Читать книгу #FOR99DAYS - Tommy Warzecha - Страница 42
ОглавлениеFREISEIN
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Ist es nicht seltsam, dass man sich öfters aus der Schlinge einer schier undurchdringlichen Hülle befreien, entfliehen möchte oder gar durchbrechen muss um sich nicht abzuschotten oder das Gefühl von Leben wieder zu erfahren? Die Macht der Gewohnheit [die langsam aber sicher zur Gewöhnlichkeit wird] oder der Anpassung an die umgarnende Umwelt der wir uns nicht widersetzen wollen, um keinesfalls aufzufallen oder [für die einen] negativ [für die anderen] auffallen. Worauf ich hinaus will? Ich mag das Gefühl von Freisein. Angefangen hat es bereits heute früh, nachdem ich mich gar nicht aufraffen konnte das Haus zu verlassen für die Arbeit. Die Sonne schien und mein Blick aus dem Fenster, um mich der Witterung anzupassen, indem ich schaue was die anderen Leute da draußen auf der Straße anhaben, um mich anzuziehen endete im kleinen Desaster, denn es lief niemand umher. Also war ich auf mich und das Bauchgefühl angewiesen. Fakt war: es würde warm werden und da ich ja von Beginn an der Woche schon bei jeder kleinsten Bewegung ins Schwitzen komme war mir klar, dass ich kurze Hose und T-Shirt anziehe. Aber was nur? Der Kleiderschrank platzt aus allen Nähten und doch finde ich nichts passendes; oder hatte das Shirt oder die Kombi schon an… Immer das Gleiche. Hier wünsche ich mir auch oft die Freiheit mal nach Lust und Laune zu shoppen was mir gefällt. Habe zwar auf der Stelle die Eingebung, dass ich sicher auch dann wieder vor der gleichen Situation stehen würde und nichts passendes finde. Nun ja; da ich ohnehin noch nicht bereit war und einen weiteren Kaffee aus der Maschine lief, trödelte ich noch ein wenig und zündete mir die dritte Zigarette am Morgen an, schnitt mir mein Pausenbrot ab und belegte es – aber war drauf und dran [spätestens nach dem Duschen] in der Arbeit anzurufen, um zu sagen “ich komme heute nicht” – wollte mir einen Tag Urlaub gönnen und nichts, rein gar nichts tun. Aber dann bin ich doch losgetrappt zur U-Bahn und mit dem wundervoll nach Fischbrötchen riechenden Mief-Bus in die Arbeit gefahren. War dennoch nur ein kurzer, langweiliger Auftritt. Das Spannendste heute war wohl das Eintippen der Sepa-Mandate von Kunden und die noch zu bearbeitenden Mails, die inzwischen schon auf wieder über 400 aufgetürmt sind warten jetzt doch bis Montag. Irgendwie konnte ich den ganzen Tag gähnen und wurde nicht wirklich wach. Sehr schwerfällig und gedehnt wie Kaugummi kam mir der Tag heute vor. Aber Wurscht – es ist ja jetzt Wochenende und arbeitstechnisch wird jetzt abgeschaltet. Zu guter letzt: das ‘Sommerfest’ unserer Firma im Landbiergartenparadies [hieß das so?] war für mich und Schnuck-Puz die mir treu zur Seite stand [und saß] nach knapp zwei Stunden vorüber. Nachdem weder Stimmung aufgekommen war, denn es war brechend voll [von anderen Besuchern und dem normalen Betrieb dort] und wir keinen Alkohol trinken wollten, die Auswahl der Brotzeit mehr als spärlich war und wir nach der Zeit nicht mehr stocksteif auf den unbequemen Bierbänken sitzen konnten, haben wir das Weite gesucht und sind heimgelaufen. Es war lau und angenehm – man horte in den einst unbekannten Straßennamen nur das Klappern unserer FlipFlops. Schnell hätten wir die Orientierung wieder und waren nach einem lockeren, aber schönen Spaziergang schnell daheim und hätten dann offiziell Feierabend. Ein Glück wär mein Schnuck-Puz da, sonst hätte ich mich wohl noch unwohler gefühlt.
Um vielleicht noch einmal auf die geniale Interpretation von ‘Freisein’ zu kommen, schnellt mir sofort der tiefsinnige Text von meiner Frau Setlur ein, der das Gefühl nicht treffender beschreiben könnte:
Glaubst Du, dass der Wind weht,
weil irgend jemand sagt: “Wind, weh jetzt”
Glaubst Du, dass die Sterne, die am Himmel stehen
leuchten, weil irgendwer sie anknipst ? Glaubst Du das ?
Glaubst Du, dass die Elemente tun, was sie sollen,
und nicht, was sie wollen ? Glaubst Du das ? Glaubst Du das ?
Wenn Du das glaubst, dann wirst Du nie sehen
und verstehen, was ich mein, wenn ich sag':
Ich will frei sein,
frei wie der Wind, wenn er weht.
Ich will frei sein,
frei wie ein Stern, der am Himmel steht.
Glaubst Du, dass die Erde
aufhören würde, sich zu drehen,
wenn irgendwer entschiede,
dass es besser wär’ für sie zu stehen ? Glaubst Du das ?
Glaubst Du, dass irgendwer, irgendwo, irgendwann
für Dich Dein Leben leben kann ? Glaubst Du das ? Glaubst Du das?
Wenn Du das glaubst, dann wirst Du nie sehen
und verstehen, was ich mein, wenn ich sag': ” Ich will freisein”
Glaubst Du, dass Dein Leben
bereits geschrieben steht,
und dass irgendwo ein Weiser
für Dein Tun die Konsequenzen trägt – glaubst Du das ?
Glaubst Du, dass von allen Leben auf der Welt eins wertvoller ist als Deins ?
Glaubst Du das ? Glaubst Du das ?
Wenn Du das glaubst, dann wirst Du nie sehen und verstehen,
was ich mein, wenn ich sag': “Ich will frei sein.”