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1.1 Beziehung zu anderen Forschungsdisziplinen

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Die grundlegende mentale Funktionsweise, die die Kognitive Psychologie zu ergründen versucht, ist immanent wichtig für das Verständnis von Erlebnis- und Verhaltensweisen, mit denen sich andere, eher anwendungsbezogene psychologische Teildisziplinen beschäftigen. Verständnis über die grundlegende Funktionsweise mentaler Prozesse sollte bestehen, um anwendungsbezogene Probleme und Situationen zu erforschen. Zum Beispiel: Warum treten bestimmte Aufmerksamkeitsstörungen nach bestimmten Hirnverletzungen auf (Neuropsychologie)? Wie werden Denkstörungen charakterisiert (Klinische Psychologie)? Wie verhalten sich Menschen einzeln und in Gruppen (Sozialpsychologie)? Wie unterliegen mentale Prozesse altersbedingten Veränderungen (Entwicklungspsychologie)? Im deutschsprachigen universitären Fächerkanon und seiner Modulstruktur gehört die Beschäftigung mit der grundlegenden kognitiven Funktionsweise mentaler Prozesse zur Lehre und Forschung der Allgemeinen Psychologie (Prinz, Müsseler & Rieger, 2017). Deshalb überrascht es nicht, dass die Allgemeine Psychologie ein relativ großes Lehrgebiet und bereits zu Beginn Gegenstand des Studiums ist.

Die Kognitive Psychologie besitzt allerdings nicht nur innerhalb der psychologischen Teildisziplinen eine herausragende Stellung, sondern sie ist auch für viele Sozialwissenschaften grundlegend und bietet Erkenntnisse, auf denen diese Wissenschaften aufbauen können (Anderson, 2013). In der Pädagogik können in Verbindung mit grundlegenden Erkenntnissen der Kognitiven Psychologie neue Lehrmethoden entwickelt werden, die es ermöglichen, Lehrstoff effizienter zu vermitteln. Die Arbeitsökonomie kann von der Kognitiven Psychologie profitieren, indem komplexe Arbeitsumgebungen mit einem hohen Aufwand an mentaler Informationsverarbeitung effizienter gestaltet werden. Diese Effizienz kann helfen, Fehler im Umgang mit der Umgebung zu vermeiden. Und nicht zuletzt kann die Kognitive Psychologie bezogen auf die Wirtschaftswissenschaften menschliches Entscheidungsverhalten beschreiben und helfen, Abweichungen zwischen menschlichen und rein betriebswirtschaftlichen Entscheidungen zu erklären.

Die Kognitive Psychologie bietet diese Erklärungsansätze in den Sozialwissenschaften allerdings nicht exklusiv und isoliert an, kognitive Prinzipien werden auch von Disziplinen außerhalb der Psychologie vertreten. Ein Zusammenschluss dieser Disziplinen und der damit verbundenen Interdisziplinarität sind die Kognitionswissenschaften: Dazu gehören neben der Psychologie die Computerwissenschaften, die Philosophie, die Neurowissenschaften, die Linguistik und die Anthropologie. Wissenschaftler dieser Disziplinen beziehen sich in ihren Ansätzen auf die kognitive Grundfrage, d. h. auf das Erkennen von mentalen Erlebnis- und Verhaltensprozessen, und wenden diese Grundfrage in ihrem jeweiligen Themengebiet an. Diese interdisziplinäre Basis kann vergleichbare Entwicklungen in unterschiedlichen Disziplinen zur Folge haben. Erstes Beispiel: Es gibt Ansätze, menschliche Kognition im Kontext der Kognitiven Psychologie zu beschreiben und in den Computerwissenschaften mithilfe von Computermodellen zu simulieren und nachzustellen. Dabei werden Modelle programmiert und getestet, die menschliche Prozesse abbilden. Ziel dieser Unternehmungen ist es, den Aufbau und die Struktur menschlicher Kognition zu erklären.

Zweites Beispiel: Auch der Vergleich des Aufbaus von Computersystemen mit der menschlichen Kognition zeigt eine parallele Entwicklung in Teildisziplinen. Dieser Aufbau ist in gewissem Grad der Abstraktion äquivalent und wird deshalb als Computer-Mind-Analogie bezeichnet bezeichnet ( Abb. 1.1). Beide Systeme besitzen Eingabe- und Ausgabeschnittstellen. In Computersystemen kann das beispielsweise die Tastatur beziehungsweise der Monitor sein. Im menschlichen kognitiven System kann es zum Vergleich die visuelleWahrnehmung über die Augen beziehungsweise die manuellen Reaktionen sein. Beide Systeme haben mit der Festplatte und dem Langzeitgedächtnis Komponenten zur langfristigen Abspeicherung von Informationen. Wir werden in Kapitel 3 (selektive Aufmerksamkeit, ( Kap. 3) und Kapitel 5 (kurzfristige Gedächtniskomponenten, Kap. 5) sehen, dass menschliche Kognition keine unbegrenzte Menge von Informationen aufnehmen und verarbeiten kann, sondern dass einige kognitive Komponenten in ihrer Verarbeitungskapazität begrenzt sind. Ähnliche Begrenzungen finden sich auch im Arbeitsspeicher (d. h. RAM) von Computersystemen. Die Entwicklung möglichst großer Arbeitsspeicher ist deshalb oft ein Verkaufsargument für diese Systeme. Im Gegensatz dazu sind potentielle Entwicklungen im Kontext kognitiver Komponenten natürlich kein Kriterium. Wir werden zwar sehen, dass kognitives Training die Begrenzung in der Verarbeitungskapazität teilweise reduzieren kann, die Begrenzung an sich aber grundsätzlich bestehen bleibt und robust ist. Somit kann es neben Parallelen in den Vorstellungen kognitiver Ansätze in verschiedenen Disziplinen (wie den Computerwissenschaften und der Psychologie) auch entscheidende Unterschiede in den Eigenschaften dieser Vorstellungen geben.


Abb. 1.1: Computer-Mind-Analogie: Vereinfachter Aufbau (A) eines Computersystems und (B) eines menschlichen kognitiven Systems

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