Читать книгу Es sind doch nur drei Wochen - Tom Sailor - Страница 8

»We accept Dollars.«, erläutert der Zöllner.

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»How much do I need to pay?«, fragt Erik nach.

»200 Dollars«, kommt es sofort zurück.

In diesem Moment ist Erik äußerst dankbar, dass er dem Rat eines Kollegen gefolgt ist und in Deutschland ausreichend Dollarnoten getauscht hat. Er öffnet seinen Koffer und holt das Geld heraus. Beim Abzählen fällt ihm auf, dass von den 500 Dollar, die er eingetauscht hat, plötzlich nur noch 300 Dollar vorhanden sind.

»Da scheint sich wohl vorhin einer von diesen Arschlöchern bedient zu haben, als ich nicht alle Koffer gleichzeitig im Blick hatte.«, stellt Erik wütend fest. Gleichzeitig wundert er sich aber, dass derjenige nicht alles Geld genommen hat. Der Officer steckt das Geld in die Hosentasche und winkt Erik wieder mit der lässigen Handbewegung durch, die er schon bei der Passkontrolle gesehen hat. Ein kleiner Zorn steigt in Erik auf, doch bevor er noch eine weitere und vermutlich höhere Strafe erhält, die er dann nicht bezahlen kann, hält er lieber den Mund, verzichtet auf die Bescheinigung und schiebt sein verbliebenes Gepäck zum Ausgang.

Etwas benommen von dieser Einreiseprozedur kann er endlich aus dem Flughafen entfliehen. Dieses Indien fängt für ihn äußerst anstrengend an.

»Na gut. Jetzt kann ich erst einmal in Ruhe zum Hotel fahren und am nächsten Morgen mit unserem Büro die Auslösung der beschlagnahmten Sachen klären.«, sinniert Erik, als er den einen Kofferwagen durch die Tür schiebt. Von wegen Ruhe. Kaum ist er über eine imaginäre Linie geschritten, stürzen sich gleich mehrere Träger auf ihn. Erik hat die Qual der Wahl.

»Ja, der mit dem blauen Turban darf meine Koffer schleppen.«, versucht Erik mit Zeichensprache zu klären. Kaum hat sich der Blauturban seines Trolleys bemächtigt, erscheinen die Agenten der Taxifahrer und versuchen, ihn zu einem Vehikel zu lotsen. Der Inder mit dem blauen Turban winkt jedoch ab und fordert Erik auf, ihm zu folgen. Erik ist einerseits dankbar für einen Lotsen, der ihn zielstrebig durch das Gewühl führt, ist sich aber nicht sicher, ob der Inder ihn wirklich zum Taxistand bringt. Was ihm immer stärker auffällt ist, dass der unangenehme Geruch immer intensiver und unangenehmer wird. Vor dem Gebäude hat sich nun zu dem Modrigen Geruch im Inneren des Gebäudes noch ein beißender Gestank von kokelndem Müll gesellt.

»So muss das bei uns im Mittelalter auch gewesen sein«, überlegt Erik. »Hier kann man erfahren, dass Umweltschutz und die vielen Auflagen auch etwas Gutes haben. So einen Gestank würde es bei uns in Deutschland nicht mehr geben! Und wenn, dann wäre er nach kurzer Zeit abgestellt.«

Als sie am Taxistand ankommen, sieht Erik neben dem Parkplatz eine kleine Gruppe von vier Menschen am Boden hocken. Sie sitzen alle auf einer Decke, so dass es wie ein Picknickausflug wirkt. Daneben brennt ein winziges Feuer, das dem Geruch nach wohl aus irgendwelchen Müllresten genährt wird. Es scheint mehr Qualm als Hitze zu erzeugen. Trotzdem hockt eine Frau in einem Rock vor dem Feuer und scheint etwas in einem Topf zu kochen. Fasziniert ist Erik stehen geblieben und schaut auf diese irgendwie unwirklich wirkende Szene. Er überlegt, ob es sich um ein Picknick handelt, oder ob diese Menschen wirklich kein Dach über dem Kopf haben und somit hier leben. Plötzlich springt einer der Inder auf, fasst Erik am Arm und versucht ihn zu einem Dreirad mit Mopedmotor zu ziehen, dass neben der Vierergruppe parkt. Mit einer einladenden Handbewegung fordert er Erik dann zum Einsteigen auf.

»Sorry, I do not accept this vehicle. I want a car!”, erwidert Erik. Der Inder mit dem blauen Turban bleibt stehen und schaut Erik fragend an. Da greift der andere Inder nun einen Koffer und versucht ihn an dem hinteren Teil des Moped-Taxis zu befestigen. Nun schreitet Erik ein und nimmt ihm den Koffer wieder ab. Erik wendet sich direkt an den Kofferträger mit dem blauen Turban und fordert ihn durch heftiges Gestikulieren auf, seine Koffer weiter zu dem Taxistand zu schieben.

»Sir, 50 Rupees please for service, please!«

Der Fahrer des Moped-Taxis lässt nicht locker und läuft neben Erik her. Mit Sicherheit hat er dort schon ein lukratives Geschäft im Sinn gehabt, dass er jetzt platzen sieht.

»Sir, 50 Rupees please for family Sir, please!«

Der Inder mit dem blauen Turban dreht sich um und zischt den Fahrer des Moped-Taxis kurz an, so dass dieser zurückzuckt und von dannen trottet.

»Vermutlich funktioniert dieses System, indem man so lästig wird, bis der andere aufgibt und dafür bezahlt, in Ruhe gelassen zu werden. Hier am Flughafen scheint es wohl so zu sein, dass mit mehr oder weniger findigen Begründungen die ahnungslosen Touristen abkassiert werden.« überlegt Erik.

