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3. Ärztliche Vertreter und Assistenten

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Bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung ist nach § 32 Abs. 1 S. 2 und 3 ZV-Ä/ZV-ZÄ eine Vertretung eines Vertrags-(zahn)arztes innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten ohne Genehmigung zulässig; bei Ärztinnen im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung bis zur Dauer von zwölf Monaten. Dasselbe gilt mit Ausnahme der Schwangerschaftsvertretung nach § 32a S. 2 Ärzte-ZV für ermächtigte Krankenhausärzte. § 32 Ärzte-ZV gilt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 Ärzte-ZV auch für psychologische Psychotherapeuten. Die Vertretung bei genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen einschließlich der probatorischen Sitzungen ist aber nach § 14 Abs. 3 BMV-Ä unzulässig, womit Abwesenheitsvertretungen in der psychotherapeutischen Praxis letztlich nur beim psychotherapeutischen Einzelgespräch nach GOP 23220 EBM möglich sind. Rechtlich ist damit losgelöst vom Sinn eines solchen Vertretungsverbotes die Frage nach der Ermächtigungsgrundlage für eine Einschränkung des Zulassungsrechtes durch eine kollektivvertragliche Regelung zu stellen.[46]

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Auch genehmigte angestellte Ärzte dürfen nach § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV aus den gleichen Gründen und im gleichen Umfang vertreten werden. Zusätzlich darf ein angestellter Arzt bis zu 6 Monate vertreten werden, wenn er freigestellt ist oder wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Wird die Abwesenheit des Arztes durch Mehrarbeit der anderen Ärzte der BAG oder des MZV ausgeglichen, sind die Vertretungsregelungen zwar nicht direkt anwendbar. Erlaubt ist aber die vorübergehende Überschreitung der zulassungsrechtlich genehmigten Arbeitszeit in dem Umfang, wie eine genehmigungsfreie Vertretung zulässig wäre.[47]

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Die Vertretungsregelungen erlauben damit konkrete Ausnahmen von der ansonsten umfassenden Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung.[48] Der Vertreter wird anstelle des Vertragsarztes tätig.[49] Er erhält keinen eigenen Status. Vertretungen von länger als einer Woche am Stück müssen der KV nach § 32 Abs. 1 S. 4 Ärzte-ZV angezeigt werden. Das Unterlassen der gebotenen Anzeige einer Vertretung stellt eine wenigstens einfache Pflichtverletzung dar, die geahndet werden kann.[50] Wenn tatsächlich eine Vertretungssituation vorgelegen hat, dürfte das aber, anders als bei der genehmigungspflichtigen Vertretung, nicht zur Unzulässigkeit der Vertretung an sich führen.

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Vertretungen über den Zeitraum von 3 Monaten im Jahr hinaus und aus anderen, als den in § 32 Abs. 1 SGB V genannten Gründen, sind nach § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV von der KV zu genehmigen. Im Betracht kommen Gründe der Sicherstellung, Kindererziehung bis zu 36 Monate und Pflege von Angehörigen bis zu 6 Monate. Die Dauer ist zu befristen, mit der Möglichkeit der Verlängerung. Auf die Genehmigung besteht ein Rechtsanspruch.[51] Die Genehmigung darf einem Praxisinhaber/Antragsteller nur unter den konkret gegebenen Verhältnissen für eine bestimmte Person erteilt werden.[52]

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Der Patient muss ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit einer Vertretung mit einer Behandlung durch den Vertreter einverstanden sein. Die Zustimmung ist anzunehmen, wenn der Patient in der Sprechstunde die Leistungen des Vertreters widerspruchslos in Anspruch nimmt. Bei operativen Leistungen oder Leistungen, bei denen der Patient vor Inanspruchnahme nicht mehr die Möglichkeit hat, sich für oder gegen die Inanspruchnahme eines ärztlichen Vertreters zu entscheiden, bedarf es einer Vereinbarung im Behandlungsvertrag, welche die Vertretung des verpflichteten Arztes erlaubt.

