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2.Verfassung, Organe

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Als juristische Person handelt der Landkreis durch seine Organe. Alle Landkreise haben – entsprechend der unechten Magistratsverfassung auf der Gemeindeebene (vgl. Teil A II) – zwei Organe: den Kreistag und den Kreisausschuss (§ 8). Zahlreiche Vorschriften der Hessischen Landkreisordnung entsprechen demzufolge inhaltlich den Bestimmungen der Hessischen Gemeindeordnung oder enthalten Verweisungen auf dieses Gesetz. Der Kreistag ist das oberste Organ des Landkreises; er entscheidet über alle wichtigen Angelegenheiten und überwacht die gesamte Kreisverwaltung (§ 8 Satz 1, §§ 29, 30). Die laufende Verwaltung besorgt der Kreisausschuss (§ 8 Satz 2, § 41). Die Beschlüsse des Kreistags sind nicht an die Zustimmung des Kreisausschusses gebunden. Der Kreisausschuss hat jedoch gegenüber Beschlüssen des Kreistags, die das Recht verletzen oder das Wohl des Landkreises gefährden, ein (nachrangiges) Kontrollrecht (§ 34 Abs. 4).

a) Kreistag. aa) Die Mitglieder des Kreistags, die Kreistagsabgeordneten, werden von den wahlberechtigten Kreisangehörigen in allgemeiner, freier, gleicher, geheimer und unmittelbarer Wahl für die Dauer von fünf Jahren gewählt (§ 8 Satz 1, § 21 Abs. 2, § 26); das Wahlverfahren bestimmt sich nach dem Hessischen Kommunalwahlgesetz (KWG). Bei der Kommunalwahl im März des Jahres 2001 konnten die Wähler erstmals nicht mehr nur der von ihnen jeweils favorisierten „starren Liste“ eine Stimme geben, vielmehr durften sie auch einem besonders geschätzten Kandidaten mehrere Stimmen geben (kumulieren) sowie Bewerber verschiedener Parteien wählen (panaschieren). Die wahlberechtigten Einwohner erhalten so einen unmittelbaren Einfluss auf die konkrete personelle Zusammensetzung ihrer Volksvertretung. Die Zahl der Kreistagsabgeordneten richtet sich grundsätzlich nach der Zahl der kreisangehörigen Einwohner (§ 25). Die Kreistagsabgeordneten repräsentieren in ihrer Gesamtheit die kreisangehörigen Einwohner (Grundsatz der repräsentativen Demokratie). Um ihre Aufgaben zum Wohle der Kreisangehörigen erfüllen zu können, bestimmt § 28 Abs. 1, dass die Kreistagsabgeordneten ihre Tätigkeit nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmten Überzeugung ausüben und an Aufträge und Wünsche der Wähler nicht gebunden sind (Grundsatz des freien Mandats).

Die Mitglieder des Kreistags sind gleichberechtigt; jeder Kreistagsabgeordnete hat bei der Beschlussfassung eine Stimme. Die Kreistagsabgeordneten entscheiden, soweit gesetzlich nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 32 Satz 2 HKO i. V. m. § 54 HGO). Sie können sich zu Fraktionen zusammenschließen; Rechte und Pflichten der Fraktionen bestimmen sich im Wesentlichen nach der Geschäftsordnung des Kreistags (§ 26 a). Kreistagsabgeordnete erhalten wie sonstige ehrenamtlich Tätige eine Entschädigung (Verdienstausfall, Fahrkostenersatz, Aufwandsentschädigung, § 28 Abs. 2 i. V. m. § 18 HKO, § 27 HGO). Die allgemeinen Pflichten der sonstigen ehrenamtlich Tätigen (Verschwiegenheitspflicht, Treupflicht) gelten auch für die Kreistagsabgeordneten (§ 28 Abs. 2).

bb) Die Kreistagsabgeordneten wählen in der ersten (konstituierenden) Sitzung nach der Wahl für die Dauer der Wahlzeit aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden und einen oder mehrere stellvertretende Vorsitzende (§ 31 Abs. 1 Satz 1); diese können vom Kreistag mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Kreistagsabgeordneten abberufen werden (§ 31 Abs. 2). Der Vorsitzende wahrt die Würde und die Rechte des Kreistags und repräsentiert die Vertretungskörperschaft in der Öffentlichkeit (§ 31 Abs. 3). Er setzt – im Benehmen mit dem Kreisausschuss – die Tagesordnung der Sitzungen des Kreistags fest, lädt zu den Sitzungen ein und leitet sie; er führt die Beschlüsse des Kreistags, die seine innere Ordnung betreffen, aus und vertritt den Kreistag in gerichtlichen Verfahren (§ 32 Satz 2 HKO i. V. m. § 58 Abs. 7 HGO). Auch ist er berechtigt, an den Sitzungen der Ausschüsse des Kreistags mit beratender Stimme teilzunehmen (§ 33 Abs. 2 HKO i. V. m. § 62 Abs. 4 Satz 1 HGO).

