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7. Günther Bögershausen

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Seufzend ließ sich Günther Bögershausen auf die Rückbank des Taxis fallen und nannte dem Fahrer seine Adresse. Was für ein Tag! Er fuhr sich mit seinem gebügelten Taschentuch über das schweißnasse Gesicht. Hoffentlich tauchte dieser Aktenkoffer bald wieder auf. Das Telefonat mit der Alten war mehr als unerfreulich. Er hatte die ganze Zeit ein sehr ungutes Gefühl und erzählte ihr nur das Nötigste. Aber das reichte, dass sie total ausflippte und ihm riet, dieses Problem dringend aus der Welt zu schaffen. Wie stellte die sich das vor? Er konnte den dämlichen Koffer auch nicht wieder herbeizaubern. Er ließ das Ding nie auch nur eine Sekunde aus den Augen. Aber beim Unterschreiben des Kreditkartenbeleges hatte ihn jemand angerempelt und eine Sekunde später war der Koffer weg. Er hatte im ganzen Terminal niemanden wegrennen sehen und hoffte immer noch auf eine Verwechslung.

Morgen musste er seine Sekretärin bitten, ihm die heutigen Sitzungsprotokolle vorab zu schicken. Den Termin mit der Ministerin konnte er ohne die Mitschrift auf keinen Fall vorbereiten. Den ganzen Tag spukte diese Geschichte durch seinen Kopf, und er versuchte, sein Telefon allein durch Willenskraft zum Klingeln zu bringen.

„Na, Meister, schlechten Tach gehabt?“ Der Taxifahrer musterte ihn im Rückspiegel.

„Mehr als das …“, murmelte Bögershausen vor sich hin und schaute aus dem Seitenfenster.

„Wird schon, wird schon …“, tröstete ihn der Mann.

Bögershausen kontrollierte zum x-ten Mal sein iPhone. Wieso meldeten sich die Flughafenbullen nicht? Er verfluchte sein schlechtes Gedächtnis und dass er deswegen schon seit Jahren den dämlichsten Code der Welt für seine Geräte benutzte. Ein einziges Mal hatte er eine andere Zahlenfolge für seinen Notebookzugang gewählt. Die IT-Abteilung im Ministerium lachte heute noch über ihn, als er ihn schon am Tag darauf vergessen hatte. Vielleicht war aber auch der simple Code seine Rettung, weil niemand auf das Naheliegendste kam?

Mit einem großzügigen Trinkgeld bezahlte Bögershausen den Fahrer und ging zu seiner Stadtvilla.

Er schmiss den Schlüssel auf das Sideboard im Flur und nahm die noch in der Duty-free-Tüte verpackte Whiskyflasche mit ins Wohnzimmer. Ein erstaunlich günstiger alter Single-Malt-Whisky aus Schottland. Der konnte nun wirklich nichts dafür, dass beim Bezahlen der Koffer verschwunden war. Bögershausen ließ sich in seinen Lesesessel fallen. Er öffnete die Flasche, schenkte sich großzügig in ein Whiskyglas ein und leerte es in einem Zug. Der rauchige Geschmack mit Sherry-Note fraß sich durch seine Mundschleimhaut und floss die Kehle hinunter, bis sein Magen in Flammen stand. Mit geschlossenen Augen genoss er das Gefühl.

Nach dem dritten Glas breitete sich die Wärme überall im Körper aus. Er wurde ruhiger und dachte mit einem wohligen Schauer an Kiew zurück. Die kleine Kratzbürste hatte sich gewehrt und um sich geschlagen. Erst mit Kabelbindern konnte er sie bändigen. Diese weiße, glatte Haut. Sie sah aus wie eine Puppe mit ihren kleinen Brüsten und den wenigen Schamhaaren. Sie war sich ihrer Wirkung noch gar nicht bewusst. Ihre Pubertät hatte gerade erst begonnen. Zum Glück geschah das bei diesen jungen Dingern immer früher. So liebte er die Mädchen, nicht diese aufgetakelten Frauen über zwanzig mit ihren leeren Versprechungen. Er wollte die Angst vor dem ersten Mal in ihren Augen sehen, wollte sich an ihrer Unwissenheit und ihrem Schmerz berauschen, und zwar so, dass sie ihn nie vergaßen. Ihm war vom ersten Moment an klar gewesen, dass er sie haben musste.

„Wie viel?“, hatte er Andrej gefragt, der ihn mit wissendem Blick musterte, als sie in dessen Büro standen und das Mädchen im Garten beobachteten.

„Günther, lass sein. Zu teuer, zu viel Gefahr.“ Andrej schüttelte den Kopf. Bögershausen kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er nur den Preis hochtreiben wollte. Die Mädchen waren Andrej egal.

„Wie viel?“, wiederholte Bögershausen. Seine Hände wurden feucht. Es kribbelte zwischen seinen Beinen.

„Doppelte von sonst“, sagte Andrej mit seinem harten Akzent und lächelte ihn an. „Und nur in Mund oder Hintern. Sie muss Jungfrau bleiben, sonst gibt es eine Menge Ärger.“

Danach hatte er das Mädchen in ein Hotel bringen lassen, in dem Bögershausen die ganze Etage für sich allein hatte.

