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2.1.1 Anatomie und Neurophysiologie des Auges

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Der Vorgang der visuellen Wahrnehmung beginnt mit der Verarbeitung von Licht in Form von elektromagnetischen Wellen in einem Spektrum von etwa 400 bis 700 Nanometern (nm). Elektromagnetische Wellen im Bereich kürzerer Wellen (z. B. Gamma-Strahlen, Röntgenstrahlen) oder längerer Wellen (z. B. Infrarot-Strahlen, Mikrowellen) können durch das visuelle System nicht verarbeitet werden und sind deshalb nicht sichtbar. Die elektromagnetischen Wellen im sichtbaren Spektrum gelangen durch den Einfall von Licht zunächst über Hornhaut (Cornea), Pupille und Linse in das Auge. Die rückwärtige Schicht des Auges wird von den Photorezeptoren gebildet, die das einfallende Licht in elektrische Potentiale umwandeln (Fototransduktion). Diese Potentiale werden über die vor den Photorezeptoren angelegten Bipolarzellen und über die Axone (Nervenzellenfortsätze zur Weiterleitung von Nervenimpulsen) der Ganglienzellen und über den Sehnerv zum visuellen Kortex geleitet. Jedoch entsprechen die Signale an dieser Stelle der Weiterleitung nicht mehr den ursprünglichen Informationen des im Auge einfallenden Lichts. Zum einen wird Licht durch Brechung in der Linse seitenverkehrt und kopfüber in das Auge und die Retina projiziert, zum anderen fällt Licht nicht ungehindert auf die Photorezeptoren. Das Licht muss zunächst durch die Schicht von Bipolar- und Ganglienzellen hindurch, bevor es von diesen Rezeptoren aufgenommen werden kann (mit Ausnahme der Fovea, s. u.).

Die Rezeptoren auf der Retina unterteilen sich in zwei Typen, die Zapfen und die Stäbchen. Die Zapfen und Stäbchen unterscheiden sich in ihrer Anzahl und Verteilung auf der Retina sowie ihrer Funktion ( Abb. 2.1). Auf der Netzhaut jeden Auges befinden sich ca. fünf bis sieben Millionen Zapfen und ca. 120 Millionen Stäbchen. Zapfen befinden sich in hoher Konzentration an dem Ort der Netzhaut, auf den durch den Blick fixierte Reize in unserer Umwelt projiziert werden. Dieser Ort ist im Auge gegenüber Hornhaut, Pupille und Linse lokalisiert und wird als Fovea bezeichnet. Durch die hohe Dichte von Zapfen ist die Fovea der Ort mit der höchsten Auflösung und dem schärfsten Sehen. Außerhalb der Fovea kommen Zapfen nur noch in sehr geringer Konzentration vor, stattdessen befinden sich dort Stäbchen. Dieser Rezeptortyp ist relativ gleichmäßig über die Peripherie der Retina verteilt (mit nur leichtem Konzentrationsabfall bei zunehmender Entfernung zur Fovea). Neben der Fovea stellt der Blinde Fleck ebenfalls einen Ort mit einer Besonderheit dar. An diesem Ort werden die Axone der Ganglienzellen aus dem Auge zur Weiterverarbeitung über die Sehnerven zum Kortex geleitet und lassen für Rezeptoren keinen Platz. Deshalb befinden sich im Blinden Fleck weder Zapfen noch Stäbchen, in diesem Bereich der Retina werden daher keine visuellen Informationen aufgenommen.

Eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme von Licht und bei der Fototransduktion spielen die Sehpigmente, das sind eingelagerte Sehfarbstoffe in den Stäbchen und Zapfen. Alle Stäbchen enthalten denselben Sehfarbstoff Rhodopsin. Zapfen lassen sich dagegen in drei Typen unterteilen, deren Sehfarbstoffe unterschiedliche Absorptionsmaxima aufweisen. Das bedeutet, dass sie unterschiedliche maximale Sensitivitäten (Empfindlichkeiten) besitzen und somit unterschiedlich empfindlich auf Licht verschiedener Wellenlängen reagieren: Es gibt Zapfentypen mit maximaler Sensitivität für relativ kurzwelliges Licht (~ 420 nm, vergleichbar mit dem Eindruck von blauem Licht), mittelwelliges Licht (~ 530 nm, vergleichbar mit dem Eindruck von grünem Licht) und langwelliges Licht (~ 560 nm, vergleichbar mit dem Eindruck von rotem Licht). Diese drei Zapfentypen und ihr Zusammenwirken ermöglichen normale Farbsichtigkeit und, bezogen auf den Stadionbesuch in unserem Eingangsbeispiel, eine


Abb. 2.1: Verteilung von Zapfen und Stäbchen auf nasalen, fovealen (0-Punkt auf der x-Achse) und temporalen Anteilen der Retina. Im Blinden Fleck sind keine Zapfen und Stäbchen zu finden (aus Kiesel & Spada, 2017, S. 43, Abb. 2-4).

Informationsquelle, um die Fans der beiden Fußballmannschaften zu unterscheiden.

Zapfen sind im Vergleich zu Stäbchen weniger helligkeitsempfindlich und deshalb besonders für die visuelle Wahrnehmung bei Tageslicht verantwortlich. Daher ist es nicht verwunderlich, dass nachtaktive Tiere nur zu einem sehr geringen Anteil Zapfen besitzen. Im Gegensatz zum Sehen bei Tageslicht vermitteln Stäbchen unsere visuelle Wahrnehmung in der Dämmerung und Dunkelheit, da sie bereits auf geringe Lichtintensitäten reagieren. Da Stäbchen aber keine unterschiedlichen Sehfarbstoffe besitzen, ist Sehen in der Dunkelheit vornehmlich farblos. Die unterschiedlichen Helligkeitssensitivitäten von Zapfen und Stäbchen zeigen auch unterschiedliche Konsequenzen bei Übergängen von hellen zu dunklen Umgebungen sowie Übergängen von dunklen zu hellen Umgebungen. Die erstgenannten Übergänge werden als Dunkeladaptation bezeichnet. Zu Beginn dieser Adaptation gibt es Schwierigkeiten, überhaupt irgendetwas zu erkennen. Nach einigen Minuten verbessert sich das Sehen allerdings deutlich. Untersuchungen zeigen, dass sich Zapfen und Stäbchen dabei in unterschiedlichem Ausmaß und unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Sensitivität anpassen. Die Zapfen adaptieren relativ schnell, aber diese Adaptation geschieht nur in einem geringen Ausmaß. Stäbchen dagegen passen ihre Sensitivität zwar relativ langsam, aber in einem höheren Ausmaß an. Diese unterschiedlichen Adaptationseigenschaften von Zapfen und Stäbchen ermöglichen ein Sehen in der Dunkelheit, das zunächst durch Zapfen dominiert wird und ab dem Zeitpunkt des nach dem Physiologen Arnt Kohlrausch (1884–1969) benannten Kohlrausch-Knicks farbloses Stäbchensehen ist. Die Übergänge von dunklen zu hellen Umgebungen entsprechen Herrn F.’s Austreten aus den Stadiongängen in das Stadion mit seinen grellen Flutlichtern und Werbedisplays. Dieser Übergang geschieht grundsätzlich schneller als die Dunkeladaptation und ist an seinem Ende vom Zapfensehen und somit vom Farbsehen dominiert.

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