cc) Die Zuständigkeit des Kreistags als oberstes Organ des Landkreises ist nicht auf einen Katalog von Aufgaben, beispielsweise die in § 30 genannten „ausschließlichen Angelegenheiten“, beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle „wichtigen Angelegenheiten“ (§ 8 Satz 1, § 29 Abs. 1). Damit trägt der Kreistag die rechtliche und politische Verantwortung dafür, wie die Geschicke des Landkreises gelenkt werden sollen. Die Abgrenzung, ob eine „wichtige Angelegenheit“ oder eine zum Zuständigkeitsbereich des Kreisausschusses gehörende Angelegenheit der laufenden Verwaltung vorliegt, kann im Einzelfall schwierig sein (vgl. dazu Teil A II 1 c). In § 30 ist eine Reihe wichtiger Angelegenheiten aufgeführt, die der Kreistag nicht auf andere Organe bzw. Hilfsorgane übertragen kann, beispielsweise die Wahl der Beigeordneten im Kreisausschuss, die Änderung der Kreisgrenzen, die Befugnis, Kreisrecht (Satzungen) zu erlassen, zu ändern und aufzuheben, der Erlass der Haushaltssatzung und die Festsetzung des Investitionsprogramms. Weitere wichtige Angelegenheiten sind in einzelnen Vorschriften enthalten, wie die Abberufung von hauptamtlichen Kreisbeigeordneten und die Einleitung der vorzeitigen Abwahl des Landrats (§ 49) bzw. das „Misstrauensvotum“ gegenüber dem Landrat (§ 49a). Soweit dies nicht ausdrücklich untersagt ist, kann der Kreistag die Beschlussfassung über bestimmte Angelegenheiten oder bestimmte Arten von Angelegenheiten auf den Kreisausschuss oder einen Ausschuss mit der jederzeitigen uneingeschränkten Rückholmöglichkeit übertragen (§ 29 Abs. 1).

Neben der Entscheidung über wichtige Kreisangelegenheiten steht dem Kreistag die Überwachung der Kreisverwaltung, der Geschäftsführung des Kreisausschusses, insbesondere der Verwendung der Kreiseinnahmen, zu (§ 8 Satz 1, § 29 Abs. 2). Zur Durchführung seiner Kontrollbefugnisse räumt § 29 Abs. 2 dem Kreistag ausdrücklich ein Akteneinsichtsrecht ein. Dieses Recht steht nur dem Kreistag als Gesamtheit, nicht einzelnen Kreistagsabgeordneten oder Fraktionen zu; allerdings muss er die Einsetzung eines sog. Akteneinsichtsausschusses beschließen, wenn dies ein Viertel der Kreistagsabgeordneten oder eine Fraktion des Kreistags verlangt (§ 29 Abs. 2 Satz 2). Der Kreistag kann darüber hinaus die Übersendung von Ergebnisniederschriften über die Sitzungen des Kreisausschusses verlangen. Auch ist der Kreisausschuss verpflichtet, in den Sitzungen des Kreistags Auskünfte zu den Beratungsgegenständen zu erteilen (§ 32 Satz 2 HKO i. V. m. § 59 HGO).

dd) Zur Vorbereitung seiner Beschlüsse kann der Kreistag aus seiner Mitte Ausschüsse bilden (§ 33). Die Zahl der Ausschüsse, ihr Aufgabengebiet und ihre Zusammensetzung werden vom Kreistag durch einfachen Beschluss, durch die Geschäftsordnung oder die Hauptsatzung bestimmt. Wegen des Verfahrens im Übrigen wird auf Teil A II 1 d verwiesen (vgl. § 33 Abs. 2, zum Wahlvorbereitungsausschuss § 38 Abs. 2).

