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11 Antonios Diamanten

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Antonio hantierte gerade mit einem Hummer. Das Wasser auf dem Herd kochte bereits und über dem heißen Wasserdampf fing das Tier in seiner Hand an heftig zu zappeln. Als sein Schwanz mit dem kochenden Wasser in Berührung kam, schlug es wild um sich, in dem vergeblichen Versuch der brodelnden Hölle zu entkommen. Doch der Deckel, der sich über ihm schloss, war erbarmungslos. Carmines Magen verkrampfte sich bei diesem Anblick, aber er hütete sich davor, Antonio zu stören. Er marinierte noch die Fische, und wusch sich anschließend die Hände.

„Was ist das für eine Köchin, die Skrupel hat, einen Hummer zu kochen? Aber was soll ich machen? Sofia liebt sie. Francesca, du kannst jetzt weitermachen!“, rief Antonio nach der Köchin. Mit allem fertig, holte er zwei Gläser und eine Flasche Wein und umarmte Carmine zur Begrüßung.

„Und wir ziehen uns in den Garten zurück“

„Antonio!“ Carmine erwiderte die Geste.

Francesca kam herein und übernahm wieder die Küche. Er und Antonio gingen hinaus und ließen sich auf einer Sitzgruppe, versteckt zwischen dichten Blumensträuchern, nieder.

„Wie ich sehe, hast du sie.“

„Si“ Carmine reichte ihm den Koffer.

„Ich hoffe, du hast dich wenigstens ein bisschen ausruhen können. Viel Zeit dazu hattest du ja nicht, ich weiß.“ Antonio machte eine entschuldigende Geste.

„Claudio hat Vorrang“

„Ich danke dir, mein Freund!“

„Das ist doch selbstverständlich“

„Sind sie vollzählig?“, wandte sich Antonio wieder dem Geschäftlichen zu.

„Si“

Antonio legte den Koffer auf seinen Schoß und öffnete ihn. Er hob vorsichtig das samtene Tuch an und seine müden Augen erstrahlten wie die Steine vor ihm. Er nahm einen davon zwischen die Finger und hielt ihn ins Sonnenlicht. Das gleißende Funkeln des Diamanten zauberte Antonio ein Lächeln auf sein Gesicht.

„Ich gebe euch in gute Hände, ich verspreche es! Nicht in die schmierigen Finger von diesem hochmütigen Egozentriker.“

Er bewunderte die Steine noch ein wenig und entfloh für einen kurzen Augenblick der Trostlosigkeit seines Verlustes. Dann legte er sie wieder zurück in den Koffer und deckte sie behutsam zu.

„Bene!“, sagte er anerkennend. „Es war nicht besonders klug von Lombardo zu versuchen, sie zu stehlen. Ein Mann muss wissen, wann er geschlagen ist! Sein Vater hätte sich niemals auf so ein Niveau herabgelassen. Der Name Di Salvo stand früher für Ehre und Integrität. Lombardo wirft zwar mit diesen Begriffen um sich, weiß aber weniger darüber, als ich übers Ziegenmelken. Er beschmutzt mit seiner Gier das Heiligtum unserer Zunft. Er hat nie verstanden, was es bedeutet, dem Höheren zu dienen. Die Guten, sie gehen immer zu früh. Aber zumindest durfte Pietro vor seinem Sohn von dieser Welt gehen.“

Antonio füllte die Weingläser und reichte eines Carmine. Seine Hand zitterte und seine Augen füllten sich mit Tränen, doch er hielt sein Glas hoch erhoben.

„Salute!“

Carmine stieß mit ihm an und wartete, bis Antonio bereit war, den Bericht zu hören. Antonio nahm ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und wischte sich die Augenwinkel ab. Als er das Taschentuch wieder eingesteckt hatte, war der emotionale Moment vorüber und Antonio sprach wieder mit gewohnt fester Stimme.

„Was hast du bis jetzt?“

„Nichts, was über das Offensichtliche hinaus geht.“

„Und was denkst du?“

„Bislang deutet alles darauf hin, dass er Stefano nach dem Rauswurf noch gesehen hat. Und es ist ja nicht so, als ob Claudio sich unter Kontrolle gehabt hat, wenn er einen über den Durst getrunken hat.“

„Erzähl mir etwas was, was ich nicht weiß!“, herrschte Antonio ihn an. Er wurde ungeduldig. Carmine merke, dass Antonio etwas hören wollte, auf das er aufbauen konnte.

