Читать книгу Es sind doch nur drei Wochen - Tom Sailor - Страница 14

Ein neues Zuhause

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Kurz nach neun Uhr am Vormittag erreicht Erik das Camp. Er ist froh, dass er nicht zu den allerersten Kollegen gehörte, die ganz am Anfang erst einmal überhaupt ein Camp errichten mussten. An diesem Fleck war nichts außer einer trockenen, staubigen Wüste. O. K., Es läuft hier der Kanal vorbei, der auf jeder Seite einen etwa 5 Meter breiten Saum aus Büschen besitzt und so die Wüste mit einem lebendigen grünen Band durchschneidet. Die nächste Ansiedlung ist ein kleines Dorf mit Namen Anta und das liegt einige Kilometer entfernt. Die ersten Mitarbeiter waren jeden Tag gezwungen, die zwei Stunden von Kota zur Baustelle fahren, den Bau des Camps zu überwachen, und abends wieder 2 Stunden zurück zu fahren. Es musste alles aus dem Boden gestampft werden. Nun gibt es einen eigenen Brunnen, etwa 20 Häuser im Bungalowstil, einen Notstromdiesel, eine Kantine und einen Zaun um das Camp. Es hat nur 3 Monate gedauert, bis eine minimale Infrastruktur vorhanden war, so dass weitere Spezialisten nachreisen konnten, um mit dem eigentlichen Bau des Kraftwerkes zu beginnen. Vor drei Jahren gab es hier nur den nackten Wüstenboden. Alles, was Erik nun hier sehen kann, musste erst von weit her angeliefert werden. Es gab weder Wasser noch Strom und kein einziges Haus. In den letzten Jahren hat sich vieles eingespielt. Der Eingang wird von einem Inder bewacht, der in einem leicht windschiefen Holzverschlag steht, der nur entfernt an den Unterstand einer Wache erinnert. Die Fahrzeuge halten genau vor dem schiefen Wachhäuschen und der Wachmann grüßt mit der Hand am Kopf. Kaum haben die Fahrzeuge gehalten, kommt ein stattlicher Europäer aus dem Haus neben dem Eingangstor. Er ist etwa 50 Jahre alt und trägt eine Baskenmütze. Später erfährt Erik, dass diese Mütze die fehlenden Haare in der Mitte verdecken sollen und so gut wie nie abgenommen wird. Dafür sind die Büschel rechts und links neben der Mütze viel zu lang und auch sein Bart erscheint etwas wild. Mit seinen 1,90 m, dem dicken Bierbauch und seinem Bart gibt er ein stattliches, imposantes Mannsbild ab. Strahlend empfängt er Erik.

»Na endlich, wir haben hier schon drei Tage auf dem Trockenen gesessen!«, ruft er Erik mit seiner tiefen rauen Stimme zu.

Erik schaut ihn fragend an. Doch der Kollege reagiert nicht auf Erik, sondern pfeift einmal kurz, woraufhin vier junge Inder fast rennend erscheinen und sich sofort um die Kisten und das Gepäck kümmern. Es sind vor allem die Kisten, die Erik noch zusätzlich aus dem Büro in Delhi erhalten hat, die nun in einen Raum neben dem Eingangstor getragen werden. Erik folgt dem Kollegen und schaut ihm über die Schultern, als der sofort die erste Kiste öffnet. Jede der Kisten ist vollgepackt mit Bier und Weinflaschen. Mit einigen kurzen Gesten weist der Kollege mit der Baskenmütze die jungen Inder an, einige der Flaschen in die umstehenden Kühlschränke zu packen. Erst jetzt dreht er sich zu Erik um.

»Ich bin Wilfried!«, sagt er zufrieden lächelnd und streckt seine Hand aus. »Ich höre aber besser auf Willy!«, erläutert er seinen Spitznamen. Erik reicht ihm die Hand und sagt: »Hallo Willy, ich bin Erik.« Gleichzeitig hat er den Eindruck, als ob Wilfried ihm die Hand zerquetschen will. Es stellt sich heraus, dass Wilfried neben seinem Job im Kraftwerk als Lagerist auch der Campverwalter ist.

