Читать книгу Vestalia - Tina Bajza - Страница 7
5 Mondschein
ОглавлениеVestalia konnte sich gerade noch an der Wand festhalten, bevor sie mit dem Liegestuhl umkippte. Sie stieß gegen den Gartentisch. Das kippte um und zerbrach am Teller. Ihr Herz raste. Sie brauchte einige Minuten, bis sie zu sich kam und begriff, dass sie eingeschlafen war. Sie versuchte sich daran zu erinnern, was sie geträumt hatte, aber es wollte ihr nicht einfallen. Es wehte eine leichte Brise und das Atmen fiel leichter. Die schwüle Hitze hatte nachgelassen. Vestalia sah zum Himmel hinauf, wo die Sterne verspielt flackerten. Die Sterne, sie flackerten – die Beobachtung schien ihr aus einem unerklärlichen Grund bedeutsam. Ein beklemmendes Gefühl beschlich sie. Sofort schüttelte sie es wieder ab und machte sich daran, die Glasscherben aufzusammeln. Sie brachte das schmutzige Geschirr in die Küche. Als sie zum Fenster hinaussah, war es nun der Mond, der ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Wärme wich aus ihren Wangen und Todesangst ergriff sie plötzlich. Sie konnte den Blick nicht abwenden. Der Schein des Mondes färbte sich rot und breitete sich über den ganzen Himmel aus, bis alle Sterne verschwunden waren.
„Bringe mir die Sünder!“ Vestalia erschrak, als sie es sich selbst laut sagen hörte.
Das reicht! Sie musste unter Menschen, wo sie sich von ihren trüben Gedanken ablenken konnte. Es sind doch nur ein paar Tage - versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Den Termin mit Signora Luci würde sie wie gewohnt abwickeln, und dann konnte sie auch wieder weg von hier. Sie sprang auf und lief hoch ins Schlafzimmer. Innerhalb von zehn Minuten war sie angezogen und geschminkt.
Im Auto kurbelte Vestalia an beiden Seiten die Fenster herunter. Während sie durch die belebten Straßen von Rom fuhr, strömte die Luft in den Wagen und wirbelte um sie herum. Sie hielt Ausschau nach einer anregenden Atmosphäre. Schließlich parkte sie vor einem Lokal, aus dem Jazz-Musik zu hören war und einen Außenbereich hatte. Mit jedem Takt wurden ihre Schritte leichter. Sie setzte sich an die Bar nahe der Band und bestellte sich einen roten Hauswein. Es war recht voll. Liebespärchen flüsterten sich Zärtlichkeiten ins Ohr, andere amüsierten sich einfach und tanzten zwischen den Tischen. Über ihnen hingen Lichterketten und bunte Lampions. Vestalia ließ sich von der ausgelassenen Stimmung anstecken.
Nachdem geraume Zeit vergangen war und sie immer noch alleine an der Bar saß, wurde insbesondere ein Verehrer auf sie aufmerksam. Seine Blicke schweiften immer häufiger zu ihr hinüber. Dann war es soweit und der Barmann wurde geschickt, der ihr einen weiteren Glas Wein brachte. Sie lehnte ab, ohne auch nur hinzusehen, von wem die Einladung war. Was nun folgte, war der direkte Angriff. Man wollte sehen, was das Mädchen außer Kopfschütteln noch so drauf hatte.
Angespornt von seinem Freund Stefano, wagte sich Claudio vor. Gleich einem Boxer, der wagemutig in den Ring steigt, schritt er selbstbewusst voran. Breitbeinig, mit geschwollener Brust und siegessicherem Lächeln wollte er die widerspenstige Herzensdame erobern. Das lässige Augenzwinkern ließ er diesmal weg. Davon ausgehend, dass sie sein Vorrücken bemerkt hatte, ließ er sich auf den freien Barhocker neben ihr nieder. Sie aber ignorierte ihn weiterhin. Unschlüssig harrte er einige Minuten schweigend neben ihr aus und sah ebenfalls der Band zu. Schließlich entschloss er sich, ihren Namen in Erfahrung zu bringen. Wenn er ein Gespräch mit ihr anfangen wollte, wäre es doch sicherlich von Vorteil. Er winkte den Barmann herbei und steckte ihm einen Schein zu.
„Natürlich hat sie mir ihren Namen gesagt. Ob sie ihn dir auch sagt, wage ich zu bezweifeln.“, entgegnete Giuseppe hämisch und ging wieder an seine Getränke.
Claudio fluchte leise. Es musste also doch ohne Namen auskommen.
„Ciao!“
Keine Reaktion. Claudio ließ sich nicht verunsichern, er war ja nicht ganz unbewaffnet gekommen. Er lehnte sich vor und wisperte ihr ins Ohr, während er hinter seinem Rücken die ultimative romantische Geste hervorzog.
„Eine so wunderschöne Rose darf den Abend nicht alleine verbringen. Wer auch immer das zulässt, ist ein absoluter Narr.“
Endlich drehte sie sich zu ihm um. Sie lächelte.
„Was für eine bezaubernde Rose“, entgegnete sie.
Das verlieh ihm Zuversicht. Claudio legte seinen Arm um ihre Taille wie ein zärtlicher Liebhaber.
„Keine geringere Blume wäre dir gerecht“
„Du magst wohl Rosen“, hauchte sie.
„Es gibt nichts Anbetungswürdigeres, als den Duft und die zarte Berührung einer solch betörenden Schönheit.“
Er streichelte mit der Rosenblüte sanft über ihren Hals. Sie sah ihm tief in die Augen, sah auf seine Lippen. Claudio ergriff eine leise Erregung, die sich gefährlich schnell zu steigern drohte. Er konnte die Hitze spüren, die von ihrem Körper ausging.
„Du vergisst aber, dass Rosen Dornen haben – tödliche Dornen!“, flüsterte sie. „Ich rate dir dringend, dich heute Nacht von ihnen fernzuhalten!“
Erschrocken wich Claudio zurück. Er war sich nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte. Es hatte wie eine ernsthafte Warnung geklungen.
„Was soll das bedeuten? Von wem fernhalten?", wollte er wissen, aber Giuseppe, voller Schadenfreude grinsend, ging dazwischen.
„Lass es gut sein, Claudio! Die Signorina hat sich unmissverständlich ausgedrückt.“
„No, ich…“
Claudio brachte kein weiteres Wort heraus, als er ihren finsteren Blick sah. Er griff nach seiner Jacke und stürmte aus der Bar. Stefano kam lachend hinter ihm hergerannt.