Читать книгу Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet - Timo Handel - Страница 14
bb. Keine Telekommunikationsdienste i.S.d. § 3 Nr. 24 TKG
ОглавлениеAls erste Negativabgrenzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG sind Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, vom Begriff des Telemediums ausgenommen. Gemäß § 3 Nr. 24 TKG sind Telekommunikationsdienste in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Davon umfasst sind auch Übertragungsdienste in Rundfunknetzen (§ 3 Nr. 24 TKG a.E.). § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG versagt jedoch nur solchen Telekommunikationsdiensten die Eigenschaft als Telemedien, die „ganz“ in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Hierbei handelt es sich um Dienste, die allein in der Signalübertragung, also dem Transport von Daten, bestehen und darüber hinaus „keine weitere, inhaltliche Komponente“ besitzen.53 Dienste, die lediglich „überwiegend“ in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, können daher zusätzlich zu ihrer Eigenschaft als Telekommunikationsdienst auch Telemedium sein.54 Regelmäßig sollen E-Mail-Provider derartige Dienste sein, wenn „sie nicht nur einen Signaltransport übernehmen“, sondern zusätzlich die Verwaltung (z.B. Lesen, Schreiben, Archivieren) der E-Mails über ein Webportal ermöglichen.55 Als Folge dessen fänden sowohl das TKG als auch TMG Anwendung auf diese Dienste.56
Im Rahmen sozialer Netzwerke können demnach insbesondere deren Chat- bzw. Messenger-, Nachrichten- bzw. Mail- und (Video-)Telefonie-Funktionen den Telekommunikationsdiensten unterfallen, da sie der Datenübermittlung dienen und mit einem E-Mail-Dienst bzw. herkömmlichen Telefonat57 vergleichbar sein könnten.58 Allerdings erscheint es fraglich, ob die genannten Funktionen überhaupt in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze59 bestehen. Bei den aufgezählten Individualkommunikationsdiensten innerhalb sozialer Netzwerke werden von dem Diensteanbieter des sozialen Netzwerks nämlich keine Signale über ein Telekommunikationsnetz von einem zum anderen Dienst übertragen, sondern der Austausch findet allein auf den Servern bzw. in den Datenbanken des sozialen Netzwerks statt und verbleibt damit grundsätzlich innerhalb der Infrastruktur des sozialen Netzwerks, also desselben Dienstes. Gerade die Nachrichten- bzw. Mail-Funktion eines sozialen Netzwerks ist deshalb in ihrer Übertragungsweise mit der herkömmlichen E-Mail nicht vergleichbar. Anderer Auffassung ist jedoch das KG Berlin, das ausführt, dass ein soziales Netzwerk hinsichtlich der Chat- bzw. Messenger-, Nachrichten- bzw. Mail- und (Video-)Telefonie-Funktionen einen Telekommunikationsdienst erbringt, da es sich „die Signalübertragungsleistungen der Telekommunikationsunternehmen zurechnen lassen“ muss.60 Dabei nimmt das Gericht Bezug auf ein Urteil des VG Köln zu dem von Google betriebenen E-Mail-Dienst Gmail, in welchem eine solche Zurechnung der Signalübertragung festgestellt wird.61 Ausweislich der Urteilsgründe bezieht sich die Zurechnung aber auf „die raumübergreifende Signalübertragung zwischen den beteiligten Servern“.62 Mit den „beteiligten Servern“ meint das VG Köln jedoch die beteiligten Mailserver von Gmail und anderen E-Mail-Providern, zwischen denen die gesendeten E-Mails ausgetauscht werden.63
Der EuGH verneint hingegen die Eigenschaft von Gmail als elektronischer Kommunikationsdienst.64 Bei der Nachrichtenübertragung innerhalb eines sozialen Netzwerks liegt darüber hinaus kein Fall des Austauschs zwischen Servern verschiedener Provider vor. Die zwischen den Nutzern eines sozialen Netzwerks ausgetauschten Nachrichten verbleiben grundsätzlich innerhalb des sozialen Netzwerks. Sie verlassen dieses erst, wenn sie durch den Nutzer unter Nutzung eines Network- und Accessproviders über das soziale Netzwerk abgerufen werden, wobei die Übermittlung allein an das jeweilige Endgerät des Nutzers zum Abruf bzw. zur Anzeige im Browser oder einer App erfolgt.
Vorliegend kann die Frage der Anwendbarkeit des TKG auf die Individualkommunikationsdienste sozialer Netzwerke im Ergebnis jedoch offenbleiben, da bereits die übrigen Bestandteile eines sozialen Netzwerks, insb. die Profile, Gruppen und Fan-Seiten das soziale Netzwerk (auch) als Telemedium qualifizieren. Denn mit diesen Funktionen wird deutlich, dass der Dienst des sozialen Netzwerks gerade nicht „ganz“ der Übertragung von Signalen dient. Zudem folgen die hier zu untersuchenden Strafbarkeitsrisiken des Diensteanbieters fast ausschließlich aus den übrigen Funktionen sozialer Netzwerke, die eine Massenkommunikation durch öffentliches Zugänglichmachen von Informationen ermöglichen.