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Für den ärztlichen Vertreter gelten dieselben rechtlichen Anforderungen wie für den von ihm vertretenen Vertragsarzt. Ärzte dürfen sich nach § 20 Abs. 1 S. 2 MBO grundsätzlich nur durch Fachärzte desselben Fachgebietes vertreten lassen.[53] Verfügt der Vertreter über eine eigene Zulassung, muss er demselben Versorgungsbereich wie der Vertretene angehören.[54] Der Vertreter hat diejenigen Leistungen persönlich zu erbringen, die auch der vertretende Praxisinhaber im Falle seiner Anwesenheit persönlich erbringen müsste. Dazu braucht der Vertreter nach § 14 Abs. 1 BMV-Ä dieselbe fachliche Qualifikation wie der vertretene Vertragsarzt. Das kommt vor allem bei den Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die nach § 135 Abs. 2 SGB V spezielle Qualifikationen voraussetzen, zum Tragen. Verantwortlich für die Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten durch den Praxisvertreter bleibt nach §§ 32 Abs. 4 ZV-Ä/ZV-ZÄ[55] der Praxisinhaber, der die Leistungen des Vertreters als eigene Leistungen abrechnen darf. Daher muss er sich versichern, dass der Vertreter alle Qualifikationsanforderungen erfüllt. Andernfalls darf er sich bei speziellen Leistungen nicht vertreten lassen.[56]

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Vorstehende Ausführungen gelten auch bei Entlastungs- und Sicherstellungsassistenten entsprechend, weil § 32 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV für die genehmigungspflichtigen Dauervertretungen und die sog. Entlastungs- bzw. Sicherstellungsassistenten die gleichen Voraussetzungen normiert. Ein formaler Unterschied liegt nur darin, dass eine Vertretungssituation die Abwesenheit des Vertretenen erfordert. Eine Entlastungs- und Sicherstellungssituation setzt dagegen ein eingeschränktes Leistungsvermögen des Vertragsarztes voraus, wo der Vertragsarzt aber genauso zeitweilig abwesend sein kann, wie in einer Vertretungssituation. Die Leistungen von Vertreter und Assistenten werden dem Vertragsarzt als eigene Leistungen zugerechnet, wenn die Voraussetzungen einer Vertretung vorgelegen haben oder der Assistent von der KV genehmigt ist. Dass der Vertreter an die Stelle des Vertretenen tritt, der Assistent dagegen unter „Aufsicht“ arbeitet,[57] ist in haftungsrechtlicher Hinsicht unerheblich, weil nach § 32 Abs. 4 Ärzte-ZV beide zur Pflichterfüllung anzuleiten sind und der Praxisinhaber für beide nach § 14 Abs. 2 BMV-Ä gleichermaßen haftet.

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Die unscharfe Unterscheidung von Vertretung und Sicherstellungsassistenz durch den Verordnungsgeber zeigt die mit dem GKV-VSG geschaffene Möglichkeit der „Vertretung“ von angestellten Ärzten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hier wird der vom Zulassungsausschuss genehmigte angestellte Arzt durch einen anderen Arzt ersetzt, obwohl statt einer Vertretungssituation de facto eine freie Stelle vorliegt.[58] Der „Vertreter“ ist hier in Wirklichkeit ein dem Praxisinhaber zur Ausfüllung der freien Stelle vorübergehend genehmigter Sicherstellungsassistent, der den angestellten Arzt ersetzt. Demgemäß müssen solche Assistenten in der Lage sein, eigenständig zu arbeiten, ohne dass damit die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung des Prinzipals verletzt wird. Das unterscheidet sie von Weiterbildungsassistenten, die ebenfalls nach § 32 Abs. 1 S. 1 (Allgemeinmediziner) und S. 2 Ziff. 1 Ärzte-ZV genehmigungspflichtig sind, aber aufgrund der noch nicht gegebenen Facharztqualifikation einer fachlich-ärztlichen Anleitung und Aufsicht bedürfen. Wie intensiv diese Überwachung sein muss, hängt von seinem Ausbildungsstand und dem Fachgebiet ab und erfordert nicht die permanente parallele Anwesenheit des ausbildenden Vertragsarztes.[59] Dagegen zeigen die genannten Entlastungs- und Sicherstellungsgründe, dass der deswegen genehmigte Assistent auch in Abwesenheit des Praxisinhabers wie ein Vertreter arbeiten können muss.[60]