„Ich höre mich morgen weiter um. Mal sehen, was ich noch finde. Vielleicht hilft uns einer ihrer alten Freunde weiter. Danach wissen wir mehr. Hat sich Stefano mittlerweile gemeldet?“

„No, er hält sich bedeckt.“

„Kann ich mit ihm reden?“

„Heize die Situation nicht noch mehr an! Aus diesem Grund habe ich dich nicht geholt. Wenn es an der Zeit ist, werde ich mit Mario von Vater zu Vater reden.“

„Natürlich. Verzeih mir, Antonio!“

Carmine verbeugte sich als Geste der Entschuldigung. Er war erstaunt, dass Antonio in Bezug auf seinen Geschäftspartner empfindlicher reagierte als auf seinen eigenen Sohn.

„Halte mich auf dem Laufenden!“, war der ausdrückliche Befehl.

„Das werde ich!“

Antonio war fürs Erste besänftigt, obwohl unzufrieden. Er goss sich ein weiteres Glas ein.

„Du bleibst doch noch zum Essen, oder?“, fragte Antonio flüchtig. Carmine wusste, was von ihm erwartet wurde.

„Grazie, aber ich muss noch ins Präsidium.“

Im Auto löste sich seine Anspannung kaum. Carmine wusste, dass dem Kardinale der Stand seiner Ermittlungen unmittelbar zugetragen wurde. Die Informationssperre galt nicht für den Kardinale. Die Presse war ausgeschaltet worden, und so hatte man ihm den Freiraum geschaffen, das zu tun, was notwendig war. Es gehörte schließlich zu seinen Aufgaben, unangenehme Situationen zu bereinigen und für Antonios reines Gewissen zu sorgen. Die Interessen in dieser Angelegenheit gingen weit über einen Zwist zweier Familien hinaus. Nach außen hin würde es so aussehen, als wäre das Möglichste getan worden. Bedauerliche Unfälle und Missverständnisse kamen eben vor.

Aber irgendwie glaubte Carmine nicht daran, dass Lombardo hier seine Finger im Spiel hatte. Selbst Lombardo würde sich davor hüten, Antonios Familie anzugreifen. Dafür hatte er dann doch zu viel Ehrfurcht vor dem Vatikan.

Carmine rekapitulierte die Vernehmung im Bordell. Dieser Ispettore Sperati hatte nicht sonderlich viele Fragen gestellt. Da hätte er selbst noch einen glaubwürdigeren Polizeibeamten abgegeben. Allerdings waren die Aussagen der Angestellten weder besonders informativ noch einfallsreich gewesen. Rangeleien mit Rausschmeißern waren für Claudio nichts Ungewöhnliches. Da war nichts dahinter. Stellte sich nun die Frage, warum Stefano glaubte, sich vor Antonio in Sicherheit bringen zu müssen. Ihr Streit hatte ohne Zweifel etwas mit Claudios späterer Prügelei zu tun. Aber worum war es in diesem Streit gegangen? Als sie im Bordell angekommen waren, war scheinbar noch alles in Ordnung zwischen den beiden gewesen. Was war vorgefallen, dass es so eskaliert ist? Claudio war kein Freund von Geduld oder Diplomatie gewesen. Und er hatte die lästige Angewohnheit, seinen Willen zu den unpassendsten Momenten durchsetzen zu wollen.

Dann fiel Carmine die Frau vor dem Tor ein. Er dachte an die geheimnisvolle Besucherin. War sie es gewesen? Sie machte ihn neugierig. Carmine versuchte sich vorzustellen, wie sie wohl war, wonach sie suchte. Oppia hegte, wie es schien, eine starke Sympathie für sie. Was verheimlichte sie ihm, außer ihrer Identität?

Er musste sich von dem Besuch im Bordell zurückarbeiten und herausfinden, ob früher an diesem Abend etwas vorgefallen war, was ihm weiterhalf. Er fuhr zum Revier, um sich Claudios Leiche und die Sachen anzusehen, die er bei sich hatte. Vorausgesetzt, Sperati hatte nicht alles durcheinander gebracht.

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