Danach steuern sie auf ein Taxi zu, an dem ein Inder mit einem weißen Turban lehnt. Mit einer einladenden Geste deutet der Inder mit dem blauen Turban auf das Taxi.

»How much to Hyat Hotel?«, fragt Erik den Taxifahrer, wobei er sich überlegt, dass es merkwürdig ist, wie sich die Sprache reduziert, wenn man den Eindruck hat, dass die Gegenseite nicht richtig Englisch kann.

Der Taxifahrer beginnt etwas zu erklären, wobei Erik kein Wort versteht. Erik vermutet, dass es wohl um Geld geht und nimmt eine Dollarnote in die Hand und gibt sie dem Taxifahrer. Der stutzt kurz, wendet sich an den Kollegen mit dem blauen Turban, der ihm daraufhin etwas indisches Geld gibt. Daraufhin taucht wie aus dem Nichts ein weiterer Inder ohne Turban auf, der wohl irgendein Agent für irgendeinen Service ist und nun auf den Taxifahrer einredet, bis dieser ihm etwas Geld gibt. Erik vermutet, dass dies wohl die Gebühr für den Parkplatz sein könnte. Da er gerade beim Geldausgeben ist, gibt er eine weitere Dollarnote an den Inder mit dem blauen Turban, der sich höflich bedankt und nun einen weiteren kleinen Inder herbeiwinkt. Dieser macht zwar einen recht aufgeweckten Eindruck, ist aber alles andere als ein Muskelprotz. Trotzdem wuchtet der kleine Inder die zwei verbliebenen Koffer zunächst auf seinen Kopf und dann auf den Dachgepäckträger des Taxis. Für Erik eine schwierig zu verstehende Arbeitsteilung. Er hatte erwartet, dass der Inder mit dem Turban die Koffer in das Taxi stellt. Erik hat zunächst auch keine Vorstellung, ob es zu viel oder zu wenig Geld ist, das er verteilt hat. Erst später erfährt er, dass er einen ganzen Tageslohn verteilt hat. Da es also nicht zu wenig ist, holpert er kurz darauf mit einem sich antik anfühlenden Automobil in Richtung Stadtzentrum. Der leichte Fahrtwind ist angenehm warm, weht aber den Geruch von Fäulnis und Lagerfeuern in die halb herabgelassenen Fenster.

»Dieser Geruch wird mich wohl von nun an ständig begleiten.«, überlegt Erik. Er hat den Eindruck, als ob dieser Geruch nicht an der Kleidung haltmacht, sondern bis unter die Haut kriecht. So als würde er alles für sich vereinnahmen und verschlingen. Es ist tatsächlich das intensivste, was er als ersten Eindruck von Indien bisher mitbekommen hat.

»Mein erster Eindruck ist: Dieses Land stinkt!«, resümiert Erik auf dem Rücksitz.

Bei der Fahrt ins Hotel fallen ihm die vielen Menschen auf, die links und rechts entlang der gesamten Strecke auf dem Boden sitzen, hocken oder liegen. Alle in ärmliche, geflickte und teilweise dreckige Lumpen gehüllt. Die, die neben der Straße liegen, scheinen zu schlafen. Einfach so auf dem nackten Boden, etwa einen Meter neben der Straße, auf der immer mehr LKWs, Autos, Rikschas und Fahrradfahrer sich scheinbar rücksichtslos vorwärtsdrängen. Entsetzt malt sich Erik aus, dass ein LKW vielleicht ausschert und über diese Menschen rollt. Vermutlich fährt er dann einfach weiter, ohne sich um das Schicksal der Betroffenen zu kümmern.

Was Erik auch auffällt, ist der fortwährende Lärm. Zum einen von den Motoren, aber erst recht von dem pausenlosen Hupen. Es ist eine bedrückende Fahrt. Nichts erinnert im Augenblick an die Hochglanzmagazine, die das »Magic India« mit hübschen Mädchen an Traumstränden anpreisen. Das Taxi kommt ihm so vor wie ein Kokon, das ihn, eingehüllt in einen Wattebausch, vom Flughafen zum Hotel bringt. Das Taxi ermöglicht es, dass Erik einigermaßen distanziert von dem Elend bleibt, das rechts und links an dem Fahrzeug wie ein schlechter, grausamer Film vorbeizieht. Erik lehnt sich nach den ersten Eindrücken zurück und versucht, die Szenerie zu übersehen. Im Osten zeigt sich mittlerweile eine leichte Dämmerung.

»Mein erster Tag in »Magic India« beginnt!«, fasst Erik den Moment mit einem leicht spöttischen Unterton zusammen. Er vermutet, dass trotz der Betriebsamkeit, im Augenblick eigentlich noch Nachtruhe besteht und dass das Treiben in einigen Stunden noch sehr viel chaotischer sein wird. Nach einer dreiviertel Stunde Fahrt erreichen sie das Hotel. Die Hoteleinfahrt ist mit einer geradezu verschwenderischen Festbeleuchtung illuminiert. Die weißen Säulen, die gepflegte Anlage und die sauber gekleideten Mitarbeiter bilden einen starken Kontrast zu dem Indien, dass ein paar Meter weiter vor der Auffahrt wabert. Es erscheint Erik wie eine Oase in der Wüste. Eher wie ein Zufluchtsort, an dem er sich von den Räubern, Wegelagerern und Gefahren dieser Reise in Sicherheit wähnen kann.

Es sind doch nur drei Wochen

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