b) Kreisausschuss. aa) Auch der Kreisausschuss ist ein Kollegialorgan. Er besteht aus dem Landrat als Vorsitzendem, dem Ersten Kreisbeigeordneten und weiteren Kreisbeigeordneten (§ 36). Der Landrat ist hauptamtlich tätig, die Kreisbeigeordneten grundsätzlich ehrenamtlich. Die Hauptsatzung kann jedoch bestimmen, dass die Stellen von Kreisbeigeordneten hauptamtlich zu verwalten sind. Die Zahl der hauptamtlichen Kreisbeigeordneten darf allerdings die der ehrenamtlichen Kreisbeigeordneten nicht übersteigen. Die Kreisbeigeordneten werden vom Kreistag gewählt (§ 37a Abs. 1). Die Befugnis, auch den Landrat zu wählen, ist entfallen; seit dem 1. April 1993 ist dies – wie die Wahl der Kreistagsabgeordneten – eine Angelegenheit der wahlberechtigten Kreisangehörigen (§ 37 Abs. 1). Der Landrat und die hauptamtlichen Kreisbeigeordneten werden für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt (§ 37 Abs. 3, § 37a Abs. 2 Satz 1), die ehrenamtlichen Kreisbeigeordneten für die Wahlzeit des Kreistags (fünf Jahre, § 37a Abs. 2 Satz 2).

Während die hauptamtlichen Kreisbeigeordneten jeweils in einem besonderen Wahlgang nach Stimmenmehrheit gewählt werden, werden die ehrenamtlichen Kreisbeigeordneten nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt (§ 37a Abs. 1 Satz 2 HKO i. V. m. § 55 HGO). Während die Wahl des unmittelbar zu wählenden Landrats – wie die Wahl der Kreistagsabgeordneten – von dem Wahlausschuss des Landkreises vorbereitet wird (§ 38 Abs. 1), obliegt die Vor­bereitung der Wahl der hauptamtlichen Kreisbeigeordneten einem Ausschuss des Kreistags (§ 38 Abs. 2). Nach dem Grundsatz der Unvereinbarkeit von Amt und Mandat können Mitglieder des Kreisausschusses nicht gleichzeitig Kreistagsabgeordnete sein (§ 36 Abs. 2). Der Landrat und die hauptamtlichen Kreisbeigeordneten können vorzeitig abberufen werden. Zuständig für die Abberufung hauptamtlicher Kreisbeigeordneter ist der Kreistag; Voraussetzungen sind: ein Antrag von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Kreistagsabgeordneten und eine zweimalige Beratung und Abstimmung jeweils mit Zweidrittelmehrheit (§ 49 Abs. 1). Daneben besteht in den ersten sechs Monaten einer Kommunalwahlperiode noch ein erleichtertes Abberufungsverfahren (§ 49 Abs. 2). Die Befugnis des Kreistags, auch den Landrat abzuberufen, ist entfallen; seit dem 1. April 1993 kann ein unmittelbar gewählter Landrat nur von den wahlberechtigten Kreisangehörigen abgewählt werden, die Mitwirkung des Kreistags ist auf die Einleitung des Abwahlverfahrens beschränkt (§ 49 Abs. 4). Seit der Kommunalrechtsnovelle 2011 kann die Trennung auch umgekehrt vom Landrat initiiert werden, ohne dass er seine beamtenrechtlichen Versorgungsansprüche verliert. Nach § 49a kann er dem Kreistag die „Vertrauensfrage“ stellen. Bestätigt ihm der Kreistag mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder, dass er ihm für die weitere Amtsführung kein Vertrauen mehr entgegenbringt, wechselt der Landrat in den Ruhestand.

Die Mitglieder des Kreisausschusses sind grundsätzlich gleichberechtigt, jedes Mitglied hat bei der Beschlussfassung eine Stimme (§ 42 HKO i. V. m. §§ 67, 68 HGO). Dies gilt auch für den Vorsitzenden des Kreisausschusses, den Landrat; jedoch gibt seine Stimme bei Stimmengleichheit den Ausschlag (§ 68 Abs. 2 Satz 3 HGO).

