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II. Finanzinstrumente im EU-Recht

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Der Begriff des „Finanzinstruments“ hat erst über das EU-Recht Eingang ins deutsche Recht gefunden. Eine Eingrenzung dessen, was unter „Finanzinstrumenten“ verstanden wird, ist schwierig. Diese Schwierigkeiten rühren daraus, dass es sich um einen Sammelbegriff für viele und verschiedene, aber gleichwohl nicht alle Finanzmarkttitel handelt.94

Die Richtlinie 2014/65/EU über Finanzinstrumente (MiFID II) bezeichnet als „Finanzinstrumente“ übertragbare Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Investmentfondsanteile, Derivate (mit den in der Richtlinie im Einzelnen aufgeführten Merkmalen) und Emissionszertifikate.95 Eine ähnliche Definition von Finanzinstrumenten enthielten auch frühere EU-Rechtsakte.96 Die Entwicklung des Begriffs „Finanzinstrumente“ wurde bereits von anderen Autoren nachgezeichnet.97 Es genügt hier festzuhalten, dass aus regulatorischer Sicht grundsätzlich alle börslich und außerbörslich gehandelten Wertpapiere und Wertrechte (Finanzmarkttitel) als „Finanzinstrumente“ bezeichnet werden können.

Der Begriff umfasst somit insbesondere Eigen- und Fremdkapitalinstrumente, wobei erstere Eigentümerrechte und letztere Forderungen (Zahlungsansprüche) verbriefen. Darüber hinaus erstreckt er sich auf Derivate. Derivate sind, anders als Eigen- und Fremdkapitalinstrumente, nicht auf einen Leistungsaustausch gerichtet („verbrieftes Recht gegen Geld“). Sie haben vielmehr nur Risiken zum Gegenstand. Im Einzelnen handelt es sich bei Derivaten um Verträge, die künstliche, genau gegenläufige Risiken in Bezug auf einen Referenzwert (z.B. einen Rohstoffkurs) schaffen und eine einzige Leistung in Abhängigkeit davon vorsehen, ob sich die Risiken zugunsten der einen oder der anderen Partei realisieren.98 Man unterscheidet zwei Grundtypen je nachdem, ob die Risikostruktur des Derivats symmetrisch (Festgeschäft) oder asymmetrisch (Option) ist.99 Die Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten sowie Derivaten werden in den folgenden Abschnitten detaillierter beschrieben.

Das deutsche Recht kennt seit Erlass des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) gleichfalls „Finanzinstrumente“ (vgl. § 2 Abs. 4 [= Abs. 2b a.F.] WpHG). Der Begriff dürfte innerhalb der hergebrachten Rechtspraxis für die an den Geld- und Kapitalmärkten umlaufenden Instrumente dem dort bisweilen verwendeten Begriff der „Effekten“ entsprechen.100 Die Bezeichnung „Finanzinstrumente“ ist auf das Bestreben des Gesetzgebers zurückzuführen, die EU-rechtlichen Vorgaben unionsrechtskonform umzusetzen.101 Sie ist für das gesamte heutige deutsche Kapitalmarktrecht maßgeblich, das entsprechend den EU-Vorgaben nicht mehr voraussetzt, dass Finanzmarkttitel in einer Urkunde verkörpert sind, sondern auch nicht verkörperte Titel (z.B. Derivate) als Finanzinstrumente erfasst.