»Wie es aussieht, gab es keine Probleme mit dem Transport?«, stellt Wilfried fest.

»Nein, es sind ja immer genug Träger da«, erwidert Erik.

»Ja ja, schon klar, das meine ich auch nicht. Jeder Bundesstaat in Indien hat andere Gesetze hinsichtlich des Alkoholkonsums!«, erläutert Willy und nimmt eine Weinflasche in die Hand. Er zeigt Erik das Etikett auf dem deutlich lesbar steht »Only for sell and consumption in Delhi district«.

»Na prima,« denkt Erik etwas irritiert, »habe ich mich also auch noch als Schmuggler verdingt.« So langsam wird ihm klar, dass die Reise auch anders hätte verlaufen können. Wenn er in einer Kontrolle festgenommen worden wäre, hätte es sicher ewig gedauert, bis man ihn gefunden hätte. Die Zeit im Knast wäre vielleicht noch irgendwie zu überwinden gewesen, aber er hätte dort womöglich etwas essen und trinken müssen, was ihm mit Sicherheit nicht bekommen wäre. Erleichtert stellt Erik fest, dass es ja gut gegangen ist. Erst nachdem Wilfried die Flaschen in den Kühlschrank gestellt hat, wendet er sich an einen der Boys und zeigt auf die Kühltaschen.

»Bring to kitchen!«

»Und was habe ich da mitgeschleppt?«, hakt Erik nach.

»Das ist Fleisch.«, erwidert Wilfried. »Wir haben einen Schlachter in Delhi, der untersucht das Fleisch nach dem Schlachten, so dass wir einigermaßen vor Trichinen und so sicher sind. Hier in der Gegend gibt es keinen Schlachter, von dem ich was kaufen würde.«

»Was brauchst Du an Personal?«, fragt er Erik.

»Was gibt es denn für Personal?« erwidert Erik.

»Üblich ist ein Hausboy zum Putzen.«, erklärt Wilfried.

»O. K., ich denke ein Hausboy für die Reinigung wäre brauchbar.«, erwidert Erik.

»Nun gut, ich werde mal sehen, wen wir da noch haben.«, erwidert Wilfried und dreht sich wieder zu den Kisten mit den Alkoholvorräten.

»Wo werde ich denn hier übernachten?«, fragt Erik nach.

Wilfried stutzt etwas, wobei erkennbar wird, dass er vergessen hatte, Erik entsprechend einzuweisen und kommandiert schließlich einen der Boys ab, mit Erik zu seinem neuen Haus zu gehen, wobei dieser dann Eriks Koffer mit den Rollen hinter sich her zieht. Mit einem Auto kann man nicht in das Camp fahren. Es sind nur Fußwege mit Betonplatten angelegt, so dass das Surren der Räder von Eriks Koffer durch ein rhythmisches Klackern unterbrochen wird, wenn die Rollen wieder eine Ritze queren müssen. Eriks Haus liegt ganz am Ende und trägt die Hausnummer 1. Gespannt öffnet Erik die Tür und ist gleichzeitig erleichtert, dass er es endlich geschafft hat. Er ist an seinem Ziel angekommen. Es ist allerdings recht dunkel im Haus, da alle Vorhänge zugezogen sind. Als Erik die Vorhänge aufzieht, dauert es kurz, bis sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt haben. Alle Fenster sind mit Insektennetzen abgespannt. Trotzdem sind die Fenster äußerst staubig, so dass kein klarer Blick möglich ist.

