Читать книгу Vergangen - Tina Voß - Страница 16
11. Ein Mann, nachts
ОглавлениеMit federnden Schritten ging er über den Flur des edlen Hotels zu seinem Zimmer. Der tiefe Teppich schluckte jedes Geräusch. Er ging wie auf Wolken. Die schwarze Sporttasche hatte er sich über die Schulter geworfen und ließ sie am Mittelfinger baumeln. Selbst die plumpe Frau an der Rezeption hatte ihm mit ihrer umständlichen Art, ihren aufgeklebten Nägeln und ihrer Fistelstimme nicht die Laune verderben können.
„Entschuldigung, Herr Dahmer, könnten Sie bitte noch mal zurückkommen?“, hatte sie hinter ihm hergerufen.
Ihre Stimmlage hatte ihn zwar zusammenzucken lassen, aber er grinste auch in sich hinein, als sie seinen Decknamen sagte.
„Was gibt es denn?“, fragte er ungehalten.
Er wollte auf sein Zimmer. Stundenlang duschen und in Erinnerung an die letzten Stunden schwelgen. Danach war er immer in Hochstimmung. Immer. Es fühlte sich an, als würden elektrisch geladene Teilchen seine Blutbahnen und seinen Körper vor Energie vibrieren lassen. Wie sie ihn angeschaut hatte! Wie sie um Gnade gebettelt hatte. Diese Weiber waren so dumm. Hatte ein echter Killer jemals auf das Gestammel gehört und gesagt: „Ach so. Sie wollen gar nicht aufgeschlitzt werden? Das ist ja doof. Dann packe ich wieder zusammen und gehe besser.“
Er kicherte bei der Vorstellung.
„Ich habe Ihnen leider den falschen Schlüssel gegeben. Das Zimmer ist belegt, weil eine Dame mit Hund versehentlich ein Raucherzimmer bekommen hatte und umziehen musste“, riss die Rezeptionistin ihn aus seinen Gedanken.
Er zog die Augenbrauchen hoch. Sah er aus, als würde ihn so ein Scheiß interessieren? Was war das überhaupt für eine Bude, die dieses bellende Ungeziefer auf den Zimmern zuließ? Reichte es nicht schon, dass er sich den Raum vermutlich mit Bettwanzen und Milben aller Art teilen musste? Selbst in diesen überteuerten, voll durchgestylten Hotels wimmelte es doch davon. Aber einen harten Hund wie ihn, der es gewohnt war, bei der Bundeswehr zur Not auch im Stehen zu schlafen, kratzte das nicht. Wieso bloß stellten die solche Untermenschen ein? Da wäre ihm sogar das Messer für zu schade. Nicht auszudenken, wenn sie mit dieser schrecklichen Micky-Maus-Stimme um Gnade winseln würde. Aus großer Entfernung abknallen. Das ginge.
Sie beobachtete ihn mit einem auffordernden Lächeln. Er schauderte und riss sich zusammen. Mit einem Wolfslächeln schob er die Schlüsselkarte über den Tresen. „Kein Problem.“
Schließlich sollte sich niemand an einen unfreundlichen Kerl erinnern. Für solche Fehler war er zu clever.
Er verglich die Zimmernummer mit der auf der kleinen Papphülle der Karte. Hatte die dusselige Kuh ihm jetzt doch das falsche Zimmer gegeben? Die Nummer hatte er doch eben schon gehabt. Oder nicht? Mist. Er hatte nicht richtig darauf geachtet. Es polterte. Genervt verdrehte er die Augen. Also doch wieder falsch. Sicherheitshalber klopfte er. Wieder polterte es.
„Hallo? Ist da jemand?“
Leises Gemurmel drang an sein Ohr. Kam das aus dem Zimmer? Er stellte die Tasche ab und hielt die Karte vor das elektronische Schloss. Die Signallampe wechselte von rot auf grün. Er gab der Tür einen schwungvollen Stoß. Falls jemand dahinter stand, würde er sie hoffentlich direkt an den Schädel bekommen.