bb) Der Landrat bereitet die Beschlüsse des Kreisausschusses vor und führt sie aus, soweit nicht ein Kreisbeigeordneter mit der Ausführung beauftragt ist (§ 44 Abs. 1 Satz 1). Er lädt zu den Sitzungen des Kreisausschusses ein und leitet sie (§ 42 HKO i. V. m. §§ 67 bis 69 HGO). Er kann bzw. muss unter bestimmten Voraussetzungen Beschlüssen des Kreisausschusses widersprechen und hat ein vorrangiges Beanstandungsrecht gegen Beschlüsse des Kreistags (§ 47). In dringenden Fällen ist ihm das Eilentscheidungsrecht anstelle des Kreisausschusses eingeräumt (§ 44 Abs. 3). Im Rechtsverkehr gibt er Erklärungen für den Landkreis im Namen des Kreisausschusses ab (§ 45 Abs. 1 Satz 2). Er leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang der Kreisverwaltung (§ 44 Abs. 1 Satz 2), verteilt die Arbeitsgebiete (Dezernate) unter die Mitglieder des Kreisausschusses (§ 44 Abs. 1 Satz 3) und ist Dienstvorgesetzter der Bediensteten des Landkreises mit Ausnahme der Kreisbeigeordneten (§ 46 Abs. 2 Satz 1). Er führt den Vorsitz in den vom Kreisausschuss gebildeten Kommissionen (§ 43 Abs. 2 HKO i. V. m. § 72 Abs. 3 HGO). Bestimmte Aufgaben, an deren Durchführung das Land ein besonderes Interesse hat (Auftragsangelegenheiten), nimmt er in alleiniger Verantwortung wahr (§ 4 Abs. 2).

Dem Landrat ist seit Einführung der Direktwahl darüber hinaus das Recht eingeräumt, im Kreistag eine von der Auffassung des Kreisausschusses abweichende Meinung zu vertreten (§ 32 Satz 2 HKO i. V. m. § 59 Abs. 4 HGO). Auch kann seine Geschäftsverteilungsbefugnis innerhalb des Kreisausschusses (§ 44 Abs. 1 Satz 3) seit dem Jahr 2000 nicht mehr vom Kreistag beschränkt werden. Zudem hat der Landrat auch ein sog. Initiativrecht – Anspruch auf Einberufung des Kreistags (§ 32 i. V. m. § 56 Abs. 1 Satz 2 HGO) – sowie ein Antragsrecht zur Gemeindevertretung (§ 32 i. V. m. § 58 Abs. 5 Satz 2 HGO). Sein bisher subsidiäres Kontrollrecht gegenüber Beschlüssen des Kreistags kann bzw. muss er nunmehr vorrangig vor dem Kreisausschuss ausüben (§ 34). Auch bei der Vertretung des Landkreises in Gesellschaften (§ 52 i. V. m. § 125 HGO) wurde seine Stellung gestärkt.

Neben seinen kommunalen Funktionen nimmt der Landrat als Behörde der Landesverwaltung staatliche Aufgaben, insbesondere die Aufsicht über kreisangehörige Gemeinden, wahr (§ 55). Das Gebiet des Landkreises bildet zugleich den Bezirk der unteren Behörde der Landesverwaltung (§ 1 Abs. 2).

cc) Wie auf der Gemeindeebene wird die Zahl der hauptamtlichen Beigeordneten für die Landkreise seit 2010 nicht (mehr) gesetzlich begrenzt (§ 36 Abs. 1).

dd) Das Gesetz weist dem Kreisausschuss die „Erledigung der laufenden Verwaltung“ als nicht entziehbare Zuständigkeit zu (§ 8 Satz 2, § 41). Zum Begriff „laufende Verwaltung“ vgl. oben Teil A II 2 d. Der Kreisausschuss besorgt die Verwaltung nach den vom Kreistag aufgestellten allgemeinen Grundsätzen und Beschlüssen im Rahmen der von diesem bereitgestellten Mittel (§ 30 Nr. 1, § 41 Satz 2). Als weitere Aufgaben, die die Stellung des Kreisausschusses als eigenständiges Organ unterstreichen, sind vornehmlich noch zu erwähnen die Vertretung des Landkreises im Rechtsverkehr (§ 45), die Anstellung, Beförderung und Entlassung der Kreisbediensteten (§ 46 Abs. 1 Satz 1) und die nachrangige Pflicht, Beschlüssen des Kreistags, die das Recht verletzen oder das Wohl des Landkreises gefährden, mit aufschiebender Wirkung zu widersprechen (§ 34 Abs. 4). Im Übrigen obliegt dem Kreisausschuss die Vorbereitung und Ausführung der Beschlüsse des Kreistags (§ 41 Satz 3 Nr. 2).

ee) Zur Erleichterung seiner Aufgaben kann der Kreisausschuss Kommissionen bilden (§ 43). Die Kommissionen bestehen aus Mitgliedern des Kreisausschusses und des Kreistags sowie – nach dem Ermessen des Kreisausschusses – sachkundigen Einwohnern. Den Vorsitz führt der Landrat oder ein von ihm bestimmter Kreisbeigeordneter. Den Kommissionen können dauernde Aufgaben (Verwaltung oder Beaufsichtigung einzelner Geschäftsbereiche) oder auch vorübergehende Aufträge übertragen werden.

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