»Das wird wohl der erste Job für meinen Putzboy!«, beschließt Erik bei dem recht trüben Ausblick. Die Einrichtung ist äußerst spärlich, aber brauchbar. Die Wände haben keine Tapeten und sind stattdessen mit einer hellgelben Farbe direkt auf den Putz gestrichen. Für die Gebäude war eine indische Baugesellschaft zuständig. Um Kosten zu sparen, wurden die Möbel in einer lokalen Tischlerei mit der Hand hergestellt. Die teilweise grobe Handarbeit ist den Möbeln deutlich anzusehen. Für die lokalen Verhältnisse handelt es sich aber sicher um Luxusobjekte, die nur wenige Inder in ihren Häusern haben dürften. Leider ist bei der Herstellung nur begrenzt auf Qualität geachtet worden. Trotzdem die Gebäude gemauert wurden, haben sich schon nach wenigen Wochen die ersten Risse gebildet. Der Putz bröckelt an vielen Stellen von der Wand. Erik kann auf dem Boden einige Reste entdecken, so dass der Putz einem wohl auch regelmäßig auf den Kopf fallen dürfte. Das Bad ist ebenfalls indischer Standard. Ein etwa 10 qm großer Raum mit einem winzigen Waschbecken und einer Dusche, die gleichzeitig die Toilette beregnet.

Erik zieht seinen Koffer ins Schlafzimmer und sieht, dass auch das Bett mit einem Moskitonetz versehen ist. Jeder Raum verfügt über eine in die Wand eingelassene Klimaanlage. Diese funktioniert wie ein Kühlschrank, wobei sich der Wärmetauscher außerhalb des Hauses befindet und der innere Teil eine deutlich kühlere Luft in das Zimmer bläst. Sowohl der kalte Luftstrom als auch der Lärm im Betrieb empfindet Erik als störend, so dass er die Klimaanlage zunächst abschaltet. Als erstes verstaut er dann seine mitgebrachten Lebensmittel und sortiert anschießend die Wäsche in den Schrank. Schließlich setzt er sich auf das Bett, wippt einmal kurz und legt sich dann probeweise hin.

»Na ja, Luxus buchstabiert sich sicher anders, aber für drei Wochen sollte es wohl reichen.«, sinniert Erik.

Episodenhaft erscheinen einzelne Szenen seiner Reise vor seinen Augen, so dass er nicht bemerkt, wie er einschläft. Eine halbe Stunde später wacht Erik völlig verschwitzt wieder auf. An einen erholsamen Schlaf ist nicht zu denken. Es ist einfach zu heiß. Da erst bemerkt Erik die Ruhe. Die Klimaanlage in den anderen Zimmern läuft auch nicht mehr. Das Licht geht auch nicht.

»Dann haben wir wohl einen Stromausfall.!« stellt Erik fest. Um etwas frischer zu werden, beschließt Erik, zu duschen. Er dreht den Hahn auf, woraufhin ein kurzer Wasserstrahl herausschießt, aber augenblicklich mit einem gurgelnden Röcheln versiegt. Ohne Strom gibt es wohl auch kein Wasser, stellt Erik fest. In der Ecke stehen mehrere große Kübel und Wannen im Bad. Langsam dämmert Erik, dass Stromausfälle wohl öfters passieren und die Behälter dazu dienen, Wasser zu sammeln. Auch die nächste Idee, sich einen Kaffee zu kochen, muss Erik wieder verwerfen. Ohne Strom läuft auch keine Kaffeemaschine. Erik wird langsam bewusst, wie anfällig die Welt ist, in der er in Europa lebt. Ohne Strom würde in einer technisierten Welt alles zusammenbrechen. Mit einem Mal wird Elektrizität, die in Europa als Selbstverständlichkeit gilt, ein echter Luxus. Wie Erik so dasteht und darüber grübelt, dass in Europa der Strom fast genauso dringend benötigt wird, wie die Luft zum Atmen, startet mit einem lauten Rattern plötzlich wieder die Klimaanlage, um gleich darauf aber wieder den Dienst zu quittieren. Kurz darauf springt sie wieder an. Erik wartet darauf, dass sie wieder ausfällt, doch sie läuft diesmal weiter. Erleichtert geht Erik in die Küche, um die Kaffeemaschine zu bedienen. Als er den Wasserhahn in der Küche öffnet, läuft eine braune Brühe in den Behälter, die Erik etwas angewidert sofort wieder ausschüttet und den Wasserhahn laufen lässt. Es dauert eine Weile, bis das Wasser halbwegs klar aussieht. Tatsächlich ist es nicht wirklich klar, sondern zeigt immer noch eine leicht bräunliche Farbe. Er erinnert sich, dass Wilfried ihm erzählt hat, dass das Camp einen eigenen Tiefbrunnen hat. Es ist also das Wasser, was direkt aus der Erde kommt und daher mit allen möglichen Mineralien gesättigt ist. Als er den Eindruck hat, dass es nicht mehr besser wird, füllt er den Behälter der Kaffeemaschine und steigt dann unter die Dusche. Im Anschluss beschließt er, zwei Plastikwannen mit Wasser zu befüllen um dem nächsten Stromausfall nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Wenn man dann eingeseift unter der Dusche steht, ist das ziemlich unangenehm ohne Wasser. Als er dann aber den steigenden Wasserspiegel in der weißen Wanne beobachtet, kann er auch hier deutlich die braune Färbung des Wassers erkennen.