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Der Vertragsarzt muss seine Assistenten und Vertreter nach § 32 Abs. 4 Ärzte-ZV, ebenso nach § 32b Abs. 3 Ärzte-ZV seine angestellten Ärzte, zur Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten anhalten. Nicht gemeint sind die Pflichten zur Anleitung und Kontrolle delegierbarer Leistungen bei nachgeordnetem Personal und zur fachlichen Anleitung bei Weiterbildungsassistenten, die erforderlich sind, um deren Leistungen dem Prinzipal als eigene Leistungen zurechnen zu können. Die Leistungen der Assistenten wie auch seiner angestellten Ärzte werden dem Vertragsarzt als persönliche Leistungen nur zugerechnet, sogar wenn sie in einer Nebenbetriebsstätte erbracht werden, wenn deren Anstellung genehmigt ist, § 15 Abs. 1 S. 2 BMV-Ä.

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Die Abrechnung der Leistungen von Assistenten und Vertretern erfolgt über die LANR des Vertragsarztes. Bei der Vergütung ist nicht zu differenzieren, wer die Leistungen erbracht hat.[61] Die Beschäftigung von Assistenten darf aber nach § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht zur Vergrößerung der Kassenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen. Diese Regelung hatte ursprünglich den Sinn der Bewahrung der Freiberuflichkeit der niedergelassenen Ärzte, die durch eine Vervielfältigung des auf persönliches Tätigwerden des Praxisinhabers ausgerichteten Berufsrechts, gefährdet erschien.[62] Inzwischen geht es nur darum, honorarpolitisch unerwünschte Umsatzausweitungen durch Assistenten zu verhindern.[63] Das zeigt der durch das GKV-VSG in § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV eingeführte Verweis auf § 87b Abs. 2 S. 1 SGB V, wonach die Honorarverteilungsmaßstäbe Regelungen vorsehen müssen, die eine übermäßige Ausdehnung der Praxis verhindern. Eine wirksame Begrenzung ergibt sich auch aus den nach § 106d Abs. 2 S. 3 SGB V durchzuführenden Zeitprofilprüfungen, weil die Tages- und Quartalsprofile nach § 8 Abs. 2 Abrechnungsprüfungs-RL für jede LANR zu erstellen sind und die Leistungen der Assistenten danach Ursache der Überschreitung der Obergrenzen nach § 8 Abs. 4 Abrechnungsprüfungs-RL sein können, was zu einer Einleitung eines Prüfungsverfahrens führen würde. Zwar ist ein dadurch bedingtes erhöhtes Stundenaufkommen nach § 12 Abs. 3 Ziff. 1 Abrechnungsprüfungs-RL erklärbar, aber die Abrechnungsprüfung läuft in diesem Moment an und die Erklärung muss die geprüfte Praxis noch liefern, siehe dazu Rn. 1032 ff.

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Von der Vertretung zu unterscheiden ist der Wechsel des Behandlers innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft. Begründet wird dies damit, dass eine BAG gegenüber der KV als Einheit auftritt und damit als „Behandler“ anzusehen ist. Die Rechte und Pflichten treffen somit die BAG als Ganzes.[64] Vertretungen i.S.v. § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV kommen nur in Betracht, wenn der Ausfall eines Mitglieds einer BAG nicht durch die anderen aufgefangen werden kann.[65] Innerhalb der BAG ist jedes Mitglied an sein Fachgebiet und seinen Versorgungsbereich gebunden, jeweils bestimmt durch den Zulassungsstatus. Außerhalb dessen liegende „weitere“ Fachgebiete bleiben in der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich außer Betracht und berechtigen auch nicht zu einer „internen“ Vertretung innerhalb einer BAG, wenn kein Mitglied mit Zulassung für das Fachgebiet des abwesenden Partners anwesend ist.[66] Deshalb darf z.B. ein als Hausarzt zugelassener Internist seinen als Fachinternisten zugelassenen Partner innerhalb der BAG nicht vertreten.[67] Ebenso wenig darf ein Partner mit besonderen Qualifikationen durch einen anderen Partner in diesem Leistungsbereich vertreten werden, der diese Qualifikation nicht hat.[68]

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