverpflichtung der Krankenkasse hinsichtlich nicht erprobter bzw. nur symptomatisch wirkender Behandlungsmittel gegeben sein.[103] Dieser von der Rechtsprechung herausgearbeitete Anspruch ist inzwischen in § 2 Abs. 1a SGB V normiert.

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Die Frage, ob eine Leistung wirtschaftlich ist, kann nur über eine Gesamtbetrachtung aller Kriterien geklärt werden. Geringere Kosten alleine sind nicht ausschlaggebend, wenn andere Faktoren Auswirkungen auf den Heilerfolg haben können.[104] Steht überhaupt nur eine einzige medizinisch vertretbare Therapiemethode zur Verfügung, kommt es auf deren Kosten nicht an.[105] Details der Ausgestaltung wirtschaftlicher Behandlungsweisen darf der Gesetzgeber den Richtlinien des G-BA nach § 92 Abs. 1 SGB V überlassen (siehe Rn. 166 ff.). Die Richtlinien konkretisieren und interpretieren das Wirtschaftlichkeitsgebot.[106] Richtlinienkonformes Therapieverhalten spricht daher für dessen Wirtschaftlichkeit.

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