Etwas misstrauisch füllt er anschließend in der Küche eine Tasse mit dem frischen Kaffee. Als erstes versucht er, am Geruch zu erkennen, ob sich eine Auffälligkeit zeigt. Unentschlossen, ob er einen Schluck wagen soll oder nicht steht er einen Augenblick mitten im Raum, um schließlich seine Widerstände zu überwinden. Zum einen lockt ihn der Kaffeeduft und zum anderen ist das Wasser ja gekocht, beruhigt er seine innere, warnende Stimme. So richtig schmeckt ihm der Kaffee aber nicht, so dass er beschließt, es bei einer Tasse zu belassen. Erik überlegt sich, dass er eigentlich noch keine Ahnung hat, wie die Abläufe im Camp und bei der Arbeit sind. Gerade als er beschließt, vorzulaufen und Willy danach zu fragen, klopft es an der Tür. Als er öffnet, stehen drei junge Inder vor seiner Tür, die der Wachmann vom Gate begleitet hat und nun im Hintergrund wartet. Sie wurden wohl von Wilfried ausgesucht und bewerben sich um den Job als Hausboy. Fremde Inder dürfen wohl nicht so einfach im Camp herumlaufen, weshalb der Aufpasser vom Gate sie begleitet.

»Good Morning. What is your name?«, fragt Erik den Ersten.

Er lächelt Erik freundlich an, antwortet aber nicht.

»What is your Name.«, fragt Erik den Zweiten.

»My name is Kumar, Sir.«, antwortet dieser laut und aufgeregt.

Also, der hat mich zumindest verstanden überlegt Erik.

»And you?«, wendet er sich an den Dritten.

»My name is Shekar. Please Sir, read this.«, wobei der Dritte ein Schreiben entgegenhält und einen deutlich ruhigeren Eindruck vermittelt.

Erik sieht das Logo der Firma Siemens auf dem Papier. Er kann sich ein Lachen kaum verkneifen, als er den Text liest. Auf dem offiziellen Briefpapier kann er lesen, dass der Besitzer dieses Schreibens das Recht hat, bei Regen einen Regenschirm und Gummistiefel zu tragen. Das Ganze sieht hochoffiziell aus, mit Stempel und Unterschrift. Entsprechend stolz ist Shekar auf das Dokument. Erik kann sich ein Schmunzeln kaum verkneifen. Er hat davon gehört, dass Monteure sich im Ausland derartige Scherze mit den Einheimischen erlauben. Gleichzeitig überlegt er aber, dass der junge Mann vermutlich einige Zeit in den Diensten eines Europäers gestanden haben muss, wenn er ihm am Schluss solch ein Dokument ausstellt. So ist er zumindest mit der grundsätzlichen europäischen Mentalität vertraut. Aufgrund der vorliegenden Referenzen beschließt Erik, Shekar einzustellen.

Erik wendet sich also an Shekar, fordert ihn auf, mit in das Haus zu kommen und bedankt sich bei den anderen Indern, die ihn weiterhin anlächeln. Erik erklärt Shekar, dass er jeden Morgen kommen soll, die Wohnung fegen, das Bad reinigen und einmal durchwischen. Bei allen Erklärungen wackelt Shekar mit dem Kopf, wobei nicht klar ist, ob er den Sinn der Erklärung verstanden hat, oder ob das Wackeln lediglich zeigt, dass er gar nichts verstanden hat. Erik beschließt, dass er Shekars Arbeit im Zweifel auch noch später optimieren kann und entlässt ihn für heute. Als er wieder die Tür öffnet, stehen immer noch der Aufpasser und die zwei anderen Kollegen davor. Erik hatte erwartet, dass sie mittlerweile von alleine gegangen sind, doch anscheinend warten sie auf eindeutige Ansagen. Nun erklärt Erik dem Wachmann, dass Shekar eingestellt ist und morgen früh kommen soll.