Allerdings bevorzugt der deutsche Gesetzgeber traditionell den Begriff des „Wertpapiers“. Dies klingt beispielsweise noch in der Bezeichnung „Wertpapierhandelsgesetz“ nach.102 Wertpapieren ist nach herkömmlichem deutschem Verständnis gemeinsam, dass sie Rechte umlauffähig machen, wobei die Umlauffähigkeit dadurch erreicht wird, dass das Innehaben einer Urkunde (= des Papiers) genügt und erforderlich ist, um die Berechtigung nachzuweisen.103 Finanzinstrumente, welche diese Voraussetzungen nicht erfüllen, sind grundsätzlich keine Wertpapiere. Auch der Begriff des „Wertpapiers“ wird freilich im deutschen Recht seit jeher nicht durchgängig verwendet und hat auch keinen einheitlichen Begriffsinhalt. So taucht er zwar verschiedentlich im Bürgerlichen Gesetzbuch auf.104 Ebenso ist er dem Handelsgesetzbuch bekannt.105 Es handelt sich aber im Wesentlichen nur um einen Sammelbegriff, mit dem das Gesetz auf die Rechtstitel Bezug nimmt, auf welche bestimmte Regelungen z.B. zur Sicherheitenbegebung, Hinterlegung oder zu Haftungsfragen anzuwenden sind. Auch wo das Gesetz inhaltsbestimmende Regelungen zu einzelnen Wertpapieren enthält, werden Wertpapiere in einem bestimmten Regelungszusammenhang und nicht allgemein adressiert.106 Demgegenüber wurden nicht verkörperte Finanzinstrumente lange nicht einmal als Wertpapiere angesehen, sondern als Rechtsgeschäfte behandelt (z.B. Optionsgeschäft, Festgeschäft).107

Das EU-Recht hatte schon vor der Richtlinie 2014/65/EU einen abweichenden Ansatz verfolgt. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Begrifflichkeit in den deutschen Fassungen von EU-Vorschriften zum Teil durchaus an traditionellen wertpapierrechtlichen Begriffen orientiert oder diese übernimmt.108 So nutzen auch einige (ältere) EU-Rechtsakte nicht den Begriff des „Finanzinstruments“, sondern gehen ebenfalls vom Begriff des Wertpapiers bzw. übertragbaren Wertpapiers (transferable security) aus. Beispiele sind die Prospekt- und die Transparenzrichtlinie.109 Der Begriff des übertragbaren Wertpapiers findet sich auch noch als Teilkategorie in der zuvor angesprochenen Richtlinie 2014/65/EU.110 Die engere Begrifflichkeit in den betreffenden Rechtsakten ist freilich dem Sachzusammenhang geschuldet oder hat einen kompetenzrechtlichen Hintergrund. Damit soll also nicht etwa die Übernahme des traditionellen deutsche Wertpapierkonzepts indiziert werden. So bezieht sich der Wertpapierbegriff in Verordnung 1129/2017, ebenso wie schon in der davon zum 21. Juli 2019 abgelösten Prospektrichtlinie 2003/71/EG, auf alle öffentlich angebotenen oder zum Handel an geregelten Märkten zugelassenen Dividendenwerte und Nichtdividendenwerte, bei denen dem EU-Gesetzgeber eine Prospektpflicht geboten erschien, allerdings nicht auf lediglich bilateral gehandelte Derivate.111 Zugleich sollen beide Rechtsakte keine in anderen, spezielleren EU-Rechtsakten getroffenen Regelungen derogieren, weshalb z.B. Fondsanteile nicht als Wertpapiere erfasst sind.112 Die Transparenzrichtlinie baut auf der Definition in der Prospektrichtlinie auf.113

Der in der Richtlinie 2014/65/EU verwendete Begriff des „Finanzinstruments“ ist heutzutage – trotz der fortbestehenden Abweichungen – der Grundbegriff für die Bezeichnung von Finanzmarkttiteln im EU-Kapitalmarktrecht.114 Zwar ist dieser Begriff auf handelbare Instrumente beschränkt, umfasst also z.B. nicht einige Derivate mit exotischen Referenzwerten. Die Aufzählung solcher Instrumente in den gesetzlichen Definitionen sollte aber nicht zu der Annahme verleiten, dass neuartige Instrumente dauerhaft ausgeschlossen bleiben sollen, selbst wenn sie handelbar sind. Die gesetzliche Aufzählung erlaubt es vor allem, Finanzinstrumente von anderen Handelsgütern abzugrenzen, die herkömmlich nicht als Finanzmarkttitel angesehen werden (z.B. Rohstoffen). Der Neuentwicklung von handelbaren Finanzinstrumenten ist in der Vergangenheit immerhin durch die fortlaufende Anpassung des gesetzlichen Begriffsinhalts Rechnung getragen worden.115

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