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b) Risikoerhöhung und Ansteckungseffekte

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Die weiteren Merkmale einer Risikoerhöhung und des Auftretens von Ansteckungseffekten lassen sich im Kontext dieser Arbeit ebenfalls vor dem Hintergrund einordnen, dass die vertragliche Risikoverteilung nicht abschließend ist. Zugleich ist allerdings erforderlich, dass die Möglichkeit, die betreffenden Risiken zu beeinflussen, überhaupt in der Sphäre der Transaktionspartner liegt.86 In der ökonomischen Forschung werden die Merkmale der Risikoerhöhung und des Auftretens von Ansteckungseffekten meist gleich behandelt und jedenfalls nicht trennscharf unterschieden.87

Eine Risikoerhöhung dürfte nach den Ausführungen in den vorausgegangenen Abschnitten insbesondere bei solchen Finanztransaktionen in Betracht kommen, die entweder komplexe Leistungsbeziehungen haben oder die gar keinen Leistungsaustausch zum Gegenstand haben, sondern bei denen die Verschiebung von Risiken unmittelbarer Vertragsgegenstand ist (Derivatetransaktionen). Im Fall der Risikoverschiebung dürfte es insbesondere problematisch sein, wenn durch das übertragene Risiko kein schon vorhandenes, gegenläufiges Risiko ausgeglichen wird, weil die Transaktion in solchen Fällen das Gesamtrisiko im Markt erhöhen kann.88

Die Untersuchung systemgefährdender Ansteckungseffekte und die Ermittlung von deren Auslösern (Marktschocks) sind seit der jüngsten Finanzkrise Gegenstand intensiver Forschung.89 Dasselbe gilt für die spezielle Rolle von Banken und anderen Finanzintermediären als Risikoüberträgern. Die bisherige Forschung hat zur Ermittlung von Faktoren und Methoden geführt, die genutzt werden können, um Ansteckungsverläufe modelltheoretisch nachzubilden.90 Eine grundlegende Annahme ist dabei, dass Ansteckungseffekte vor allem dann auftreten, wenn bei einzelnen Marktteilnehmern große, komplexe oder viele Risiken konzentriert sind oder wenn solche Risiken bei vielen Marktteilnehmern parallel auftreten. Auf Grundlage dieser Annahme dürften Transaktionen mit Finanzinstrumenten mindestens in den folgenden zwei Ausprägungen zur Ausbreitung von Risiken im Sinne einer – unter Umständen systemgefährdenden – Ansteckung beitragen können:

 • Zum einen können Finanzinstrumente dazu beitragen, dass Finanzmarktakteure durch ihre Interaktion so verflochten sind, dass sich besonders große, komplexe oder viele Risiken bei der Gesamtheit dieser Finanzmarktakteure konzentrieren, die sich bei einem oder mehreren Finanzakteuren in einer bestandsgefährdenden Weise realisieren können, was zu einer Systemgefährdung führen kann. Die betreffenden Finanzmarktakteure können in dieser Situation nicht mehr aus dem Markt austreten (Too Connected To Fail – TCTF).

 • Zum anderen können Finanzinstrumente zu ähnlich gelagerten Anlagen genutzt werden, sodass die betroffenen Finanzmarktakteure sich gleichartigen Risiken aussetzen, auch ohne dass sie untereinander verflochten sind. In diesem Fall kann sich eine bestandsgefährdende Realisierung dieser Risiken bei der Gesamtheit der betroffenen Finanzmarktakteure systemgefährdend auswirken. Die Finanzmarktakteure können hier ebenfalls nicht mehr aus dem Markt austreten (Too Many To Fail – TMTF).

In den beiden genannten Situationen kann es für Anleger, die in Finanzinstrumente investiert hatten, oder für deren Kapitalgeber bei einer Realisierung der betreffenden Risiken erforderlich werden, ihre ursprünglichen Annahmen über das Risikoprofil ihrer jeweiligen Finanztransaktionen zu korrigieren. Die Korrektur wird dann gerade deshalb erforderlich, weil die vertraglichen Verbindungen zwischen den Marktteilnehmern Risikokanäle eröffnet hatten, durch welche die betreffenden Risiken externalisiert worden sind oder über die es zu einer Risikoverkettung gekommen ist. Allerdings ist zu beachten, dass Finanzmarktteilnehmer natürlich auch außerhalb von Transaktionen, in deren Rahmen es zu Risikoexternalisierungen oder -verkettungen kommt, entweder in Bezug auf Risiken verflochten oder gleichartigen Risiken ausgesetzt sein können. So können z.B. auch bewusst vertraglich übernommene Risiken zu einer Risikoerhöhung im Markt und zu Ansteckungseffekten beitragen.

Außerdem ist es denkbar, dass Anleger oder deren Kapitalgeber, wenn sie – etwa aufgrund von Informationsasymmetrien – zu einer zutreffenden Risikobeurteilung nicht in der Lage sind, aus bloß wahrgenommenen Korrekturen anderer Finanzmarktteilnehmer ableiten, dass auch sie selbst Korrekturen zur Risikominimierung vornehmen müssen. Die Marktteilnehmer sind dann tatsächlich möglicherweise keinen Risiken ausgesetzt, doch ist dies für sie nicht erkennbar.

Ein Hauptproblem in Bezug auf mögliche Ansteckungseffekte folgt schließlich aus dem Umstand, dass die Effekte entlang der Distributionskette eintreten und die Marktteilnehmer hintereinander reagieren. Dies kann dazu beitragen, dass die Marktteilnehmer lange keine Notwendigkeit sehen, für bestimmte Risiken vorzusorgen. Sie können sogar die Kosten für eine solche Vorsorge bewusst einsparen und hoffen, dass andere Marktteilnehmer oder der Staat im Krisenfall ausreichende Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung treffen werden.

Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente

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