Erik steht noch kurz in der Tür und schaut dem kleinen Trupp hinterher, als er beschließt, den Moment zu nutzen um sich das Camp anzusehen. Im Augenblick leben mit ihm noch zehn weitere Europäer im Camp. Zu Spitzenzeiten lebten hier sogar Familien mit kleinen Kindern, so dass es eine Gruppe von insgesamt 60 Europäern war. Jetzt ist das Leben im Camp deutlich ruhiger geworden. Die Partys, die sonst regelmäßig am Wochenende gefeiert wurden, hat es schon lange nicht mehr gegeben. Was auffällt, sind die Bäume. Es sind die einzigen Bäume weit und breit. Sie wachsen nur, weil die Camp-Bewohner sie zwischen den Häusern angepflanzt haben und regelmäßig gießen, bzw. gießen lassen. Zuständig für alle solche Arbeiten sind die Hausboys. Und es gibt nur Boys für derartige Arbeiten. Junge Frauen als Haushälterin sind nicht vorgesehen, da es bei den Indern ein klares Rollenbild gibt, in dem so etwas nicht möglich ist. Frauen, die ohne männlichen Begleiter bei einem anderen Mann arbeiten, gelten als schamlos und werden von der Dorfgemeinschaft verachtet.

Die Sonne brennt inzwischen mit viel Energie, so dass der Schatten, den die Bäume werfen, sehr wohltuend ist. Die Luft ist zwar flirrend heiß, aber das Klima ist unter den Bäumen tatsächlich angenehmer. Dadurch haben sogar einige Blumen die Chance, den ansonsten lehmig grauen Boden mit ihrer Farbe zu schmücken. Erik stellt auf seinem Weg durch das Camp fest, dass sich inzwischen auch Vögel eingefunden haben, die in den Sträuchern und Bäumen nach Nahrung suchen. Die Vögel sind jedoch nicht zu hören. Maximal ein leises Piepsen als Warnung an die Kollegen, wenn er sich nähert. Die Hitze kostet vermutlich so viel Kraft, dass keine Energie mehr übrig ist, um noch irgendwelche Lieder zu trällern.

Erik hat von Wilfried erfahren, dass es eine Kantine und eine Bar im Camp gibt. Als Erik an der Kantine eintrifft, wirft er einen Blick hinein. Ein Inder mit schöner weißer Kochmütze steht dort mit zwei Helfern und bereitet das Mittagessen vor. Auf Nachfrage von Erik erklärt der Koch, dass es heute Reis mit Büffelfleisch gibt und dazu irgendeinem Gemüse, das Erik nicht kennt. Jetzt erst sieht er Wilfried durch die Tür zum Essenssaal wie er die Dekoration der Tische überprüft. Er ist also nicht nur Lagerist und Campverwalter, sondern auch Küchenchef.

Mit einem Mal öffnet sich die Tür auf der Gegenseite und der erste Schwung an hungrigen Kollegen tritt ein. Sie sind gerade mit den Fahrzeugen von der Baustelle gekommen. Die Fahrer haben jetzt Hochbetrieb. In jedes Auto passen drei Personen. Bis alle Mitarbeiter hergebracht wurden, müssen die Fahrer die Strecke zwischen Baustelle und Camp jeweils drei Mal zurücklegen. Erik beschließt, in den Essenssaal zu gehen und die Kollegen zu begrüßen. Tatsächlich kennt er keinen von ihnen. Sie reisen von einer Baustelle zur nächsten, so dass sie, wenn überhaupt, nur kurz ins Büro kommen, um ihre Angelegenheiten zu klären. Erik geht auf den ersten Tisch zu und sagt: »Hi, ich bin Erik.«

»Ach, der Neue ist da. Was hast Du verbrochen, dass man Dich hierher schickt?«, fragt ihn ein etwa 40 Jahre alter Mann, der eine Halbglatze und eine Brille trägt.

