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Glaube und Denken in Balance

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Nun soll aber nichts davon ein Argument für irrationales Denken oder Glauben sein, der allein auf Gefühlen und Impulsen beruht. Nichtrationale Glaubenssprünge, Vorurteile und Traditionalismus, der nichts hinterfragt, sind falsch. Thesen und Behauptungen sollten rational darauf geprüft werden, ob sie in sich schlüssig sind und zu dem passen, was wir über die Realität wissen. Für das, was wir glauben, sollten wir so viele gute Gründe wie möglich haben. Doch Erkenntnis hat immer einen objektiven wie auch einen subjektiven Pol. Die Aufklärung im Gefolge von René Descartes und John Locke weigerte sich, das Subjektive überhaupt als Erkenntnis anzusehen. Im Gegenzug haben Denker des 20. Jahrhunderts wie Jack Derrida und Michel Foucault, die sich bewusst waren, wie Macht die öffentliche Wahrnehmung von Wahrheit prägt, den objektiven Pol völlig abgelehnt. Wenn es nach ihnen ginge, dürfte sich niemand irgendeiner Sache je wirklich sicher sein.

Dagegen überzeugt Michael Polanyi mit dem Ansatz, dass beide Standpunkte (reiner Objektivismus und reiner Subjektivismus) kontraproduktiv und letztlich unmöglich durchzuhalten sind. Die Objektivisten können die vielen Werte nicht erklären, um die sie unweigerlich wissen, auch wenn sie nicht bewiesen werden können. Und die Subjektivisten liefern ihre eigenen Thesen der Bedeutungslosigkeit und Widersprüchlichkeit aus: Woher nehmen sie die Sicherheit, dass niemand das Recht hat, sich in einer Sache sicher zu sein? Polanyis Ziel war, „die Balance unserer kognitiven Kräfte wiederherzustellen“.27 Soziologen haben gezeigt, dass wir zu dem, was wir für wahr erachten, durch ein ganzes Spektrum an Methoden kommen, darunter analytisches Denken, Erfahrung, Empathie (oder „Mentalisieren“) und Intuition.28 Augustinus hatte verstanden, dass Denken und Glaube immer zusammenarbeiten und das Denken immer „unter der Leitung eines vorausgehenden Glaubens“ arbeitet.29

Gläubige Christen setzen genauso ihren Verstand und ihren Glauben ein, um zu ihren Überzeugungen zu kommen, wie ihre säkularen Nachbarn. Jeder sieht die gleiche Wirklichkeit in der Natur und im Leben der Menschen und jeder versucht, sich seinen bestmöglichen Reim darauf zu machen. Dieser Prozess läuft rational wie auch persönlich, intuitiv und sozial ab – der Verstand kann nicht alleine wirken.

Der heutige Säkularismus ist also nicht die Abwesenheit von Glauben, sondern beruht auf einem ganzen Bündel an Glaubensüberzeugungen, darunter einige höchst fragwürdige Annahmen über das Wesen von Beweisen und rationalem Denken.30

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