Die Erinnerung ließ ihn sofort hart werden. Natürlich war sie keine Jungfrau geblieben. Er fingerte nach seinem Smartphone und betrachtete die Bilder, die zeigten, wie er sie in jede Öffnung vögelte. Zum Glück waren nicht alle verloren, nur die privaten Kopien auf dem iPad. Er hatte immer auch ein paar in seinem geheimen privaten Telefon. Manchmal zogen sich die Sitzungen im Ministerium endlos hin, und dann verschwand er mit den Bildern auf dem Klo. Er zog den Reißverschluss runter, griff sich in die Unterhose und massierte sein Glied. Immer schneller bewegte er seine Hand und blätterte hastig durch die Fotos.

Eine Fanfare ertönte. Bögershausen zog keuchend die Hand aus der Hose. Sein Kopf zuckte von rechts nach links. Wo kam das her? Verständnislos starrte er auf sein Telefon. Statt der Bilder stand da nun „Anonym“. Die Fanfare war sein Klingelton für unbekannte Anrufer! Er hasste unterdrückte Rufnummern. Verdammter Mist! Beinahe hätte er einen Herzinfarkt bekommen. Welcher Idiot rief denn jetzt an? Er drückte das Gespräch weg und schmiss das Telefon auf den Beistelltisch, wo es klirrend vom leeren Glas gestoppt wurde. Die Fanfare startete erneut. Das Telefon vibrierte und rutschte der Kante des Tisches immer näher. Bögershausen fing es in letzter Sekunde auf und nahm das Gespräch an.

„Ja?“ Er stopfte seinen geschrumpften Penis mit der anderen Hand in die Hose zurück.

„Guten Tag. Spreche ich mit Günther Bögershausen?“ Die Frauenstimme klang routiniert freundlich. Wenn die ihm jetzt die Platincard einer Kreditkartenfirma andrehen wollte, würde er sie in Grund und Boden schreien.

„Wer will das wissen?“

„Mein Name ist Liv Mika. Ich würde Sie gerne in einer höchst privaten Angelegenheit sprechen.“

„Danke, ich kaufe nichts.“ Er legte auf.

Sofort klingelte das Telefon wieder. So langsam ging ihm das richtig auf die Nerven.

„Sind Sie schwer von Begriff, oder was?“, blaffte er in das Telefon.

„Nein, aber Sie anscheinend. Hören Sie mir zwei Minuten zu, bevor Sie wieder auflegen.“

„Ich entscheide, wann ich auflege, und nicht so eine hirnlose Callcenter-Schlampe.“ Hach! Das tat gut.

„Bitte was?“ Die Stimme am anderen Ende nahm sofort einen eisigen Tonfall an.

„Ach? Kaum reagiert man nicht so auf eure Angebote, ist auch gleich die Freundlichkeit weg?“

„Herr Bögershausen, ich habe keine Ahnung, was Sie denken, wer Sie anruft. Aber verkaufen will ich Ihnen ganz sicher nichts.“

„Ach? Soll ich spenden? Für welchen Verein sammeln Sie denn dieses Mal?“

„Für junge Mädchen in der Ukraine. Ich hörte, dass Sie daran ein besonderes Interesse haben.“

Liv betete, dass ihr Schuss ins Schwarze traf. Der Haarkranz des Mädchens hatte sie darauf gebracht. Den trug sonst nur die ukrainische Politikerin Tymoschenko.

„Für … für was, bitte?“ Es wurde still in der Leitung. „Wer sind Sie, und was wollen Sie?“ Bögershausen hielt die Luft an.

„Es geht doch. Treffen wir uns. Dann erzähle ich Ihnen alles Weitere.“

„Warum sollte mich das interessieren?“

„Sie sind sehr fotogen … wenn man auf so was steht.“

„Sie wollen mich erpressen? Sind Sie wahnsinnig? Sie haben keine Ahnung, mit wem Sie sich hier anlegen.“

„Im Moment möchte ich nur mit Ihnen reden. Können wir uns nun treffen oder nicht?“

Bögershausen überlegte und wog die Möglichkeiten ab. Wo konnte er die Frau treffen, und was wollte sie? In einem Café? In einem Hotel? Hatte sie seinen Koffer geklaut? Vielleicht war sie seine Chance, dass er schnell aus der Sache wieder herauskam.

„Kommen Sie alleine?“

„Ja.“

„Dann treffen wir uns bei mir.“

„Gerne.“

„Nehmen Sie sich ein Taxi. Ich kann Sie vom Fenster aus sehen. Ist jemand bei Ihnen, ist unser Gespräch sofort geplatzt.“ Er nannte ihr noch Adresse und Uhrzeit und legte auf. Vorher musste er ein paar Vorbereitungen treffen. Sein Blick blieb an der Whiskyflasche hängen. Auf den Schreck konnte er noch ein Glas vertragen und schenkte sich großzügig wieder ein.

Bögershausen stellte sich mit dem Glas ans Fenster und blickte in den Garten. Er hatte immer geahnt, dass es nicht klug war, Job und seine Vorliebe für junge Mädchen zu vermischen. Die Alte war an allem schuld. Sie hatte ihn in diese Situation gebracht. Natürlich war die Ministerin begeistert, als sich die Chance bot, über eine private Initiative die länderübergreifende Hilfe in der Ukraine zu begleiten. Warum hatte die Alte sich bei der Ministerin für ihn so stark gemacht? Die Frage wagte er nicht zu stellen. Er stellte sein Glas ab. Es klingelte. Verdammt! Er hätte wissen müssen, dass die Anruferin sich nicht an die Vereinbarung halten würde. Weibern über achtzehn war einfach nicht zu trauen.

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