»Willkommen am Ende der Welt, ich bin Alfred.«, stellt er sich vor.

»Peter.«, stellt sich der Zweite vor und reicht Erik die Hand, ohne aufzustehen. Er ist deutlich jünger und recht schlank. Vielleicht etwa 35 Jahre alt, mit schwarzen Haaren, in denen sich allerdings die ersten grauen Strähnen zeigen.

»Gunter.«, hält ihm der Dritte seine Hand hin. Er hat eine braun gebrannte Glatze und einen imposanten Bierbauch.

»Hi, ich bin Frank.«, stellt sich schließlich der Letzte vor, in dem er die Hand zum Gruß hebt. Frank ist schlank, etwa 30 Jahre alt, hat blonde kurze Haare und eine Brille.

»Hier ist noch Platz, kannst Dich ruhig setzen.«, wird Erik von Alfred eingeladen.

Erik setzt sich zu ihnen an den Tisch und versucht, nicht unangenehm aufzufallen. Er kennt die ungeschriebenen Spielregeln noch nicht und möchte nicht gleich am ersten Tag anecken. Es wird aber nichts aus der Idee, nur still am Tisch zu sitzen und die Kollegen zu belauschen. Diese Baustelle ist so weit weg von der Zivilisation, dass jeder Neuankömmling begierig nach aktuellen Themen ausgefragt wird. Plötzlich steht er ungeplant im Mittelpunkt des Interesses, obwohl er keinen der Anwesenden vorher gesehen hat. An diesem Ort gibt es keine Zeitung und kein Fernsehen. Diejenigen, die sich einen Weltempfänger besorgt haben, können zumindest ab und zu die Nachrichten auf der Deutschen Welle verfolgen. Erik schaut irritiert in die erwartungsvollen Gesichter und überlegt, was es denn nennenswertes aus der Heimat zu berichten gibt? Es fällt ihm allerdings anfangs äußerst schwer, da er keine Ahnung hat, was die Jungs interessiert. Zuerst erzählt er daher etwas über die Firma, welche neuen Projekte gerade in der Pipeline sind, was es mit dem Stühlerücken auf der Managerebene gerade auf sich hat und worüber sich die Kollegen zur Zeit aufregen. Ein kritisches Thema ist alles, was mit Geld zu tun hat. So gibt es zurzeit eine neue Regelung zur Abrechnung der Auslösung, also dem Schmerzensgeld für den Auslandsaufenthalt, wie die Kollegen sagen. Die aktuelle Tabelle hat Erik dabei, allerdings noch in seinem Koffer. Die Gespräche drehen sich sofort um die Gerüchte, die man irgendwo gehört hat. Die Kollegen zeigen deutlich, dass es ihnen am liebsten wäre, dass Erik sein Essen stehen lässt und die Tabelle sofort holt. Geld ist wohl wirklich ein wichtiges Thema. Vermutlich der einzige Grund, warum die Kollegen das Ganze hier auf sich nehmen. Jeden Tag rechnen sie sich vermutlich aus, was zuhause auf ihr Konto läuft. Erik verspricht, die Tabelle am nächsten Tag mit auf die Baustelle zu nehmen. Ansonsten fällt Erik nicht wirklich ein spektakuläres neues Thema ein.

Das Essen ist in Schüsseln und Platten auf dem Tisch angerichtet, der sogar mit einer weißen Tischdecke eingedeckt ist. Es ist nicht nur ordentlich angerichtet, sondern riecht auch lecker, so dass Erik nicht überrascht ist, dass es ihm gut schmeckt. Nach dem Mittagessen fühlt Erik sich jedoch erschöpft und beschließt, zurück zu seinem Haus zu gehen und sich kurz hin zu legen. Er fühlt sich von der Anreise und der Zeitumstellung einfach zu gerädert, um jetzt schon auf die Baustelle zu gehen.

Es sind doch nur drei Wochen

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